Syrien:Deutschland holt erstmals IS-Kinder zurück

Syrien: Über die Rückkehr von IS-Kindern nach Deutschland wird seit Längerem diskutiert. (Symbolbild)

Über die Rückkehr von IS-Kindern nach Deutschland wird seit Längerem diskutiert. (Symbolbild)

(Foto: AFP)
  • Die Kinder hätten kurdischen Behördenangaben zufolge nach dem Sieg über den IS in Syrien im Flüchtlingslager Al-Haul gelebt.
  • Über die Rückkehr von IS-Kindern nach Deutschland wird seit Längerem diskutiert.
  • Die Bundesregierung arbeitet nach den Worten von Außenminister Maas daran, weitere Kinder nach Deutschland zu holen.

 Von Georg Mascolo, Ronen Steinke und Britta von der Heide

Zum ersten Mal hat die Bundesregierung humanitären Forderungen nachgegeben, Familienmitglieder von Terroristen der Miliz "Islamischer Staat" (IS) aus syrischer Haft zurück nach Deutschland zu holen. Vier kleine Kinder sind deshalb am Montagmittag an einem Grenzübergang zwischen Syrien und dem Irak in Empfang genommen worden, eine Delegation deutscher Konsularbeamter und Ärzte stand bereit. Bisher lebten die Kinder im Gefangenenlager Al-Haul in Nordsyrien.

Es handelt sich um drei Waisenkinder, deren deutsche Eltern sich dem IS in Syrien angeschlossen hatten. Außerdem um ein schwer krankes, im Kriegsgebiet geborenes Mädchen, zehn Monate alt und mit einem Wasserkopf. Erst vor wenigen Tagen hatte die Mutter dieses Mädchens sich direkt an Bundesaußenminister Heiko Maas gewandt, sie "erwarte" Hilfe, sagte sie in einer Audiobotschaft, die Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegt. Nachdem das Mädchen notdürftig operiert wurde, hat es einen Sepsis erlitten: "Wenn sie versucht zu greifen, macht sie das wie eine Neugeborene", sagte die Mutter. Die vier Kinder sollen nun zunächst in die nordirakische Stadt Erbil gebracht und, sobald medizinisch möglich, nach Deutschland ausgeflogen werden.

Außenminister Maas sagte am Montag über die vier Fälle: "Es handelt sich im Wesentlichen um Kleinkinder, und deren Unterbringung dort ist alles andere als optimal". Er betonte: "Sie können auch nicht für die Taten ihrer Eltern verantwortlich gemacht werden, und deshalb wollen wir dort helfen." In jedem Einzelfall müssten schwierige Fragen beantwortet werden - zur Identität und zur Organisation ihrer Ausreise. Maas bedankte sich "bei all denjenigen, die diese Ausreise unter so schwierigen und auch unter gefährlichen Umständen möglich gemacht haben".

Die Entscheidung war erst nach monatelangen Diskussionen getroffen worden, innerhalb der Bundesregierung ging es hin und her über die Frage, wie man mit dem Problem der deutschen IS-Kämpfer und ihrer Familien umgehen soll. Trotz erheblichen Drucks der USA und der Kurden will Berlin keinesfalls alle zurückholen, so verhalten sich auch die meisten europäischen Staaten. In Washington wächst die Wut darüber, gerade erst drohte US-Präsident Donald Trump erneut, man würde die europäischen Kämpfer womöglich freilassen. Natan Sales, im US-Außenministerium zuständig für die Bekämpfung des Terrorismus, höhnt: "Kosovo und Kasachstan sind besser darin, ihre Leute vor Gericht zu stellen, als reiche Demokratien des Westens."

An der harten Haltung will die Bundesregierung dennoch festhalten. Juristisch gelte natürlich für alle Deutschen das Recht, nach Deutschland zurückzukehren. Aber eine Verpflichtung für die öffentliche Hand, sie aktiv zurückzuholen, gebe es nicht. In den inzwischen zahlreichen Gerichtsprozessen um diese Frage argumentiert die Regierung: Man befinde sich "in Übereinstimmung mit der überwiegenden Zahl der europäischen Partnerländer". Es würde "gewichtige außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen", wenn man von der Linie abweiche, wie die Personen, "wenn sie einmal in Deutschland sind, dann auch Gefahren für die Nachbarländer darstellen" können.

Die Kinder seien eine Ausnahme. Schuld treffe sie keine, sie seien selbst Opfer. Auch aus den Sicherheitsbehörden kamen Warnungen, je länger die deutschen Kinder sich in den Flüchtlingscamps befänden, umso größer sei die Gefahr ihrer Radikalisierung. Es sei besser, sie jetzt zu holen. So argumentieren auch die Kurden. "Das wird die nächste Generation von Terroristen, die uns allen gefährlich werden", sagt ein hochrangiger kurdischer Offizieller.

Frankreich, Schweden, Belgien und eine Reihe anderer Staaten haben deshalb bereits vor Monaten damit begonnen, Kinder herauszuholen.

Die Bundesregierung arbeitet nach den Worten von Außenminister Maas unter schwierigen Bedingungen daran, weitere Kinder nach Deutschland zu holen. "Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch weitere Kinder Syrien verlassen können", sagte Maas am Montag in Berlin.

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