Islamischer Staat:Ägyptens Christen fliehen

Christian families from Al-Arish in the North Sinai Governorate arrive at the Evangelical Church in Ismailia

Diese geflohenen Christen vom Sinai finden Unterschlupf in Ismailiya.

(Foto: Staff/Reuters)

Hunderte verängstige Kopten verlassen den Sinai, nachdem der IS zwei Männer erschossen und einen weiteren lebendig verbrannt hat. Präsident Sisi droht erneut mit aller Härte des Staats im Kampf gegen die Dschihadisten.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Hunderte ägyptische Christen sind aus Angst vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) von der Halbinsel Sinai geflohen. Sie zogen am Wochenende aus dem Norden des Sinai in die Hafenstadt Ismailiya jenseits des Suez-Kanals und reagierten damit auf eine Serie von IS-Attacken auf Christen in el-Arisch. Die Hauptstadt der Provinz Nordsinai steht wegen des Krieges gegen den IS unter Ausnahmezustand.

Seit Ende Januar war die Zahl der Todesopfer unter den Kopten in Arisch auf sieben gestiegen, als Bewaffnete am Donnerstag ein Haus stürmten, den 50 Jahre alten Besitzer vor den Augen seiner Familie erschossen und das Haus in Brand steckten. Am Tag zuvor hatten die Dschihadisten laut Berichten ägyptischer Medien ein anderes Haus gestürmt und den 65 Jahre alten Besitzer ebenfalls vor der Familie mit einem Kopfschuss getötet. Sie entführten zudem seinen 45 Jahre alten Sohn, den sie dann angeblich lebendig verbrannten.

Den Morden vorausgegangen war ein Droh-Video, das der IS jüngst im Internet veröffentlicht hatte. In der zwanzigminütigen Botschaft tritt offenbar eben jener Selbstmord-Attentäter auf, der sich im Dezember in einer koptischen Kirche in Kairo in die Luft gesprengt und 30 Menschen in den Tod gerissen hatte. Die Mehrzahl der Opfer waren Frauen und Kinder.

Im Internet drohen die Dschihadisten von der Halbinsel nun mit Terror in ganz Ägypten

Im Video ist vom "Islamischen Staat in Ägypten" die Rede; früher hatte der IS sich nur auf die "Provinz Sinai" bezogen. Offenbar soll signalisiert werden, dass die Dschihadisten nun in ganz Ägypten Anschläge verüben. Ein Vermummter fordert dazu auf, alle inhaftierten Islamisten in Ägypten zu befreien. Der mutmaßliche Selbstmordattentäter von Kairo droht den Christen: Der Anschlag auf die Kirche sei nur der Anfang gewesen; der IS soll auch Todeslisten mit Namen von Christen verbreitet haben.

Präsident Abdel Fattah al-Sisi traf sich am Samstag mit dem Premier-, Innen- und Justizminister sowie dem Geheimdienstchef. Er ordnete an, den etwa 60 geflohenen koptischen Familien vom Sinai Unterstützung zukommen zu lassen und ihnen, sofern sie es wünschen, bei der Umsiedlung zu helfen. Die etwa 300 Menschen waren zunächst auf dem Gelände einer Kirche und einer Jugendherberge in Ismailiya untergekommen. Weitere Familien wurden erwartet. Sisi betonte die Entschlossenheit, gegen jeden vorzugehen, der Ägyptens Stabilität und Sicherheit untergrabe. Die Armee führt seit 2013 Krieg gegen den ägyptischen IS-Ableger. Dieser verübt vor allem auf dem Nordsinai Anschläge auf Militär- und Polizeiposten. Er wird jedoch auch für eine Reihe von blutigen Attacken im Großraum Kairo verantwortlich gemacht.

In Ägypten kommt es zwar landesweit immer wieder zu Übergriffen der muslimischen Bevölkerung gegen Kopten, die etwa ein Zehntel der Bevölkerung ausmachen. Die IS-Anschläge zeigen aber eine neue Qualität der Gewalt und erwecken Zweifel an den Erfolgsmeldungen der Regierung im Kampf gegen den IS. Mitte Februar hatte sie bekannt gegeben, seit Juli 2015 im Nordsinai 500 Extremisten getötet zu haben. Da die Region gesperrt ist, können offizielle Angaben schwer überprüft werden.

Kanzlerin Angela Merkel, die Ägypten diese Woche besuchen wird, hatte in einer Videobotschaft jüngst noch gesagt, wie Christen in Ägypten ihre Religion leben könnten, sei beispielhaft für ein muslimisches Land.

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