Islamkonferenz in Berlin:Man kennt sich jetzt

Innenminister Schäuble wertet die Islamkonferenz als Erfolg - und alle sind sich einig, dass weitergemacht werden muss. Die Ergebnisse aber sind eher dürftig.

Roland Preuß

Man muss wohl so streitlustig sein wie Wolfgang Schäuble, um nach so einem Treffen derart gelassenen vor den Kameras zu erscheinen. Fast dreieinhalb Stunden hat das Plenum der Islamkonferenz im Museum Hamburger Bahnhof in Berlin diskutiert, eine dreiviertel Stunde länger als geplant, doch die große Einigung war nicht mehr zu erringen.

Islamkonferenz in Berlin: Es war die vorerst letzte Islamkonferenz - doch die Teilnehmer werben schon für eine Fortsetzung.

Es war die vorerst letzte Islamkonferenz - doch die Teilnehmer werben schon für eine Fortsetzung.

(Foto: Foto: dpa)

Also lächelt der Bundesinnenminister und lobt die "intensive Diskussion" und "Gesprächskultur", die man in der Runde aus 27 Vertretern von Staat, muslimischen Verbänden und weltlichen Muslim-Vertretern entwickelt habe. Es klingt ein wenig so, als wäre man früher im Streitfall handgreiflich geworden und könne nun endlich die Fäuste auf dem Konferenztisch lassen. "Sie sehen uns hier sehr harmonisch Zusammensitzen", sagt Ayyub Axel Köhler, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD). Und Schäuble ergänzt, man sei auch "in vielen praktischen Fragen vorangekommen".

Hohe Ziele, aber magere Ergebnisse

Eigentlich müsste Schäuble vor allem ernüchtert sein. Denn gemessen an den eigenen, hochgesteckten Zielen ist das Ergebnis der vorerst letzten Islamkonferenz mager ausgefallen. Im Herbst 2006 hatte Schäuble zum ersten Treffen eingeladen und dafür parteiübergreifend viel Lob geerntet.

Der Idee, erstmals nicht über, sondern mit Vertretern der Muslime zu sprechen versprühte eine Anfangseuphorie und der Minister kündigte an, die Runde solle "so konkret wie möglich" arbeiten; sogar Lehrpläne für einen islamischen Religionsunterricht sollten entwickelt werden. Doch eine Arbeit an solchen Curricula hat noch nicht einmal begonnen, die Pläne für einen Religionsunterricht sind daran gescheitert, dass der Staat den Verbänden bisher abspricht, die Muslime in Deutschland zu repräsentieren - und auch diese sind sich untereinander nicht einig über den Stoff für einen solchen Unterricht.

Und so wertet es Schäuble schon als Erfolg, dass die Voraussetzungen, einen solchen Unterricht einzuführen, gemeinsam geklärt wurden - also die Vorvorstufe, bevor staatliche Islamlehrer überhaupt loslegen können. Auch in den 32 Seiten der Abschlusserklärung muss man mühsam nach Konkretem suchen, das meiste sind allgemeine Bekenntnisse zu Grundrechten und Apelle für Toleranz und Integrationsförderung - alles richtig, aber eben nicht konkret.

Am nähesten am Leben sind noch die gemeinsamen Empfehlungen an Schulen, wie bei Streitfällen mit muslimischen Familien gehandelt werden sollte, also vor allem, wenn Schüler vom Sport-, Schwimm- und Sexualkundeunterricht oder von Klassenfahrten befreit werden sollen. Hier haben sich Aufklärung und Einladungen an die Eltern bewährt, häufig wüssten diese gar nicht, wie etwa eine Klassenfahrt ablaufe, heißt es.

"Ein deutliches Zeichen"

Auch die Leitlinien, wie Moscheebauten möglichst konfliktfrei verwirklicht werden könnten, hätten zu einer Befriedung beigetragen, sagte Schäuble. Die Konferenz setze ein "deutliches Zeichen, dass Muslime in Deutschland angekommen und aufgenommen sind", sagt er.

Das zweite Zeichen allerdings ist, dass sich die Runde wieder einmal nicht einig geworden ist. Ausgerechnet bei den grundlegenden Themen Wertekonsens und Integration sowie dem gemeinsamen Kampf gegen den Islamismus scherte der Islamrat aus.

Dabei hatte Schäuble gerade wegen der Einladung des muslimischen Dachverbands immer wieder viel Kritik geerntet, weil der Islamrat durch die Vereinigung Milli Görüs dominiert wird, die der Verfassungsschutz als islamistisch einstuft. In einer Erklärung verteidigt der Verband sein Nein damit, die geplante Erklärung habe den muslimischen Glauben als integrationshemmend angesehen - ein Standpunkt, der von den anderen drei großen Muslim-Verbänden nicht geteilt wird. Sie billigten die Abschlusserklärung. Der frühere Zusammenhalt der muslimischen Verbände, die sich in den Vorjahren oft gemeinsam gegen Angriffe von Islamkritikern wie Necla Kelek verteidigten, ist somit dahin.

Für die Verbandsvertreter hatten die Arbeitssitzungen oft masochistischen Charakter, wegen der Attacken. Trotzdem ist man sich mit Schäuble einig, dass die Islamkonferenz unbedingt weitergehen muss. Die Muslime wollen sich weiter streiten. Denn immerhin können sie in der Runde direkt Schäuble und andere Minister ansprechen - und müssen nicht so wie früher verzweifelt darauf hoffen, dass Briefe oder Pressemitteilungen Gehör finden.

Zudem ist allen klar, dass die Konferenz nicht wie ursprünglich gedacht schon nach wenigen Jahren Jahrzehnte an Integrationsversäumnissen aufarbeiten konnte, sondern eigentlich erst am Anfang steht. Und so trägt die Abschlusserklärung dieser Sitzung denn auch den kleinlauten aber ehrlichen Titel "Zwischen-Resümee".

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