Süddeutsche Zeitung

Islamischer Staat:Der höchstwahrscheinliche Tod des Denis Cuspert

Meldungen über das Ende eines der berühmtesten deutschen Dschihadisten gab es schon oft. Doch diesmal scheint die Nachricht zu stimmen. Auch wenn einige IS-Angehörige die Echtheit seiner letzten Bilder anzweifeln.

Von Ronen Steinke

Das versinkende, 2014 entstandene "Reich" der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und dem Irak wird für die verbliebenen Kämpfer, die aus Deutschland dazustießen, zur tödlichen Falle. 150 von ihnen sollen dort insgesamt schon ums Leben gekommen sein, schätzt der Verfassungsschutz. Vor wenigen Tagen zeigten Bilder im Internet einen Mann mit aufgerissenen Augen und blutigem Gesicht, er liegt im blauen Trainingsanzug auf einer Decke am Boden, offensichtlich tot. Er soll einer der prominentesten IS-Terroristen aus Deutschland sein: Denis Cuspert.

Der ehemalige Berliner Gangsta-Rapper soll am Mittwoch zusammen mit 14 weiteren IS-Anhängern bei einem US-Luftangriff in der syrischen Stadt Raranidsch getötet worden sein. Nach einer ersten Prüfung halten die deutschen Sicherheitsbehörden es für höchstwahrscheinlich, dass die Todesnachricht diesmal tatsächlich stimmt. Dabei waren sie es, die bislang immer größte Skepsis zeigten. Meldungen über Cusperts Tod gab es mehrmals, doch dementierte das Bundeskriminalamt sie regelmäßig. Als einmal selbst die amerikanischen Sicherheitsbehörden dessen Tod bekanntgaben, meldeten sich deutsche Ermittler sogar bei den US-Kollegen: Das könne nicht sein. Man habe gerade wieder ein Lebenszeichen Cusperts aufgeschnappt.

Cuspert soll angeblich stellvertretender "Emir" bei einer neu gegründeten Brigade des IS gewesen sein

Jetzt soll das anders sein - und dass die deutschen Beamten nun zum ersten Mal eine solche Aussage wagen, hat mehrere Gründe. Zum einen habe sich kurz nach den ersten Todesmeldungen die Frau von Mohamed Mahmoud zu Wort gemeldet, einem österreichischen IS-Kader, der in deutschsprachigen Videos schon mal der Kanzlerin droht, Kampfname Abu Usama al-Gharib. Das Gedicht, das sie in arabischer Sprache verfasste, ist eine Art Nachruf. Es betrauert den angeblich zum "Märtyrer" gewordenen Kampfgenossen Cuspert alias Abu Talha al-Almani.

Zwar enthält es Angaben, die den deutschen Sicherheitsbehörden bislang neu waren, wie ein hochrangiger Terrorermittler sagt. Anders ausgedrückt: die man bislang nicht bestätigen könne. So soll Cuspert angeblich stellvertretender "Emir" bei einer neu gegründeten Brigade des IS gewesen sein, der sogenannten Armee Mohammeds. Zudem sei er einer der Köpfe der IS-Medienstelle al-Hayat gewesen. Man ahnte schon, dass Cuspert einer der wenigen Deutschen war, die in der Führung des IS wirklich eine substanzielle Rolle gespielt haben. Für glaubwürdig hält man aber offenbar die Autorin des Gedichts, die Frau von Mahmoud. Dafür sprächen ihre Veröffentlichungen in der Vergangenheit. Wenn sie einen "Märtyrer" besinge, dann tue sie das nicht voreilig. Der Wiener Mohamed Mahmoud und der Berliner Denis Cuspert waren zudem schon in ihrer Zeit in Deutschland enge Weggefährten.

Es war die IS-nahe Medienstelle al-Wafa, die die drastischen Bilder jener Leiche zeigte, die Cuspert jedenfalls sehr ähnlich sieht. Es mag zwar überraschen, dass die Terrorpropagandisten eine Niederlage derart ausstellen. Das Video entspricht auch nicht der Hochglanz-Ästhetik, für die der IS lange bekannt war. Besonders "Märtyrer" wurden meist eher weichgezeichnet, lächelnd gezeigt und lyrisch verklärt. Cuspert, wenn er es ist, liegt nun aber schlicht tot im Staub. Warum? Darüber war am Freitag auch eine Diskussion unter IS-Angehörigen in sozialen Medien entbrannt, wie die deutschen Sicherheitsbehörden beobachteten. Manche Dschihadisten fanden das offenbar unpassend. Danach wurden die Bilder am Freitag von manchen IS-Kanälen heruntergenommen.

Offenbar ist Cusperts Weg, der immer mehr zu einem des Hasses geworden war, nun zu Ende.

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