Islamischer Staat:Tokio erschüttert über Enthauptung von japanischem Journalisten

Lesezeit: 3 min

  • Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat im Internet ein Video veröffentlicht, das die Ermordung einer zweiten japanischen Geisel zeigen soll. Japans Regierung hält den Film für authentisch.
  • Japans Regierungschef Shinzo Abe verurteilte die Hinrichtung des Kriegsberichterstatters.
  • Auch US-Präsident Obama und der britische Premierminister Cameron zeigten sich erschüttert über die Tat.
  • Die Regierung in Tokio hat verstärkte Sicherheitsmaßnahmen für japanische Einrichtungen im Ausland angeordnet.

Die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat ihre zweite japanische Geisel ermordet. Am Samstag wurde ein Islamisten-Video veröffentlicht, das den verschleppten Kriegsberichterstatter Kenji Goto in orangefarbener Kleidung auf den Knien zeigen soll. Neben ihm steht ein vermummter Mann mit einem Messer. In einem späteren Abschnitt ist eine enthauptete Leiche zu sehen. Die japanische Regierung hält die Aufnahmen für authentisch, wie Regierungssprecher Yoshihide Suga in Tokio bestätigte.

Japans Regierungschef Shinzo Abe verurteilte die Hinrichtung des 47-Jährigen. Abe sprach von einer "abscheulichen und verachtenswerten Tat". Er sei sprachlos und sagte: "Wir werden den Terroristen niemals vergeben. Japan wird sich niemals dem Terrorismus beugen und ist entschlossen, seiner Verantwortung beim Kampf der internationalen Gemeinschaft gegen den Terrorismus gerecht zu werden."

Japan habe einen Krisenstab und zuständige Ministerien damit beauftragt, weitere Informationen zur Ermordung des Journalisten zu sammeln und Maßnahmen der Regierung vorzubereiten. Außerdem habe die Regierung verstärkte Sicherheitsmaßnahmen für japanische Einrichtungen im Ausland angeordnet. Auch präventive Schritte würden unternommen, um terroristische Angriffe auf Japan zu verhindern.

Obama und Cameron bestürzt

US-Präsident Barack Obama verurteilte die "abscheuliche Ermordung" der japanischen Geisel. Washington stehe an der Seite Japans. Obama lobte die von Tokio angekündigten Finanzhilfen für die vom IS bedrohten Länder. Die USA seien weiterhin entschlossen, zusammen mit ihren Verbündeten die IS-Miliz "zu schwächen und schließlich zu zerstören". Tokio beteiligt sich nicht direkt an der internationalen Koalition gegen den IS. Die Regierung hat aber 200 Millionen Dollar für die Länder bereit gestellt, die von dem Krieg gegen die Dschihadisten betroffen sind.

Auch der britische Premierminister David Cameron äußerte sich erschüttert über die "verachtenswerte und entsetzliche" Tat. Die mutmaßliche Hinrichtung sei ein weiterer Beleg dafür, dass die IS-Miliz "die Verkörperung des Bösen ist". Frankreichs Staatschef François Hollande verurteilte die Tat ebenfalls. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach von einer "barbarischen Ermordung" und forderte die Extremisten auf, alle weiteren Geiseln freizulassen, ohne dafür Bedingungen zu stellen.

Spezialisiert auf Kriegsberichterstattung aus Krisengebieten

Goto hatte seit 1991 als Journalist gearbeitet, zunächst für eine Medienproduktionsfirma, ab 1996 selbstständig - wobei er auch mit UN-Organisationen kooperierte. Spezialisiert hatte sich Goto auf die Berichterstattung aus Krisengebieten in Afrika und dem Nahen Osten. Der erfahrene Reporter schrieb Bücher und produzierte DVDs über das Geschäft mit Blutdiamanten in Sierra Leone, die Überlebenden des Völkermords in Ruanda und die schulische Ausbildung von Mädchen in Afghanistan - wobei er meist das Leben der betroffenen Menschen und ihre humanitäre Situation in den Vordergrund stellte. Mit seinen Geschichten, so schreibt der Nachrichtensender CNN, hoffte Goto, auf Missstände in der Welt aufmerksam machen zu können. Dabei habe er sich für eine gute Berichterstattung oft freiwillig in Gefahr gebracht.

Im vergangenen Oktober war Goto trotz der Warnung eines Freundes nach Syrien gereist, um über die Gräueltaten der Terrormiliz IS zu berichten. "Die Menschen in Syrien haben genug gelitten, es ist genug", habe er gesagt: "Ich habe keine Angst. Ich bin kein Amerikaner, kein Brite. Ich bin Japaner, ich kann gehen." Medienberichten zufolge war Goto später bei dem Versuch verschleppt worden, die Freilassung einer weiteren japanischen Geisel, Haruna Yakawa, zu erwirken.

Täter richtet Drohung an japanische Regierung

Verbreitet wurde das Video, das die Ermordung Gotos zeigt, über den Kanal des IS-Medienorgans Al-Furkan beim Kurznachrichtendienst Twitter. Nach Angaben des auf die Überwachung islamistischer Webseiten spezialisierten Unternehmens "Site" spricht der maskierte Mann auf dem Video mit einem starken südenglischen Akzent, der auch schon auf anderen IS-Bekennervideos zu hören sei. Der Mann wendet sich in dem Video direkt an Japans Regierungschef Shinzo Abe: Wegen dessen gewissenloser Entscheidung, "an einem aussichtslosen Krieg teilzunehmen, wird dieses Messer nicht nur Kenji töten, sondern weiter machen und Massaker anrichten, wo immer Deine Leute sind". Weiter drohte der Terrorist: "Lasst den Albtraum für Japan beginnen."

Japanische Regierung hatte um Freilassung der Geiseln verhandelt

Vor einigen Tagen hatte der IS bereits ein Video veröffentlicht, in dem die enthauptete Leiche Yukawas zu sehen sein soll. Die japanische Regierung hatte mit den Entführern über die Freilassung Gotos und Yukawas verhandelt. Bereits am Donnerstagabend war ein Ultimatum der Dschihadistengruppe abgelaufen: Der IS hatte mit der Tötung Gotos und des ebenfalls gefangenen jordanischen Piloten Maas al-Kassasbeh gedroht, sollte Jordanien bis dahin nicht eine gefangene Dschihadistin freilassen.

Jordanien verlangte Lebenszeichen des entführten Piloten

Die Regierung in Amman hatte sich zwar bereit erklärt, im Austausch gegen al-Kassasbeh die inhaftierte Extremistin Sadschida al-Rischawi freizulassen. Sie verlangte aber ein Lebenszeichen des Entführten. Die Extremisten hatten mit der Tötung des Piloten gedroht, sollte nicht bis Donnerstagabend al-Rischawi im Tausch gegen die japanische Geisel freikommen. Jordanien ließ das Ultimatum verstreichen, da die Entführer bis dahin keinen Beweis dafür vorlegten, dass al-Kassasbeh noch am Leben sei. Al-Kassasbeh wurde in dem am Samstagabend verbreiteten Video nicht erwähnt.

© Süddeutsche.de/afp/Reuters/mahu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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