Islamkritiker Wilders auf Berlin-Besuch:"Geert, du bist mein Held!"

Er schießt gegen die Bundeskanzlerin und stellt den Islam auf eine Stufe mit Nationalsozialismus und Kommunismus. Von seinen deutschen Anhängern wird der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders dafür wie ein Popstar gefeiert.

Jan Bielicki, Berlin

Die Fan-T-Shirts sind anscheinend nicht so gut weggegangen. Nur ein einziges Pärchen, die Haare bereits ergraut, hat sich die Leibchen übergestreift, die Stefan Herre in seinem Internetshop angeboten hat. Für 19,90 Euro das Stück zuzüglich Versand.

Geert Wilders Speaks In Berlin

In einem Berliner Luxushotel wurde Geert Wilders von etwa 500 deutschen Anhängern frenetisch gefeiert - während vor dem Hotel ein paar Dutzend Menschen gegen den Berlin-Besuch des niederländischen Islamkritikers protestierten.

(Foto: Getty Images)

"Geert Wilders, Berlin, 2.10.2010" wirbt die Hemdenaufschrift - und diese Vorstellung ist tatsächlich lange schon ausverkauft: Etwa 500 Fans haben je 15 Euro bezahlt, um den niederländischen Rechtspopulisten bei seinem ersten Auftritt in Deutschland zu erleben.

Als der Mann mit dem blondierten Haarschopf, umgeben von bulligen Personenschützern der niederländischen Polizei, den Saal eines Luxushotels am Berliner Lützowplatz betritt, geht es zu wie beim Pop-Konzert. "Please welcome the one and only Geert Wilders", ruft Herre, als Betreiber des muslimfeindlichen Blogs Politically Incorrect eine Hauptfigur der deutschen Anti-Islam-Szene. Die Leute springen auf, eine Frau schreit "Geert, du bist mein Held!" in den Begrüßungsbeifall.

Nicht erst, seit er mit seinen islamfeindlichen Parolen bei den Parlamentswahlen in seiner Heimat fast jeden sechsten Wähler für sich gewinnen konnte und nun sogar als Tolerierungspartner zur Regierungsmehrheit in Den Haag gehört, ist der 47-jährige Wilders ein Idol auch für deutsche Muslimfeinde. Sie hoffen, solche Ressentiments auch hierzulande in eine Partei rechts von CDU und CSU bündeln zu können.

Wilders enttäuscht sie nicht: Er liest seine Rede auf Deutsch, in jenem Rudi-Carrell-Tonfall, die auch harte Sprüche weich klingen lässt. Nie wird er laut. Selten konkret.

"Liebe Freunde", spricht er seine deutschen Anhänger sanft an. Und streichelt ihre Gemüter: Er erinnert daran, dass er nach Berlin gekommen ist, obwohl er daheim gerade zu "einem historischen Ereignis für die Niederlande" beigetragen habe, am Regierungsprogramm mitverhandelte - und außerdem in dieser Woche vor Gericht steht wegen des Verdachts, sein Herziehen über Muslime und Migranten könnte strafbare Hetze sein.

Dass Kanzlerin Angela Merkel sein Mitwirken an der Regierung öffentlich bedauert hat, liefert ihm die Vorlage: Merkel und dazu "das gesamte Establishment, die Eliten" würden nicht erkennen, dass Deutschlands Prosperität und Demokratie "bedroht sind von der Ideologie des Islam". Er dagegen stellt die Religion auf eine Stufe mit Nationalsozialismus und Kommunismus.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Geert Wilders zu Thilo Sarrazin zu sagen hat.

"Wir sind nicht Frau Merkel"

"Ergeben wir uns dem Islam, bis unsere Freiheit tot ist?", fragt er. "Nein!", ruft es aus dem Publikum. "Wir sind nicht Frau Merkel", sagt Wilders. Auch Deutschland, "Ihre große Nation, die größte Demokratie Europas", so schmeichelt und wirbt er, "braucht eine politische Bewegung, die die deutsche Identität verteidigt und sich der Islamisierung entgegenstellt."

Thilo Sarrazin erwähnt er natürlich auch. Dessen umstrittenes Werk liegt stapelweise auf dem Büchertisch im Saal. Nein, sagt Wilders, er habe es nicht gelesen, aber die Debatte darum zeige, "dass Deutschland mit sich ins Reine kommt". Die Deutschen hätten das Recht, stolz auf ihre nationale Identität zu sein und "das zu bleiben, was sie sind." Und "ein Deutschland mit Moscheen und verschleierten Frauen ist nicht das Deutschland von Schiller und Goethe, von Händel und Bach", sagt er in den nun rauschenden Beifall des Publikums.

Sarrazins Buch ist das Geschenk, das René Stadtkewitz seinem Gast überreicht, nachdem der Schlussapplaus abgeflaut ist und Wilders noch ein paar Autogramme verteilt. Stadtkewitz hat noch als Berliner CDU-Abgeordneter Wilders eingeladen in die Hauptstadt. Die Christdemokraten haben ihn dafür aus ihrer Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus geworfen.

Stadtkewitz bastelt nun an einer eigenen Partei namens "Die Freiheit" und hofft darauf, damit den deutschen Ableger der Internationalen Freiheitsallianz bilden zu können - jener Internationale des Rechtspopulismus, die Wilders vorschwebt.

So haben sie den Auftritt ihres umstrittenen Stars zelebriert: Noch tags zuvor blieb der Ort, an dem Wilders in Berlin auftreten sollte, geheim. Journalisten wurde per Email ein Hotel ausgerechnet am Rande des Problembezirks Neukölln genannt, ehe sie per SMS in ein von der Polizei umstelltes Hotel nahe des Tiergartens gelotst wurden.

Draußen twitterte unterdessen das Aktionsbündnis "Rechtspopulismus stoppen", um Leute für eine Blockade des Veranstaltungsorts zu gewinnen. Es kamen aber nur ein paar Dutzend Protestierer und der Lautsprecherwagen der Gewerkschaftsjugend von der IG Metall.

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