Islamischer Staat:Der IS trägt den Krieg zu seinen Feinden

IMAGES OF THE YEAR 2014 - NEWS - Syrian Kurds Battle IS To Retain Control Of Kobani

Eine Explosion, ausgelöst durch einen Selbstmordattentäter, erschüttert die syrische Stadt Kobane (Archivbild von 2014).

(Foto: Getty Images)
  • Die Angriffe in Paris sind das fünfte Attentat in kurzer Zeit, das dem Islamischen Staat zugeschrieben wird.
  • Offensichtlich folgen die Anschläge dem immer gleichen Muster: Angegriffen werden jene Länder, die gegen den IS kämpfen.
  • Auch Deutschland erhielt jüngst eine Drohung, doch Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck demonstrieren Entschlossenheit im Kampf gegen den Terror.

Von Paul-Anton Krüger

Suruç, Ankara, Flug Kogalymavia 9268, Beirut, Paris - fünf Anschläge, die dem Islamischen Staat zugerechnet werden. Und fünf Anschläge, die eines verbindet: Die Terrormiliz will den Krieg in jene Länder tragen, die in Syrien und Irak gegen sie kämpfen oder den Kampf dort politisch unterstützen.

Die Anschläge in der Türkei folgten, nachdem die Regierung in Ankara und Präsident Recep Tayyip Erdoğan ihre ambivalente Haltung aufgaben und anfingen, aktiv gegen die Dschihadisten vorzugehen. Der IS hat sich damals zwar nicht zu den Selbstmordattentaten bekannt, zumindest aber haben die türkischen Sicherheitsbehörden die Täter identifiziert - sie waren offenbar beim IS in Syrien ausgebildet worden. In Ankara starben 98 Menschen; es war der schwerste Terrorakt in der jüngeren Geschichte der Türkei.

Auch ein Anschlag im Juni in der kurdischen Metropole Diyarbakir wird der gleichen IS-Zelle zugerechnet, die offenbar überwiegend aus Türken besteht und spezifisch Kurden angreift. Sowohl in Irak als auch in Syrien kämpfen diese am entschiedensten und erfolgreichsten gegen den IS. Die Grenzstadt Kobane wurde zum Symbol dafür. In monatelangen Gefechten konnten sich die Kurden erst gegen den von der Bewaffnung her überlegenen IS halten und diesen mit Hilfe massiver Luftangriffe der Amerikaner zurückschlagen.

Auch der Flugzeugabsturz über dem Sinai wird dem IS zugeschrieben

Deutlicher noch der Absturz der russischen Passagiermaschine: Westliche Geheimdienste sind sich inzwischen nahezu sicher, dass eine Bombe den Flieger mit 224 Menschen an Bord zum Absturz gebracht hat - und dass sie im Flughafen des Badorts Scharm el-Scheich gezielt in eine russische Maschine platziert wurde. Russland hatte Wochen zuvor in den Bürgerkrieg in Syrien eingegriffen - offiziell, um gegen den Islamischen Staat zu kämpfen.

Die Dschihadisten erklärten sich gleich zwei Mal für den Absturz verantwortlich und bezeichneten ihn als Vergeltung für die russische Militäroperation in Syrien, auch wenn diese sich bislang überwiegend gegen Rebellengruppen richtete, die gegen das Regime von Baschar al-Assad kämpfen und der IS an manchen Orten sogar von dem russischen Bombardement profitierte. Mit Hilfe der russischen Luftangriffe konnte die Regierungsarmee zuletzt aber auch einen lange vom IS eingekreisten Luftwaffenstützpunkt bei Aleppo freikämpfen. In einer auf Russisch aufgenommenen Videobotschaft vom Donnerstag droht der IS Moskau "sehr bald" mit Anschlägen im eigenen Land, es würden "Ozeane von Blut" vergossen werden.

Immer wieder die gleichen Muster

Zudem versetzten sie Ägypten einen schweren Schlag, das sowohl die russische Politik in Syrien unterstützt als auch selbst Krieg gegen den IS-Ableger auf der Sinai-Halbinsel führt. Mehr als 650 Terrorverdächtige hat die Armee nach eigenen Angaben in den vergangenen Wochen bei einer großen Offensive im Nordsinai getötet. Der Schaden für den Tourismus hat das Potenzial, das Land zu weiter zu destabilisieren, das auch durch mehrere schwere Autobombenanschläge in Kairo getroffen wurde.

In Beirut sprengten sich am Donnerstagabend zwei Selbstmordattentäter in einem von der schiitischen Hisbollah-Miliz kontrollierten Viertel in einer belebten Einkaufsstraße in die Luft; mindesten 43 Menschen fielen ihnen zum Opfer. Auch hier das gleiche Muster: Die Hisbollah kämpft in Syrien, verstärkt durch Militärberater der iranischen Revolutionsgarden, an der Seite des Regimes. Schiiten gelten den sunnitischen Extremisten des IS zudem ohnehin als Ungläubige und somit als legitimes Ziel.

"Die Terroristen werden nicht das letzte Wort haben"

In Paris nun heißt es in der Bekennererklärung der Dschihadisten, sie hätten "die Hauptstadt der Prostitution und Laster attackiert. "Frankreich und jene, die seinem Pfad folgen, müssen wissen, dass sie ganz oben auf der Liste der Ziele des Islamischen Staates stehen und dass der Geruch des Todes ihre Nasen nicht verlassen wird, solange sie ihren Kreuzzug fortführen, es wagen, unseren Propheten zu beleidigen, stolz darauf sind, gegen den Islam Krieg zu führen und die Muslime im Land des Kalifats mit ihren Flugzeugen anzugreifen", heißt es in dem Text, der in Arabisch und Französisch vorliegt.

Im Zusammenhang mit dem Angriff auf das Stade de France, wo die Fußball-Nationalmannschaften Frankreichs und Deutschlands ein Freundschaftsspiel austrugen, bezeichnen sie auch Deutschland als "Kreuzfahrer-Nation". Die Erklärung enthält auch eine Drohung mit weiteren Attacken. "Dieser Überfall ist nur der erste Tropfen Regen und eine Warnung", heißt es darin.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte denn auch, dieser Angriff auf die Freiheit "meint uns alle". Daher müssten nun auch alle gemeinsam den Kampf gegen den Terror führen. Bundespräsident Joachim Gauck appellierte: "Aus unserem Zorn über die Mörder müssen Entschlossenheit und Verteidigungsbereitschaft werden. Auch dabei stehen wir an der Seite der Franzosen." Er betonte: "Aber die Terroristen werden nicht das letzte Wort haben, diese Nacht wird nicht das letzte Wort haben."

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