Zur ersten Deutschen Islam-Konferenz 2006 wollte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit einem berühmten Satz eine neue Willkommenskultur prägen. "Der Islam gehört zu Deutschland", sagte Schäuble damals. Für die 160 Teilnehmer, die an diesem Mittwoch in Berlin beim ersten Treffen unter neuer Regierung die Arbeit der Konferenz wieder aufnehmen wollten, fiel der Empfang allerdings frostig aus. In klirrender Kälte und langer Schlange mussten die Gäste lange auf Einlass in das Innenministerium warten. Eine Organisationspanne, räumte das Ministerium ein.
Die Konferenz gilt seit Jahren als das wichtigste Forum für Kooperationen zwischen dem Staat und den mehr als fünf Millionen Muslime in Deutschland. In ihr sind muslimische Verbände, Wissenschaftler, Politiker aber auch andere Religionen vertreten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte zum Neustart der Konferenz in dieser Legislaturperiode an, dass sie sich vor allem um den Kampf gegen Muslimfeindlichkeit kümmern will, aber auch um neue Formen der Ausbildung islamischer Prediger.
Moscheevereine sind stark nach Herkunftsländern organisiert
Offenbar will das Ministerium vor allem den Einfluss anderer Staaten auf die Religion in Deutschland begrenzen. Sie wolle "die staatliche Entsendung von Imamen nach Deutschland schrittweise" reduzieren, kündigte Faeser an. Ziel sei es letztlich, sie ganz zu beenden.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Entsendung von Predigern aus der Türkei. Ihr Ministerium sei bereits im Austausch mit der türkischen Religionsbehörde. Staatssekretärin Juliane Seifert habe dazu in der vergangenen Woche in Ankara Gespräche geführt, sagte Faeser. Am Einfluss der türkischen Regierung auf die Moscheen in Deutschland hatte es immer wieder harte Kritik gegeben. Deutschsprachige Imame, die auch die Lebensrealität in Deutschland kennen, seien auch im Interesse der Gemeinden, betonte Faeser.
Der Direktor des Zentrums für islamische Theologie der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster, Mouhanad Khorchide, kritisierte, dass die Moscheevereine selbst noch immer stark nach Herkunftsländern organisiert seien. Es komme nur selten vor, dass ein aus Marokko stammender Imam in einer türkischen Ditib-Moschee predige oder ein Prediger mit türkischen Wurzeln in einer von gebürtigen Marokkanern gegründeten Moschee.
In den vergangenen Jahren riss auch die Kritik an der Konferenz selbst nicht ab. Seitdem sie vor 16 Jahren ins Leben gerufen wurde, brach immer wieder Streit über die Zusammensetzung der Treffen aus. Umstritten war etwa, wer die Interessen der Muslime dort überhaupt vertreten sollte - die einflussreichen konservativen Dachverbände, liberale Moscheegemeinden oder auch säkulare Muslime.
Grüne wollen Finanzierung der Gemeinden neu überdenken
Auch in der seit einem Jahr amtierenden Ampelregierung gab es um die Konferenz Debatten. "Im Koalitionsvertrag hatten wir ausgehandelt, dass progressive Muslime stärker in den politischen Diskurs eingebunden werden sollen", sagte Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion der Süddeutschen Zeitung. Bei der Islamkonferenz sollten sie jedoch nach den Plänen des Innenministeriums zunächst kaum eine Rolle spielen. "Damit war ich sehr unglücklich", sagt Kaddor. Dabei sei es sehr im gesellschaftlichen Interesse, wenn die Reformkräfte eine stärkere Rolle spielten.
Die Union kritisierte dagegen vor dem Treffen, dass die Konferenz zwar Muslimfeindlichkeit und Impulse für ein besseres Miteinander thematisiere, aber nicht das Thema Islamismus. Faeser wies die Kritik am Donnerstag scharf zurück. "Die Islamkonferenz ist keine Sicherheitskonferenz", sagte die Innenministerin. Es gehe vor allem um Verständnis in einer Zeit, in der die Polarisierung in der Gesellschaft stark zunehme.
Die Grünen forderten am Donnerstag, die Finanzierung der Gemeinden zu überdenken. "Bei der Finanzierung von muslimischen Gemeinden brauchen wir neue Modelle", sagte Innenpolitikerin Kaddor. So könne der Staat etwa verfassungstreuen Gemeinden mit einer Anschubfinanzierung helfen.