5. Mai. 2014: Überfall auf die Grenzstadt Gambaru. Boko-Haram-Milizen kommen mit gepanzerten Fahrzeugen, schießen wahllos in eine Menschenmenge. 300 Menschen werden ermordet, der Ort wird fast vollständig zerstört.
6. Oktober 2014: Kämpfe zwischen Boko Haram und Militär im Bundesstaat Adamawa im Nordosten Nigerias. 300 Kämpfer der Terrorgruppe und 70 Soldaten werden getötet.
7. Januar 2015: Kämpfer von Boko Haram überfallen mehrere Dörfer am Tschadsee und töten Hunderte oder sogar Tausende. Niemand kann sagen, wie viele Menschen genau ums Leben gekommen sind. Unter all den blutigen Attacken von Boko Haram sei das der zerstörerischste Angriff gewesen, sagt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Seit fast sechs Jahren überzieht die Terrormiliz Boko Haram den Nordosten Nigerias mit unvorstellbarer Gewalt, brennt Dörfer nieder und massakriert die ärmsten Bewohner des Landes. Die Karte oben illustriert das Ausmaß des Schreckens. In immer kürzeren Abständen schlagen die Islamisten zu, immer mehr Menschen, vor allem: immer mehr Zivilisten sterben.
In wenigen Tagen sollen die Nigerianer einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament wählen. Doch der Terror der Miliz, die schätzungsweise nicht mehr als 5000 Kämpfer hat, gefährdet die Abstimmung in dem 160-Millionen-Staat.
Was genau will diese Gruppe? Ist sie ein Al-Qaida-Ableger, wie es ihre Anführer einige Male behauptet haben? Oder eine Art Islamischer Staat, der Teile Nigerias abspalten und in einen Gottesstaat verwandeln will?
Diese Terror-Schablonen eignen sich nur sehr bedingt, um Boko Haram zu verstehen. Ohne die besonderen politischen Gegebenheiten Nigerias ist die Gruppe nicht denkbar, auch wenn die Milizionäre an globale islamistische Strömungen anknüpfen.
Geschäft mit Superlativen
Politik in Nigeria ist ein Geschäft mit Superlativen. Das Land ist Afrikas größte Volkswirtschaft. In keinem Land des Kontinents leben mehr Menschen und nirgendwo auf dem Erdteil werden mehr Sprachen gesprochen als hier: knapp 500. All das macht den westafrikanischen Riesen zu einem interessanten, pulsierenden Land. Doch die Rekorde verweisen auch auf die tiefen Risse, die Nigeria durchziehen. Willkürlich von der britischen Kolonialmacht zusammengewürfelt, leidet der Staat bis heute unter seinen höchst unterschiedlichen Landesteilen.
Einem christlich geprägten Süden steht ein mehrheitlich muslimischer Norden gegenüber. Der Beginn der Ölförderung Mitte des 20. Jahrhunderts verschärfte diese Kluft: Nun konzentrierte sich im Süden nicht nur eine weltgewandte, christliche Bevölkerungsschicht, sondern mit den Ölfeldern im Nigerdelta auch der wirtschaftliche Reichtum.