Islamischer Staat im Nordirak:Islamisten rüsten wohl für Angriff auf Bagdad

Islamischer Staat im Nordirak: Übersicht über von Kurden oder IS kontrollierten Gebiete. Zum Vergrößern auf das Bild klicken.

Übersicht über von Kurden oder IS kontrollierten Gebiete. Zum Vergrößern auf das Bild klicken.

(Foto: SZ-Grafik)

Sie sehen aus wie eine mittelalterliche Horde, doch sie machen Geländegewinne in atemberaubender Geschwindigkeit: Die Islamisten der Terrorgruppe IS rücken im Norden vor. Auch im Süden sollen sie bereits sunnitische Orte infiltrieren - mit Hilfe eines Tunnelsystems aus der Zeit Saddam Husseins.

Von Sonja Zekri

Mit ihren Säbeln und wallenden Haaren, den Fahnen und Tüchern sehen die sunnitischen Extremisten des Islamischen Staats aus wie eine mittelalterliche Horde. Und doch machen sie Geländegewinne in einer Geschwindigkeit, wie kaum eine andere Armee sie vorweisen kann.

Allein in der vergangenen Woche haben sie mindestens ein halbes Dutzend weitere Orte im Nordirak unter ihre Kontrolle gebracht, darunter das christliche Karakosch. Sie haben Hunderttausende Christen, Jesiden, Turkmenen und andere Angehörige von Minderheiten in die Flucht getrieben und stehen nun 40 Kilometer vor Erbil, der Hauptstadt der autonomen Kurdenregion. Erbil ist in den vergangenen Jahren zu einer der wohlhabendsten Städte des Iraks geworden. Dies alles ist nun bedroht.

Alles spricht für einen Schiiten als Premierminister

Binnenflüchtlinge lagern auf Baustellen, die Lage ist sehr gespannt. In einem großen Flüchtlingslager nahe der Stadt Dohuk leben zudem sehr viele syrische Flüchtlinge. Inzwischen sollen die Dschihadisten auch den Mossul-Damm in ihre Gewalt gebracht haben. Damit könnten sie den größten Städten des Landes den Strom abstellen oder, schlimmer noch, durch die Zerstörung der Staumauer eine Flutwelle mit verheerenden Folgen auslösen. Auch das erste Ölfeld wurde geschlossen: Die Firma Afren hat die Anlage in Barda Rasch im Kurdengebiet heruntergefahren. Und am Freitag bombardierten US-Kampfflugzeuge und Drohnen IS-Stellungen.

Unklar ist, welche politischen Schritte die Kurden als nächstes ergreifen wollen. Als Masud Barzani, Präsident des kurdischen Autonomiegebiets, vor einem guten Monat ein Referendum über die Ausrufung eines eigenen Staats ankündigte, traf das noch auf den Widerstand Washingtons. Medienberichten zufolge rechnen die Amerikaner nun damit, dass am Sonntag zumindest die politische Lähmung in Bagdad ein Ende hat. Dann sollen sich Kurden, Schiiten und Sunniten auf einen neuen Premierminister einigen. Nuri al-Maliki dürfte es nicht mehr sein, aber traditionsgemäß spricht wieder alles für einen Schiiten.

Die Terror-Truppe nutzt Saddam Husseins Geheimtunnel

Unklar ist, welche Strategie die sunnitischen Extremisten verfolgen und warum sie ausgerechnet jetzt auf das Kurdengebiet vorrücken. In den Wochen zuvor hatten sie sich auf Bagdad zubewegt, mittlerweile stehen sie 100 Kilometer vor der Hauptstadt. Dort würden sie auf die Eliteeinheiten der irakischen Armee und kampfstarke Schiitenmilizen treffen.

Berichten zufolge infiltrieren die Dschihadisten aber bereits sunnitische Orte im Süden der Hauptstadt, um einen Angriff vorzubereiten. Sie benutzen dafür ein geheimes Tunnelsystem aus der Zeit des Diktators Saddam Hussein, in dem dieser seine Waffen vor den UN-Inspektoren versteckte. Die Region bietet den Kämpfern eine ideale Deckung. Es gibt viele Kanäle, Obst- und Palmenhaine und Sümpfe.

Die irakische Regierung lässt in den Gebieten bereits Fassbomben abwerfen und betreibt so eine Politik der verbrannten Erde. Die Folgen könnten desaströs sein, verstärken die Bombardements doch nur den Hass der Sunniten auf die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad.

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