Islam:Moscheen in Deutschland: Wo der Halbmond leuchtet

Klare Sicht auf Frankfurt/Main

Eine Moschee vor einer Kirche in Usingen im Taunus (Hessen).

(Foto: dpa)

Mit jedem Jahr werden es mehr Moscheen hierzulande. Bei vielen klappte der Bau ohne Probleme - wenn das Vorhaben transparent war.

Von Monika Maier-Albang

Es war eine große Vision, und Benjamin Idriz hat dafür einiges in Kauf genommen: Beobachtung durch den Verfassungsschutz, Drohanrufe bei seiner Familie, Phasen, in denen der permanente Druck seine Gesundheit angegriffen hat. Nun ist das Münchner Moscheebau-Projekt gescheitert, obwohl viele Verantwortungsträger das Zentrum gern in der Stadt gesehen hätten. Weil es anders gewesen wäre als das, was normalerweise in Deutschland so geplant wird: kein Projekt eines einzelnen Verbandes, bei dem wieder nur Türken mit Türken beten. Sondern ein Zentrum, das einen intellektuellen Gedankenaustausch zwischen Muslimen unterschiedlicher Herkunft sowie zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen fördern wollte.

Idriz ist Imam, und sein Vorhaben war getragen von westlich orientierten Muslimen, die selbst oder deren Vorfahren meist aus der Türkei oder vom Balkan stammen. Es hatte die Unterstützung deutscher Nicht-Muslime. Trotzdem ist er gescheitert. Die Stadt sei noch nicht reif dafür, ist eine Begründung. Doch die muslimische Gemeinde ist es offenbar auch nicht - letztlich fand Idriz unter einheimischen Muslimen zu wenig Sponsoren. Und Geldgebern aus den Emiraten, mit denen seine Gemeinde eine Moschee im oberbayerischen Penzberg bauen konnte, wird mittlerweile aus gutem Grund mit Misstrauen begegnet.

Wann klappt ein Moscheebau, wann scheitert er? Am wichtigsten sei, sagt Thomas Lemmen, Referent für interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln und ein Kenner von Moscheebau-Projekten bundesweit, dass der Bauherr so transparent wie möglich kommuniziert. Umgesetzt worden seien Bauprojekte stets nur dort, "wo es gelungen ist, die Bevölkerung rechtzeitig mit ins Boot zu nehmen". In kleineren Orten sei der Widerstand gewöhnlich geringer als in Städten, sagt Lemmen. Man kennt sich.

Wie viele Bauvorhaben es derzeit in Deutschland gibt, kann Lemmen nicht sagen, aber: Es werden seit Jahren mehr. Gut 200 Moscheen mit Minarett und Kuppel dürften inzwischen in Deutschland stehen. Er wertet das als Zeichen einer gelungenen Integration. "Die Gemeinden sind hier angekommen. Sie wollen raus aus den Provisorien der Anfangszeit." In den 1980er-Jahren hatten die ersten muslimischen Gemeinden begonnen, in Deutschland Moscheen zu bauen, die nicht mehr den Lagerhallen-Charakter der Gastarbeitergeneration haben, sondern wie Moscheen aussehen - mit Kuppel und Minarett. Damals, sagt Lemmen, sei die Debatte über die Bauvorhaben selten so emotional wie heute geführt worden. Fragen des Baurechts standen im Vordergrund: Darf eine Moschee ins Wohngebiet? Oder ist sie doch im Gewerbegebiet am besten aufgehoben? Wie hoch wird das Minarett? Die muslimischen Verbände verhalten sich dabei nicht immer angemessen. Manchmal wird getrickst, Minarette werden höher als erlaubt gebaut - oder es werden ohne Baugenehmigung kleine Türmchen errichtet und als "Abluftschächte" deklariert.

In Aachen gab es breiten Protest gegen den Protest

Gekippt ist die Stimmung Lemmen zufolge nach den Anschlägen vom 11. September 2001. "Die Atmosphäre hat sich so verändert, dass jedes Bauvorhaben sofort eine politische Debatte zur Folge hat. Weil es Menschen gibt, die den Bau an sich als Bedrohung wahrnehmen und Überfremdung befürchten." Die muslimischen Verbände sind in der Regel zwar bemüht, solche Ängste auszuräumen. Doch mit einem alljährlichen "Tag der offenen Tür" ist es nicht getan. Es sei, sagt Lemmen, wichtig, dass es "zu einem Interessensausgleich, zu gegenseitigen Zugeständnissen und praktikablen Lösungen" komme. Etwa, dass der Gebetsruf so reguliert wird, "dass er von der Nachbarschaft nicht als permanente Ruhestörung wahrgenommen wird".

Ein weiteres Problem gibt es mit dem größten muslimischen Verband in Deutschland, Ditib. Die Verbindungen des Vereins mit dem türkischen Staat, der Imame nach Deutschland schickt, wird zunehmend kritisch gesehen. Zuletzt hatte der Verband die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), vom Fastenbrechen ausgeladen. Begründet wurde das offiziell mit Sicherheitsbedenken. Aber der Anlass war ein anderer: Özoğuz hatte der Armenien-Resolution des Bundestages zugestimmt. Seitdem wird dem Verband noch vehementer vorgeworfen, als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland zu agieren.

Doch auch Ditib ist nicht einfach Ditib. In Aachen klappte ein Bauvorhaben des Verbandes. Beim Bau der Yunus-Emre-Moschee habe es keine Probleme gegeben, sagt der Integrationsbeauftragte der Stadt, Achim Kockerols. Nur zwei Mal gab es Proteste, die allerdings nicht von den Bürgern der Stadt getragen gewesen seien. Die rechtsextreme Bürgerbewegung Pro NRW habe das Bauvorhaben für ihr eigenes Ziel nutzen wollen, sagt Kockerols: weniger Ausländer in Deutschland. Den Muslimen kam zugute, dass sie in einem "Arbeitskreis Moscheebau" Mitstreiter aus Kirchen und Gewerkschaften um sich geschart hatten. In Aachen, sagt Kockerols, gab es einen "breiten Protest gegen den Protest".

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