Islamischer Staat:Private Militärfirmen machen Kämpfe tödlicher

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Mitglieder einer privaten Sicherheitsfirma in Bagdad in Irak

(Foto: AFP)

Private Sicherheitsfirmen dienen sich für den Krieg gegen den IS an. Doch sie sind dafür nicht geeignet.

Gastbeitrag von Ulrich Petersohn

Im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) stehen Regierungen westlicher Staaten vor einem Dilemma. Luftschläge sind zwar geeignet, die Organisation an weiteren Offensiven zu hindern und ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken, zu besiegen ist der IS damit jedoch nicht. Dazu wären Bodentruppen erforderlich, was aber aufgrund der Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung keine echte Option darstellt. Auch der Versuch, lokale Bodentruppen auszubilden, zeigte bisher nur geringen Erfolg.

Die private Sicherheitsindustrie hat sich daher als Problemlöser ins Spiel gebracht. Erik Prince, ehemals CEO von Blackwater, einer der größten amerikanischen Firmen auf diesem Gebiet, regte an, private Sicherheitsfirmen als Bodentruppen in den Kampf gegen den IS zu schicken.

Dies ist gar nicht so weit hergeholt. Private Militäranbieter sind heute schon in Kampfoperationen eingebunden. Eine russische Militärfirma bedient Kampfpanzer und Artillerie bei russisch-syrischen Militäroperationen. In Nigeria unterstützen wahrscheinlich südafrikanische Spezialisten die Regierung im Kampf gegen Boko Haram, und Medienberichten zufolge kämpfen in Jemen ehemalige Blackwater-Angestellte an der Seite Saudi-Arabiens.

Gegen den Einsatz privater Firmen bei Kampfhandlungen gibt es im Westen hohe legale und moralische Bedenken. Diese zu überwinden wäre nur dann zu verantworten, wenn Militärfirmen eine effektive Antwort auf das IS-Problem darstellten. Hierzu liefert die Forschung einige Erkenntnisse.

Ulrich Petersohn

Ulrich Petersohn, 42, ist Associate Professor für Internationale Politik an der Universität Liverpool. Er forscht über private Sicherheitsfirmen.

Bürgerkriege enden meist mit dem Sieg einer Seite

Vereinfacht ausgedrückt: Bürgerkriege enden entweder mit Verhandlungen oder mit dem Sieg einer Seite. Verhandlungslösungen sind dabei seltener als eindeutige Siege. Oft ist allerdings keine der Konfliktparteien aus eigener Kraft dazu in der Lage. Externe Interventionen zugunsten einer Partei können dann das Kräfteverhältnis verschieben und so eine militärische Entscheidung herbeiführen.

Im Grundsatz gilt dies auch für den Einsatz privater Firmen mit Kampfauftrag. Afrikanische Bürgerkriege während der 1990er-Jahre, in die private Militärfirmen intervenierten, wurden mit höherer Wahrscheinlichkeit beendet. Der Preis allerdings ist hoch: Die Intervention erhöht die Intensität der Kämpfe und die Höhe der Verluste. Dies ist nicht überraschend, da diese Firmen hohe militärische Kompetenz einbringen und Kämpfe somit tödlicher werden.

Ähnliches wäre bei einer Intervention hoch qualifizierter staatlicher Streitkräfte zu erwarten. Diese Aussage beruht auf statistischen Durchschnittswerten; diese enthalten nicht nur Erfolge, sondern auch Fehlschläge, bei denen ein Konflikt anhielt oder gar verlängert wurde. Es empfiehlt sich daher, genauer zu untersuchen, unter welchen Bedingungen Firmen mit Kampfauftrag erfolgreich waren.

Söldner können nicht auf die Sympathie der Menschen im Irak bauen

Ein prominentes Beispiel ist der Einsatz der ehemaligen südafrikanischen Firma Executive Outcomes Mitte der 1990er-Jahre in den Bürgerkrieg in Sierra Leone. Die damalige Regierung rief die Firma zu Hilfe, um eine weit überlegene Rebellenarmee zurückzuschlagen, die mit enormer Grausamkeit gegen die Zivilbevölkerung vorging. Executive Outcomes verlegte innerhalb kürzester Zeit eine kleine, aber schlagkräftige Einheit. Schnell hatte die Firma die Unterstützung der Bevölkerung, innerhalb von sechs Monaten wurden die Rebellen an den Verhandlungstisch gezwungen.

Zwar hielt der Kompromiss nicht lange (Militär ist ungeeignet, politische Lösungen zu erzielen), aber der Einsatz in Sierra Leone gilt bis heute als ein eindrückliches Beispiel dafür, wie effektiv private Militärfirmen sein können. Allerdings ist es fraglich, ob die Bedingungen, die zum Erfolg in Sierra Leone beitrugen, auch in Syrien und im Irak vorliegen.

Während in Sierra Leone klar war, auf welcher Seite die Firma intervenieren würde und wen es zu bekämpfen galt, ist dies in Syrien und im Irak unklarer. Die involvierten Regional- oder Großmächte müssten erst einmal einen Konsens finden, welche der vielen Gruppen es zu unterstützt gilt.

Dazu kommt, dass sich die Gruppenzugehörigkeit oft wandelt und sich die militärischen Fähigkeiten der jeweiligen Gegner unterscheiden. In Sierra Leone waren die Rebellen ein eher schlecht organisierter Haufen aus oftmals unter Drogen stehenden Kämpfern. Dies beförderte den schnellen Zusammenbruch der Truppe, sobald sie unter Druck einer hoch qualifizierten Militäreinheit geriet.

Der IS hingegen ist schlagfertiger und kann auf erfahrene und ausgebildete Soldaten zurückgreifen, die über signifikante militärische Ausrüstung verfügen. Ohne Zweifel könnten es Spezialisten einer privaten Militärfirma mit dem IS aufnehmen. Jedoch ist nicht anzunehmen, dass ein schneller Sieg wie in Sierra Leone wiederholt werden könnte.

Private Sicherheitsfirmen werden im Irak als brutal und respektlos angesehen

Letztlich stellt sich die Frage der Beziehung zur lokalen Bevölkerung. In Sierra Leone hatten die meist ausländischen Rebellen wegen ihrer Brutalität keinerlei Unterstützung. Daher hatte Executive Outcomes leichtes Spiel, durch die Bereitstellung von Sicherheit und medizinischer Versorgung die Bevölkerung zu gewinnen. Obwohl ein Großteil der Menschen im Herrschaftsgebiet des IS sicherlich ebenso wenig übrig hat für dessen Brutalität, so genießt die Organisation doch eine gewisse Unterstützung durch die Bereitstellung von Sicherheit, Ordnung und materiellen Vorteilen.

Anders als in Sierra Leone könnten Private somit nicht automatisch auf die Unterstützung der Bevölkerung hoffen. Auch ist die Haltung der Bevölkerung (insbesondere im Irak) gegenüber diesen Firmen extrem vorbelastet. Sie werden als brutal, aggressiv und respektlos angesehen, obwohl dies im Gegensatz zur verfügbaren Datenlage steht. Erfahrungen aus dem Irak zeigen, dass Verluste in Feuergefechten in denen westliche Sicherheitsfirmen verwickelt sind, sich nicht von solchen des regulären Militärs unterscheiden, oftmals sind sie sogar geringer.

Allerdings geht es beim Versuch, die Bevölkerung zu gewinnen, weniger um das tatsächliche Verhalten der Firmen, sondern darum, wie sie wahrgenommen werden. Ohne die Möglichkeit, den IS von seiner Unterstützungsstruktur zu isolieren, erscheint ein Sieg durch private Militärfirmen unwahrscheinlich.

Private mit Kampfauftrag haben das Potenzial, Kämpfe zu beenden. Allerdings bedarf es spezifischer Bedingungen: relativ klare Freund-Feind-Verhältnisse, ein schwacher Gegner, und eine positive Wahrnehmung des Intervenierenden durch die lokale Bevölkerung. In komplexen Gemengelagen wie Syrien und Irak, in denen eine Vielzahl nichtsstaatlicher und staatlicher Akteure aktiv ist, der Gegner über hohe militärische Kompetenz verfügt, und die Bevölkerung bereits eine negative Haltung gegenüber privaten Militärfirmen hat, bieten diese keinen Ausweg.

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