Islamist Reda Seyam:"Er will möglichst viele Ungläubige töten"

Der Islamist Reda Seyam soll einer der Hintermänner eines Anschlags auf Bali sein. Die deutschen Behörden wollten ihn offenbar vor Guantanamo bewahren und ihn stattdessen auf rechtsstaatlichem Weg bestrafen. Doch nun soll er in Ägypten sein.

Frederik Obermaier und Tanjev Schultz

Islamist Reda Seyam: Ein Tourist legt am Gedenkstein für die Opfer des Bombenanschlags auf Bali Blumen nieder. Vor zehn Jahren starben 202 Menschen.

Ein Tourist legt am Gedenkstein für die Opfer des Bombenanschlags auf Bali Blumen nieder. Vor zehn Jahren starben 202 Menschen.

(Foto: AFP)

Die Islamisten wollten töten, möglichst viele Touristen in den Tod reißen, darum auch die zwei Bomben: Vor zehn Jahren, am 12. Oktober 2002, marschierte ein mit Jeans und T-Shirt bekleideter Mann in die Disko "Paddy's Bar" auf der indonesischen Ferieninsel Bali. Amerikaner, Australier, Deutsche feierten dort ausgelassen. Auf der Tanzfläche zündete der Attentäter um kurz nach 23 Uhr seine Bombe, sie war wahrscheinlich in einem Rucksack versteckt. Dutzende Menschen wurden zerfetzt, die übrigen liefen in Panik auf die Straße.

Nur wenige Augenblicke später detonierte eine weitere, größere Bombe, die in einem Minivan versteckt war. 202 Menschen starben, unter ihnen sechs Deutsche. An diesem Freitag wird ihnen eine Gedenkfeier gewidmet. Einer der Hintermänner des Anschlag, da sind sich Sicherheitsbehörden in Deutschland und dem Ausland ziemlich sicher, ist ein Ägypter mit deutschem Pass - und er ist noch immer auf freiem Fuß.

Reda Seyam war 2002 in Indonesien als mutmaßliches Al-Qaida-Mitglied festgenommen worden. Verurteilt wurde er allerdings nur wegen eines Verstoßes gegen die indonesischen Einreisebestimmungen. Als er 2003 in Jakarta freigelassen wurde, stand angeblich schon ein Greifkommando des US-Geheimdienstes CIA bereit. Die deutschen Behörden wollten eine Entführung jedoch offenbar verhindern, Seyam sollte wohl nicht im berüchtigten US-Gefangenenlager Guantanamo landen, wo zu diesem Zeitpunkt schon der Bremer Murat Kurnaz einsaß.

Also schickte das Bundeskriminalamt (BKA) mehrere Beamte, sie holten Seyam am Gefängnistor ab und begleiteten ihn zum Flughafen, Ziel war Frankfurt. In Deutschland, so hofften die Behörden wohl, könne man den Islamisten auf rechtsstaatlichem Weg bestrafen. "Und das war ein Irrtum", sagt ein Beamter, der Seyam mehrmals verhört hat.

Seyam ist zwar eine der am besten überwachten Personen der Bundesrepublik, auch wurden in den vergangenen Jahren mehrere Ermittlungsverfahren gegen ihn eröffnet - zuletzt weil er ein Fernsehteam angegriffen hat. Verurteilt wurde er jedoch bislang nur einmal: zu einer Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes. An dem Mittfünfziger, der seinem Sohn den Namen "Djehad" - heiliger Krieg - gab und in Interviews davon spricht, dass es gemäß dem Koran eine Pflicht sei, Ungläubige, umzubringen, beißen sich die Ermittler bislang die Zähne aus.

In Sicherheitskreisen heißt es, die Tatsache, dass er einer der Hintermänner des Bali-Anschlags sein soll, habe ihm in der Szene einen besonderen Ruf eingetragen. Soll heißen: In gewaltgeneigten Islamistenkreisen begegne man ihm mit Ehrfurcht. Schon vor Bali war der Name Seyam vielen ein Begriff: Während der Balkankriege hatte er islamistische Propagandavideos produziert. Eines zeigte, wie Extremisten mit den Schädeln geköpfter Serben Fußball spielen.

"Reda ist gefährlich"

Auf dem Balkan soll Seyam auch den späteren Cheflogistiker des Bali-Anschlags kennengelernt haben. Der empfahl den Deutsch-Ägypter später der südostasiatischen Al-Qaida-Spitze mit den Worten: "Ihr müsst unbedingt die Videos von Bruder Reda sehen, sie werden in den Moscheen ihre Wirkung nicht verfehlen." Auf dem Balkan, so zumindest erzählt es seine damalige Ehefrau, habe der Propagandist auch Kontakt mit Ramzi Binalshibh gehabt, einem der Planer der Anschläge vom 11. September 2011.

"Reda ist gefährlich", sagt Seyams damalige Frau, "er will für den Dschihad sterben und möglichst viele Ungläubige töten." Seit 2001 ist die 57-Jährige von Seyam geschieden, unter dem Pseudonym Doris Glück hat sie ein Buch über die Ehe mit dem Islamisten geschrieben - und sie hat gegen ihn ausgesagt. Vor Beamten des Bundeskriminalamts, diverser Landeskriminalämter, dem Bundesnachrichtendienst. Auch das hat nicht zu einer Verurteilung geführt. "Mein Ex-Mann ist schlau, der weiß ganz genau, wie er sich verhalten muss."

Ein Beamter, der ihn in Indonesien verhört hat, hält Seyam gar für "verhörgeschult". Er habe sich über die vielen Toten von Bali sichtlich gefreut, zugegeben habe er aber nur das, was die Polizisten ohnehin schon wussten, zum Beispiel dass er Propagandavideos produziert habe. Heute könnte das für eine Verurteilung wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland reichen. Der entsprechende Paragraf des deutschen Strafgesetzbuches war zum Zeitpunkt des Verhörs jedoch erst wenige Tage in Kraft - und er gilt nicht rückwirkend.

Die deutschen Beamten hatten angeblich Dateien, die belegten, dass Seyam die Anschläge zumindest mitfinanziert hatte, auch hatten zwei Tatverdächtige gegen ihn ausgesagt. Die Dokumente aber stammten von Geheimdiensten, und es war nicht unwahrscheinlich, dass die Aussagen unter Folter entstanden waren.

Deutschlands Behörden haben Seyam seit seiner Rückkehr im Blick, halten sich aber derzeit seltsam bedeckt, wenn sein Name fällt. Seyam ist auch seit einigen Wochen nicht mehr in Deutschland aufgetreten, er wird in Ägypten vermutet.

Dorthin sind in jüngster Zeit mehrere Islamisten gereist - etwa der Konvertit Pierre Vogel und der ehemalige Muslim-Rapper Denis Cuspert. Dort, so vermuten Ermittler, könnte auch das Pamphlet mit dem Titel "Abrechnung mit Deutschland" entstanden sein, das im Internet kursiert. Darin wird wenig verhohlen zum Mord an "Ungläubigen" aufgerufen, ihnen sollten die Köpfe abgetrennt werden - die Tat solle gefilmt und das Video veröffentlicht werden. Unterzeichnet ist das achtseitige Schriftstück von einem Abu Assad al-Almani - von Abu Assad "dem Deutschem" also.

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