Süddeutsche Zeitung

Islam, Konservative und Brüssel:Prediger wirbt für Scharia - mit Hilfe der CDU

Fehltritt einer konservativen Zeitschrift, die von der CDU finanziert wird: Ein Imam durfte leichtfertig die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellen.

Thorsten Denkler, Berlin

Mustafa Ceric genießt den Ruf eines vorbildlichen islamischen Predigers. Als Großmufti und geistiges Oberhaupt der gut zwei Millionen Muslime in Bosnien-Herzegowina hat er sich stets als Brückenbauer zwischen Islam und anderen Religionen verstanden. Für sein Engamenent erhielt er 2007 den Theodor-Heuss-Preis.

Ceric hat an der angesehenen Al-Azhar-Universität in Kairo studiert und arbeitete einige Jahre als Imam in Chicago. Westliche Universitäten laden ihn gerne als Gastredner ein.

Dennoch hätten die Redakteure des konservativ ausgerichteten Wissenschaftsblattes European View den Text Cerics wohl etwas gründlicher studieren sollen, bevor sie ihn veröffentlichten.

In der aktuellen Ausgabe der European View mit dem Titel "Religion und Politik" räumte die Redaktion Ceric acht Seiten Platz ein, um über die "Herausforderung einer einzigen Muslim-Autorität in Europa" zu schreiben.

Diese einheitliche Muslim-Autorität solle auf den drei Grundpfeilern des Islam fußen. Nämlich auf Aqidah (dem Glauben), auf der Scharia (dem islamischen Recht) und auf Imamat, wohinter die Vorstellung steht, dass die Menschen von religiösen Führern geleitet werden sollen.

"Die Frage nach einem Imamat als 'oberste Führung' aller Muslime", schreibt Ceric, "ist die zentrale Frage der derzeitigen Situation, nicht nur für die muslimischen Kerngebiete, sondern auch für die muslimische Peripherie, einschließlich Europas."

Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung

Den Eindruck, dass die Muslime sich in dem Imamat zuerst der Scharia, dem islamischen Recht, zu unterwerfen hätten, bevor sie die weltliche Justiz anerkennen, verstärkt der gelehrte Autor noch mit einem fundamentalern Satz: Die Verpflichtung auf die islamische Scharia sei "immerwährend, nicht verhandelbar und unbefristet". Das dürfte nicht weniger sein als ein Verbalangriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Pikant ist weniger, dass der Imam eine solche Weltsicht verbreiten möchte. Zum "Sprengstoff", wie die Tageszeitung Welt schreibt, werden solche Anschauungen allerdings, weil die European View vom Zentrum für Europäische Studien herausgegeben wird - das wiederum ist einer von der Europäischen Volkspartei (EVP) und damit von der CDU direkt finanzierter Think-Tank. Er soll demnächst in "Helmut-Kohl-Stiftung" umbenannt werden.

Der Umstand sorgt für einigen Wirbel im konservativen Lager. Die Extremismusexpertin der CDU im Bundestag, Kristina Köhler, warnt in der Welt vor einem "europäischen Kalifat", sollten sich Cerics Thesen durchsetzen - "und der Staat soll diese Parallelwelt auch noch per Vertrag garantieren".

Die Mitgliederpostille der Jungen Union, Die Entscheidung, fragt entrüstet: "Scharia bei der EVP?" Dem Chef des kritisierten europäischen Magazins, Wilfried Martens, empfiehlt Die Entscheidung, vorher besser zu prüfen, was in seinem "Blatt so alles publiziert wird". Martens ist kein geringerer als der ehemalige konservative Ministerpräsident Belgiens und heutige Chef der EVP.

EU-Parlamentspräsident und EVP-Mitglied Gerhard Pöttering, der zum Herausgeberkreis der European View gehört, distanziert sich inzwischen von dem Text. Zwar sei es üblich, dass auch von der EVP-Linie abweichende Meinungen ein Forum gegeben werde. Wenn es aber um Beiträge gehe, in denen Demokratie und Rechtsstaat in Frage gestellt würden, dürfe das nicht unkommentiert gelassen werden.

Das gilt vor allem wohl dann, wenn eine künftige Helmut-Kohl-Stiftung damit zu tun hat.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.202888
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/jja
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.