Isis-Terror im Irak:Internet-Video zeigt "unsichtbaren Scheich"

Isis-Chef Abu Bakr al-Baghdadi

Ein Screenshot aus einem Video, das den Isis-Chef Abu Bakr al-Baghdadi am 4. Juli beim Freitagsgebet zeigen soll.

(Foto: dpa)

Während aus dem Norden des Irak neue Berichte über Morde und Zerstörungen von Kulturstätten durch Isis-Kämpfer kommen, veröffentlicht die Miliz ein Video, das ihren Anführer Abu Bakr al-Bagdadi zeigen soll. Er tritt äußerst selten auf.

  • Es kursieren Berichte über neue Todesopfer und Zerstörungen durch radikale Isis-Kämpfer.
  • Isis-Chef Abu Bakr al-Bagdadi zeigt sich in einem seiner seltenen Auftritt scheinbar unverletzt in einem Internet-Video.
  • Indische Krankenschwestern kehren aus dem Irak in ihre Heimat zurück.
  • Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki wehrt sich weiter gegen Rücktrittsforderungen.
  • Einflussreicher sunnitischer Geistlicher wendet sich gegen das von Isis ausgerufene Kalifat.

Todesopfer, zerstörte Moscheen und Grabmäler

Die sunnitische Terrormiliz Isis (Islamischer Staat im Irak und in Syrien) ist im Norden des Irak wohl erneut mit brutaler Gewalt gegen Zivilisten vorgegangen. Die Extremisten hätten in dem Ort Zur Maghar zehn Stammesführer und ältere Autoritätspersonen exekutiert, meldet die kurdische Nachrichtenagentur Bas News unter Berufung auf Augenzeugen. Drei der Opfer seien an einer Kreuzung an Pfählen hängen gelassen worden, um die Bevölkerung einzuschüchtern.

In der Provinz Ninive zerstörten Isis-Kämpfer Berichten lokaler Medien zufolge mehrere Moscheen und andere religiöse Einrichtungen von Schiiten und Sunniten. In und um Mossul, etwa 400 Kilometer nördlich von Bagdad, demolierten Kämpfer der Terrorgruppe mindestens fünf Gebetsstätten und Grabmäler, darunter historische Kulturgüter. In dem Ort Tel Afar wurden ebenfalls Moscheen und ein Grabmal zerstört.

Die Isis-Kämpfer hätten die religiösen Stätten als "heidnische Tempel" bezeichnet, berichtet das irakische Nachrichtenportal Al-Mada. Tel Afar liegt etwa 70 Kilometer westlich von Mossul. In dem Ort habe Isis bereits vor einer Woche drei Pilgerstätten und drei Moscheen zerstört, meldet das Nachrichtenportal Shafaaq News.

Der "unsichtbare Scheich" scheinbar unverletzt

Isis-Chef Abu Bakr al-Bagdadi, von seiner Organisation mittlerweile zum "Kalifen" ernannt, hat sich anscheinend das erste Mal seit langer Zeit in der Öffentlichkeit gezeigt. Isis verbreitete am Samstag im Internet ein Video, das ihn angeblich bei der Freitagspredigt in einer Moschee in Mossul zeigt. In dem Video soll al-Bagdadi von allen Muslimen "Gehorsam" eingefordert und zum "Heiligen Krieg" aufgerufen haben. Bislang hatte sich Abu Bakr al-Bagdadi vor der Öffentlichkeit verborgen. Von ihm gibt es nur sehr wenige Fotos, weshalb er auch der "unsichtbare Scheich" genannt wird. Irakische Medien hatten am Freitag berichtet, der Isis-Chef sei wahrscheinlich bei einem Luftangriff verletzt worden. Auf dem Video sind jedoch keine Verletzungen zu erkennen.

Indische Krankenschwestern in Sicherheit

46 Krankenschwestern sind derweil in ihr Heimatland Indien zurückgekehrt. Eine Sondermaschine flog die Frauen gemeinsam mit ungefähr 100 weiteren Landsleuten von Erbil im irakischen Kurdistan nach Kochi in Südindien. Die Krankenschwestern wurden von ihren Familien empfangen. "Wir sind glücklich und erleichtert. Wir dachten, wir würden es nie zurückschaffen", sagte eine von ihnen. Die Frauen hatten sich in einem Krankenhaus in Tikrit verschanzt, seit die Gegend von Isis-Kämpfern eingenommen worden war. Die genauen Umstände ihres Freikommens sind unklar. Indische Medien berichten unter Berufung auf offizielle Quellen, dass kein Lösegeld geflossen sei.

Angriff auf Ölraffinerie erfolglos

Die irakische Armee wehrte einen Angriff der Isis-Milizen auf die Ölraffinerie in Baidschi ab. Dabei seien zwölf Isis-Kämpfer getötet worden, hieß es aus irakischen Sicherheitskreisen. Isis-Milizen attackieren den Ort etwa 200 Kilometer nördlich von Bagdad seit Mitte Juni immer wieder. Dort liegen eine der wichtigsten Ölraffinerien des Landes und ein Kraftwerk, das Bagdad mit Strom versorgt. Die Terrorgruppe beherrscht im Irak und im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien bereits mehrere wichtige Ölfelder. Isis kontrolliert mittlerweile große Landesteile im Norden und Westen des Irak, ihr erklärtes Ziel ist der Marsch auf Bagdad. Sie beherrscht zudem weite Gebiete im benachbarten Bürgerkriegsland Syrien.

Al-Maliki will bleiben

Hochrangige schiitische, sunnitische und kurdische Politiker fordern weiterhin den Rücktritt des amtierenden schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki. Der lehnte am Freitag erneut ab. Er werde seine Wähler nicht enttäuschen, sagte er nach Angaben des Nachrichtenportals Al-Sumaria. In einer Erklärung verwies er darauf, dass seine Rechtsstaats-Koalition als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl im April hervorgegangen war.

Einflussreicher Sunnit argumentiert gegen Isis-Kalifat

Die Extremisten hatten am vergangenen Sonntag in den beiden Ländern ein "Islamisches Kalifat" ausgerufen und Isis-Chef Abu Bakr al-Bagdadi zum "Kalifen" ernannt. Das verstößt nach Einschätzung eines einflussreichen sunnitischen Geistlichen gegen das islamische Recht. Einem Kalifat müsse die Gesamtheit der Muslime zustimmen.

Die Einführung eines grenzüberschreitenden Gottesstaats sei zwar wünschenswert, das Vorgehen der Extremisten sei aber nicht vereinbar mit der Scharia, erklärte der in Katar ansässige Prediger Jussef al-Karadawi. Der in Ägypten geborene Kleriker warnte vor den "gefährlichen Folgen für die Sunniten im Irak und den Aufstand in Syrien". Der TV-Prediger steht den Muslimbrüdern nahe und gilt als einer der einflussreichsten Geistlichen in der arabischen Welt.

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