Islamkonferenz:"Der Islamrat hat die Tür selbst zugeschlagen"

Islamkonferenz vor dem Aus: Innenminister de Maizière verteidigt die Ausladung von Milli Görüs und wirbt um die übrigen Islam-Vertreter.

R. Preuß

Die muslimischen Verbände erwägen, aus der Islamkonferenz der Bundesregierung auszusteigen. Sie sind verärgert über die Reform und Neubesetzung des Gremiums durch Innenminister Thomas de Maizière. An diesem Freitag wollen die Verbände über ihre Teilnahme entscheiden.

SZ: Nach dem Ausschluss von Milli Görüs und seines Dachverbands Islamrat aus der Islamkonferenz erwägen nun auch die anderen großen Muslim-Verbände auszusteigen. War es ein Fehler die Organisation auszuladen?

De Maizière: Ich habe den Islamrat nicht ausgeschlossen, sondern habe ihm eine ruhende Mitgliedschaft vorgeschlagen, solange die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen. Die Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen. Aber schließlich geht es bei Milli Görüs um sehr gewichtige Vorwürfe wie Bildung einer kriminellen Vereinigung, Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und Geldwäsche. Dies wiegt so schwer, dass ich mit diesen Vertretern so nicht an einem Tisch sitzen will. Dies hat aber nichts mit den anderen muslimischen Verbänden zu tun, diese sind weiter herzlich willkommen.

SZ: Die übrigen Verbände haben Zweifel, ob die Konferenz ohne die gut 300 Moscheegemeinden von Milli Görüs sinnvoll arbeiten kann.

De Maizière: Der Islamrat hat die Tür ja selbst zugeschlagen, weil er keine ruhende Mitgliedschaft akzeptieren wollte. Von mir aus steht die Türe weiter offen , der Islamrat kann kommen, wenn die Vorwürfe geklärt sind.

SZ: Dennoch fühlen sich die anderen Verbände offenbar verpflichtet, dem Islamrat beizustehen, schließlich sind die großen Verbände im Koordinationsrat der Muslime zusammengeschlossen.

De Maizière: Da hätte ich mir unter den Verbänden eine kritischere Haltung gewünscht angesichts der Vorwürfe, die gegen Milli Görüs erhoben werden. Man muss es also anders herum sehen: Die Verbände sind in der Pflicht, aus den Vorwürfen gegen ihren Partner Islamrat Konsequenzen zu ziehen.

SZ: Die Ausladung ist nicht der einzige Kritikpunkt. Die Muslime bemängeln, dass die unabhängigen Vertreter in der Konferenz ein größeres Gewicht erhalten haben: Islamkritiker wie Seyran Ates und Necla Kelek haben Sie als Berater behalten, gleichzeitig sollen zehn neue Vertreter jenseits der Religionsverbände dazukommen. Ist das nicht eine Schieflage?

De Maizière: Nein, man darf nicht vergessen, dass die Verbände nur etwa ein Viertel der in Deutschland lebenden Muslime repräsentieren. Deshalb bildet die Zusammensetzung mit den unabhängigen Muslimen ein sehr kluges Mobile, das die Breite des muslimischen Lebens in Deutschland widerspiegelt. Wir haben vier religiöse Verbände, einen weltlichen und zehn unabhängige muslimische Persönlichkeiten. Es geht mir aber nicht um Quoten, sondern darum, dass sich möglichst viele Muslime von der Deutschen Islamkonferenz repräsentiert fühlen. Wir wollen die Konferenz praktischer ausrichten, deshalb habe ich mehr Leute mit Praxiserfahrung eingeladen, wollte aber gleichzeitig die alten Mitglieder nicht als Bündnispartner verlieren.

SZ: Der Zentralrat der Muslime sagt, wichtige Inhalte wie der alltägliche Rassismus gegen Muslime oder Islamophobie seien in Ihren Plänen gar nicht erwähnt worden.

De Maizière: Ich bin für thematische Anregungen der muslimischen Verbände selbstverständlich offen. Ich halte es allerdings für notwendig, die drei Schwerpunkte Wertekonsens mit der Gleichberechtigung der Geschlechter, Imam- und Islamlehrerausbildung sowie das Vorgehen gegen Extremismus zu diskutieren. Das ist das Wesen des Dialogs.

SZ: Sie sind offen für neue Themen?

De Maizière: Die von den muslimischen Verbänden vorgeschlagenen Themen wie Rassismus und Islamophobie können durchaus Platz finden. Aber wir sollten nicht erst langwierig darüber diskutieren, über was wir überhaupt sprechen wollen. Es soll ja schließlich keine inner-islamische Veranstaltung sein, sondern die Agenda ergibt sich schon aus den Problemen, die wir in unserer Gesellschaft haben.

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