Islamisten-Prozess in München:Vom Unwesen des Lockspitzel

Gift für den Rechtsstaat: In München stehen acht mutmaßliche Islamisten vor Gericht - da taucht plötzlich ein V-Mann des Verfassungsschutzes auf. Welchen Anteil hat er an den Straftaten? Der Fall zeigt einmal mehr die Gefahr solcher Verbindungsmänner für den Rechtsstaat auf.

Heribert Prantl

V-Leute sind für den Strafprozess das, was Stecknadeln für den Luftballon sind. Wenn die Stecknadelspitze mit dem Ballon in Berührung kommt, dann zerreißt es ihn und nur ein paar Fetzen bleiben übrig. In einem Prozess fliegen auch regelmäßig die Fetzen, wenn ein V-Mann ins Spiel kommt: Entweder der ganze Prozess platzt - oder zumindest die bisherige Beweisführung.

Prozessauftakt gegen acht mutmassliche Terrorhelfer

Prozess in München gegen acht mutmaßliche Islamisten: Am Donnerstag wurde bekannt, dass möglicherweise ein V-Mann die Angeklagten zu islamistischer Propaganda angestiftet haben könnte.

(Foto: dapd)

Soeben, im Münchner Terroristenprozess gegen acht Islamisten, ist ein vom Staat bezahlter V-Mann aus dem Milieu aufgetaucht. Die Angeklagten sollen im Internet für al-Qaida und Co. geworben haben; nun gibt es den Verdacht, dass sie vom V-Mann des Verfassungsschutzes dazu angeleitet worden sein könnten.

Die immer gleiche Frage in solchen Fällen lautet: Welchen Anteil an den Straftaten hat der (nicht angeklagte) V-Mann? Hat er die Täter verleitet? Hat er sie zu den Taten angeleitet? Solche Fragen sind nicht neu, sie stellen sich aber immer öfter - weil das Lockspitzel-Wesen ein Unwesen geworden ist, weil immer mehr Lockspitzel in immer mehr Bereichen eingesetzt werden: gegen Staatsfeinde, Terroristen, gegen Drogen- und sonstige Kriminelle.

Ihr polizeilicher Einsatz ist gesetzlich nicht geregelt. Daher kommt es zum Knall, wenn Lockspitzel dort eine Rolle spielen, wo alles genau geregelt sein muss: im Verfahren vor Gericht. Die Dubiositäten geheimdienstlicher Ermittlungsmethoden vertragen sich mit den Grundsätzen des Strafprozesses nicht. Womöglich ist der staatliche Strafanspruch verwirkt, wenn sich der Staat selbst strafbar verhalten hat.

Gift für den Rechtsstaat

V-Mann heißt Verbindungsmann. Er verbindet den Staat mit anrüchigen und gefährlichen Milieus. V-Leute sind der Versuch, ein Übel mit einem Übel zu bekämpfen: Um in ein kriminelles, terroristisches oder staatsfeindliches Milieu einzudringen, kauft sich der Staat Leute aus diesem Milieu. Diese liefern dann nützliche Informationen aus dem Milieu. Das ist das eine.

Das andere ist, dass sie die gefährlichen Aktivitäten weiter befördern, ja noch befeuern, um ja nicht aufzufallen. Bisweilen nennt man diese V-Leute auch Vertrauens-Leute. Das führt in die Irre, weil man ihnen nicht trauen kann. Und der Staat geht in die Irre, wenn er sich zu sehr auf solche Leute verlässt.

Sie sind weniger definiert durch das, was sie tun, als durch die Probleme, die sie aufwerfen: Die Skandalgeschichte der Bundesrepublik ist zu einem Teil auch eine Geschichte solcher V-Leute: Sie haben oft genug die Gefahren erst geschaffen, die sie bekämpfen sollten. Sie haben Plutonium nach Deutschland geschmuggelt, sie haben bei Demonstrationen zur Gewalt aufgerufen und Steine geworfen.

Die Bundesverfassungsrichter haben vor acht Jahren das NPD-Verbotsverfahren eingestellt, weil sie vor lauter V-Leuten in der NPD nicht mehr wussten, wo hinten und vorne ist. Die Sicherheitsbehörden haben sich das bisher keine Lehre sein lassen. Das Spitzelunwesen muss gezähmt werden, weil es sonst den Rechtsstaat vergiftet.

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