Süddeutsche Zeitung

Islamfeindliche Bewegung:Exportschlager Pegida

Österreich, Schweiz, Spanien, Skandinavien. In vielen Ländern Europas bilden sich Ableger der deutschen Anti-Islam-Bewegung. Neonazis und Rassisten machen sich das zunutze. Ein Überblick.

Von Cathrin Kahlweit, Charlotte Theile, Silke Bigalke und Thomas Urban

Was in Dresden anfing, breitet sich nicht nur in Deutschland aus - Ableger von Pegida, deren Anhänger echte oder angebliche Sorgen vor dem Islam auf die Straße treibt, gibt es auch im Ausland. Zahlenmäßig liegen sie weit hinter dem deutschen Original, die Nähe zur Bundesrepublik scheint aber ein Faktor zu sein: In den deutschsprachigen Nachbarländern gibt es mehr Zulauf - allerdings wirkt der teilweise importiert.

Österreich

Man sei "sprachlos" vor Dankbarkeit, heißt es bei Pegida Österreich unter der Schlagzeile: "Wir sind 10 000". So viele Interessenten nämlich hat der Ableger der Bewegung schon. Begeistert verweist man auf zustimmende Äußerungen von Prominenten wie der Sängerin Stefanie Werger. Sie befürchtet, die Pegida-Anhänger würden mit ihren berechtigten Sorgen in die rechte Ecke gestellt. Öffentliche Unterstützung ist aber die Ausnahme, Sympathie kommt von erwartbarer Seite: Die rechtspopulistische FPÖ nennt Pegida eine "seriöse Bürgerbewegung". Parteichef Heinz-Christian Strache unterstützt sie, will aber auf einer am 2. Februar geplanten Demonstration nicht mitgehen. Auffällig ist: Pegida in Österreich ist vor allem Pegida aus Deutschland. Sympathisanten sind der österreichischen Facebook-Seite zufolge überwiegend Deutsche. Der Standard zählte nach - demnach sind nur 47 Prozent derjenigen, die den "Gefällt-mir"-Knopf anklicken, Einheimische.

Außenminister Sebastian Kurz, als Integrationsminister für die Muslime in Österreich zuständig, warnt vor der Vermischung von Islam und Islamismus. Letzterer bedrohe die Grundwerte, der Islam aber gehöre zu Österreich. Politik könne viel tun - sicherheits- und außenpolitisch, bei der Terror-Prävention. Pediga-Märsche brächten das Land nicht voran.

Schweiz

In der Schweiz hat Pegida laut seiner Facebook-Seite 4300 Anhänger, Tendenz steigend. Für den 16. Februar ist ein "Abendspaziergang" geplant; wo, ist noch unklar. Doch beschäftigen sich Medien ausgiebig mit dem Ableger der deutschen Bewegung, auch die Zahl der Demonstranten in Dresden wird genau registriert.

Zufall ist das nicht: In ihrem Positionspapier bezieht Pegida sich dreimal auf die Schweiz. Das direktdemokratische Land ist eine Art Sehnsuchtsort der Bewegung - Bauverbot für Minarette, Beschränkung der Zuwanderung, härtere Asylgesetze. Vieles, was die Schweizer Stimmbürger beschlossen haben, könnte von den "Patriotischen Europäern" stammen. Man würde annehmen, Pegida sei überflüssig in einem Land mit einer so starken rechtsnationalistischen Kraft wie der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Doch auch rechts von ihr wird Politik gemacht, diese Kräfte wittern Chancen mit Pegida Schweiz.

Ignaz Bearth, Spitzenkandidat der stramm rechten, kleinen Direktdemokratischen Partei Schweiz, ist Kopf des Pegida-Ablegers. Der 29-jährige Ostschweizer ist politisch unbedeutend, aber durchaus bekannt wegen seiner Präsenz in sozialen Medien. Bearth, der früher zur rechtsextremen Partei National Orientierter Schweizer gehörte, hat 33 000 Facebook-Fans. Der Schönheitsfehler: Nur gut 30 Prozent der Anhänger sind aus dem deutschsprachigen Raum. Gut 40 Prozent sind Inder.

Während Bearth nun verspottet wird, schießt er auf Facebook zurück: Er habe auch indische Fans "sehr gerne", schreibt er. Und überhaupt: "Sind denn Inder weniger wert als die Menschen, welche hier leben?" Dass Bearth, der Ungarns rechtsradikale Jobbik-Bewegung unterstützte und in ganz Europa rechtsextreme Kontakte pflegt, nun so viel Aufmerksamkeit bekommt, ist wohl der wahre Schachzug von Pegida Schweiz. Bearth dankte für die kostenlose Werbung.

An der Kopenhagener Nationalgalerie soll kommenden Montag der erste dänische Pegida-Marsch starten. Die Regeln sind streng, erlaubt sind nur Schilder mit einem dieser Sprüche: "Nein zum fundamentalistischen Islam", "Je suis Charlie", "PEGIDAdk" und "Nein zu Gewalt und Rassismus". Auch Hunde sind nicht erlaubt beim "Abendspaziergang mit Fackeln".

"Manche könnten sich fürchten", sagt Veranstalter Nicolai Sennels, ein Schulpsychologe, der früher der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei angehörte und als Islamkritiker bekannt ist. Die strengen Regeln sollten garantieren, dass Leute, "die noch nie bei Demonstrationen waren", sich willkommen fühlten und nicht sorgten, in Verbindung mit Rassisten gebracht zu werden. Die Polizei habe versprochen, jeden von der Demonstration zu entfernen, der rassistische Parolen rufe.

Sennels selbst will mit Schüssen aus einer Wasserpistole gegen rassistische Störer vorgehen. Pegidadk demonstriere gegen Terrorismus und "eine Art von Religion, die gewalttätige Elemente zu haben scheint". Offene Islam-Kritik ist in Dänemark längst salonfähig, geschürt auch von der Dänischen Volkspartei, die in Umfragen zuletzt immer knapp 20 Prozent erreicht hat. Mit deutschen Pegida-Märschen habe Pegidadk nichts zu tun, so Sennels, man habe nur den Namen übernommen. Er erwartet am Montag 200 bis 300 Teilnehmer, dann soll wöchentlich demonstriert werden.

Norwegen hat den ersten Pegida-Marsch schon hinter sich, 190 Teilnehmer - und 500 Gegendemonstranten. Dennoch schrieb die antirassistische Internetseite Vepsen.no von einem "Besucherrekord für norwegische Rechtsextremisten nach dem Zweiten Weltkrieg".

Spanien

Die neue spanische Pegida-Gruppe hat Kundgebungen im Zentrum Madrids angekündigt. Beantragt wurde zwei Tage nach dem Pariser Anschlag die Erlaubnis, vor der Großen Moschee zu demonstrieren, doch die Behörden lehnten ab. "Der Islam hat keinen Platz in freien und demokratischen Gesellschaften", twitterten die Gründer der Gruppe. Doch verwahren sie sich dagegen, mit Faschisten oder Nationalsozialisten in eine Reihe gestellt zu werden. Ihre Facebook-Seite zeigt das Piktogramm einer Person in spanischen Nationalfarben. Sie wirft ein Hakenkreuz, eine rote Fahne mit Sowjetstern, die schwarz-rote Flagge der Anarchisten sowie eine schwarze Fahne mit arabischen Zeichen, wie sie islamistische Terroristen zeigen, in den Abfall.

Für Spanien hat das Thema seit den Al-Qaida-Anschlägen auf Madrider Vorortzüge 2004, bei denen 191 Menschen umkamen, besondere Brisanz. Auch spielt im historischen Bewusstsein der Kampf gegen die Mauren in der Reconquista eine eminent wichtige Rolle. Die starke Einwanderung aus islamisch geprägten Ländern nehmen deshalb nationalkonservative Kreise schon lange als Bedrohung wahr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2305945
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.01.2015/fie
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.