Isis-Chef Abu Bakr al-Baghdadi:Terrorführer mit dunkler Vergangenheit

Isis-Chef Abu Bakr al-Baghdadi: Zwei Fotos, die Abu Bakr al-Bagdadi zeigen sollen, stammen von den US-Behörden (l.) und vom irakischen Innenministerium (r.)

Zwei Fotos, die Abu Bakr al-Bagdadi zeigen sollen, stammen von den US-Behörden (l.) und vom irakischen Innenministerium (r.)

(Foto: AFP)

Mit seiner Isis-Miliz ist Abu Bakr al-Baghdadi zu einem der mächtigsten Dschihadisten der Welt aufgestiegen. Wer ist der Mann?

Von Markus C. Schulte von Drach

Der Dschihadist wendet sich auf Deutsch an sein Publikum. "Ich gebe meine Gefolgschaft dem Befehlshaber der Gläubigen, Abu Bakr al-Baghdadi, um ein Zeichen zu setzen, dass wir auf dem geraden Weg sind", sagt der deutschstämmige Abu Talha Al-Almani in einem Propaganda-Video von Isis.

Die Dschihadisten-Miliz, deren vollständiger Name "Islamischer Staat im Irak und Syrien (Levante)" lautet, macht im April 2013 das erste Mal auf sich aufmerksam. Sie verübt im Irak Anschläge, bei denen tausende Menschen sterben, und kämpft in Syrien nicht nur gegen Regierungssoldaten, sondern auch gegen andere Aufständische. Nun ist die sunnitische Miliz im Irak auf dem Vormarsch und bewegt sich auf Bagdad zu - jene Stadt, die ihr Anführer Abu Bakr al-Baghdadi im Namen trägt.

Für den Spiegel ist Abu Bakr al-Baghdadi, den seine Anhänger in Videos preisen, "das neue Gesicht des Terrors". Doch während über die Strategie und das Vorgehen seiner milliardenschweren Miliz mittlerweile ziemlich viel bekannt ist ("Terror und Verbraucherschutz"), weiß die Welt recht wenig über den Mann selbst. Es gibt nur zwei verschwommene Fahndungsbilder, die irakische und amerikanische Behörden herausgegeben haben.

Sicher ist, dass Abu Bakr 1971 in der irakischen Stadt Samarra geboren wurde. Sein bürgerlicher Name lautet Ibrahim Awwad Ibrahim Ali al-Badri. Die USA führen auf ihrer Liste von internationalen Terroristen eine Vielzahl von Alias auf: Abu Bakr al-Husayni al-Baghdadi; Abu Bakr al-Baghdadi al-Husayni al Quraishi; Dr. Ibrahim Awwad Ibrahim al-Samarrai; Ibrahim Awad Ibrahim al-Badri al-Samarrai. Insbesondere unter dem Namen Abu Dua wurde er von den USA als Al-Qaida-Terrorist gesucht.

Studium in Bagdad, Prediger im Nordirak

Was Dschihadisten zu seiner Person verbreiten, lässt sich kaum überprüfen. Anscheinend ist er verheiratet und hat an der Islamischen Universität von Bagdad Religionswissenschaften studiert. Er soll einen Doktortitel haben - was der Whistleblower @wikibaghdady, der offenbar aus dem engeren Umfeld von Isis heraus berichtet, allerdings bezweifelt.

Abu Bakr tritt als Prediger an sunnitischen Moscheen im Nordirak auf. Nach der Eroberung des Irak durch die US-Armee und ihre Verbündeten gründet er die islamistische Widerstandsgruppe Jaysh Ahli Sunna und wird einer der wichtigsten Köpfe der al-Qaida in der Provinzen Diyala und in den Regionen um die Städte Samarra und Bagdad. Das geht aus einer Biographie hervor, die von seinen Anhängern im Internet verbreiten und die der belgische Islamexperten Pieter van Ostaeyen übersetzt hat.

Nach dem Sturz von Saddam Hussein 2003 beginnt auch ein anderer radikaler Islamist mit einem Terrorkrieg gegen die Amerikaner und Iraks Schiiten: der sunnitische Jordanier Abu Musab al-Sarkawi. Seit 2004 gilt seine Gruppe als irakischer Ableger der Terrororganisation al-Qaida. Zwei Jahre später wird al-Sarkawi durch einen gezielten Luftschlag der USA getötet. Sein Nachfolger der al-Qaida im Irak (AQI) wird ein Mann namens Abu Ayyub al-Masri.

Ein Kämpfer mit vielen Namen, der an vielen Orten aktiv war

Doch bereits im Oktober 2006 verkündet al-Masri die Bildung der Organisation des Al-Qaida-Ablegers "Islamischer Staat im Irak" (Isi), in der sich sunnitische Widerstandskämpfer zusammenschließen sollten.

Wann Abu Bakr al-Baghdadi, der heutige Chef der Isis, zu al-Qaida stößt, ist unklar. Als sicher gilt, dass er von US-Streitkräften gefangen genommen und in das riesige Gefangenenlager Bucca im Süden des Irak gesperrt wird. Ob dies 2004 oder 2005 ist, ist nicht geklärt. Dem britischen Telegraph zufolge gibt es Pentagon-Papiere, die besagen, er habe in der Stadt Qaim Menschen entführt, gefoltert und öffentlich ermordet. Andere Quellen sprechen davon, er sei erst während der Haft radikalisiert worden. Berichte über die Dauer seiner Gefangenschaft widersprechen sich. Manche Quellen sprechen von drei Monaten, andere von nicht mal einem Jahr, und wieder andere berichten, er sei erst 2009 wieder entlassen worden.

Das allerdings widerspricht Informationen der Dschihadisten. Diese berichten, dass er 2006 die Angehörigen seines Stammes in der Provinz Diyala und in der Region Samarra davon überzeugt, sich der Terrorgruppe Isi, die aus der al-Qaida-Gruppe im Irak hervorgegangen war, anzuschließen. Er selbst kämpft dann offenbar für Isi unter dem Namen Abu Dua in der Provinz Anbar, in der die Städte Falludscha und Ramadi liegen.

Von al-Qaida zu Isis

Als 2010 die Anführer der Terrorgruppen Isi und al-Qaida im Irak bei einem Raketenangriff der USA getötet wurden, schlägt Abu Bakrs al-Baghdadis Stunde. Wie @Wikibaghdady berichtet, hat er die Unterstützung des Militärberaters von Abu Omar, Haji Bakr, einem ehemaligen General der Armee von Saddam Hussein.

Gemeinsam übernehmen sie demnach im Mai 2010 die Führung von Isi - Abu Bakr tritt sichtbar nach außen auf, während der Ex-Offizier insgeheim die Strippen zog. Hilfreich für Abu Bakrs Machtansprüche ist vermutlich, dass er seine Abstammung auf die Familie des Propheten Mohammed zurückführt.

Isil irak Syrien

Anhänger der Isis-Miliz in Falludscha. Sie verehren ihren Anführer Abu Bakr al-Bagdadi.

(Foto: AP)

Mit einer Reihe von Anschlägen auf US-Soldaten, Schiiten und auch auf gemäßigte Sunniten terrorisiert die Gruppe von 2010 an das Land. Als im Frühjahr 2011 die Revolution in Syrien beginnt, entscheiden die Isi-Anführer, auf dessen Kopf die USA inzwischen zehn Millionen Dollar ausgesetzt haben, auch dort aktiv zu werden. Sie beschließen laut @Wikibaghdady, die nicht-irakischen Isi-Mitglieder nach Syrien zu schicken. Anführer wird der Syrer Abu Mohammed al-Dschaulani.

Streit zwischen Dschihadisten im Irak und in Syrien

Die Isi-Kämpfer gründen dort die Al-Nusra-Front, die weitere islamistische Kämpfer aus verschiedenen Ländern rekrutierte. Anfang 2012 tritt sie erstmals offiziell in Erscheinung. Während die Gruppe wächst, beginnt sich Abu Bakr al-Baghdadi zu sorgen, dass ihre Loyalität ihm gegenüber nachlassen könnte. Er fordert al-Dschaulani auf, die Nusra-Front öffentlich als Teil seiner Organisation Isi zu deklarieren und verkündet die Vereinigung der Isi und der Al-Nusra-Front zu Isis, dem "Islamischen Staat im Irak und in Syren (bzw. der Levante)".

Al-Dschaulani aber weigert sich, weil er die Entscheidung für problematisch für die Revolution in Syrien hält. Die eigene Popularität, so seine Befürchtung, könnte darunter leiden. Er wendet sich deshalb an den sich in Pakistan befindenden Führer der al-Qaida, Aiman al-Sawahiri, und erklärt ihm gegenüber seine Gefolgschaft.

Sawahiri bestimmt, dass Abu Bakr al-Baghdadi sich auf den Irak, die Al-Nusrah-Front aber auf Syrien konzentrieren solle. Damit ist Abu Bakr nicht einverstanden. Es kommt zum Konflikt und sogar zu Kämpfen zwischen den verschiedenen Rebellengruppen, denen Anfang 2014 in der syrischen Region Aleppo offenbar auch Haji Bakr zum Opfer fiel.

Abu Bakr, inzwischen etwa 42 Jahre alt, hält den Anspruch bis heute aufrecht, mit seiner Gruppe unter dem Namen Isis ein neues sunnitisches Kalifat zu errichten. Er ist deshalb für sunnitische Dschihadisten aus aller Welt eine attraktivere Anlaufstelle als die Rebellen, die sich auf Syrien konzentrieren wollen. Auch viele Kämpfer der Al-Nusra-Front treten zu Isis über. Und immerhin hat Abu Bakr bereits erreicht, dass ein Teil der Grenze zwischen Syrien und dem Irak nur noch auf dem Papier existiert, da die Isis-Kämpfer sie kontrollieren.

Dazu kommt, dass die Gruppe, die nun nicht mehr als Teil der al-Qaida betrachtet werden kann, dem Spiegel zufolge auch Kämpfer ohne militärische Ausbildung aufnimmt. Darüber hinaus ist sie - vermutlich aufgrund der Ex-Militärs des Saddam-Regimes in ihren Reihen - gut organisiert und kann ihren Kämpfern mehr militärische und finanzielle Mittel zur Verfügung stellen als andere Gruppen.

Linktipps:

  • Wer al-Qaida in den Schatten stellt: In diesem SZ-Leitartikel erklärt Sonja Zekri, wieso der radikale Islam so viel Zulauf findet.
  • Wer kontrolliert welche Regionen in Syrien?
  • Wer kontrolliert welche Regionen im Irak?
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