Als mögliche Opfer sollen sie Juden in Deutschland im Visier gehabt haben. Oder die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin-Moabit, die sie wegen ihrer Weltoffenheit nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft als „Ort der Teufelsanbetung“ verachteten. Sieben mutmaßliche Mitglieder einer vornehmlich tadschikischen Zelle der Terrororganisation Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) sitzen am Dienstagvormittag auf der Anklagebank im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf.
Die Beschuldigten im Alter zwischen 21 und 47 Jahren schweigen seit ihrer Verhaftung vor einem Jahr. Nun hören sie anscheinend ungerührt zu, was ihnen Oberstaatsanwalt Simon Henrichs vorwirft: Die Männer hätten mögliche Bombenanschläge und Attentate ausgelotet, sich dazu als kriminelle Vereinigung organisiert und nebenher Geld zur Unterstützung des Islamischen Staats in Syrien gesammelt.
Sicherheitsbehörden sehen im ISPK die akut gefährlichste Terrorgruppe
Sonderlich weit gediehen und konkret seien die Pläne des Septetts noch nicht gewesen, räumt die Anklage am Dienstag ein. Aber die verdeckten Ermittler, die die Gruppe mehr als zwei Jahre lang überwacht hatten, nahmen seit Frühjahr vorigen Jahres Warnsignale wahr: So hatten die Männer eine Kirmes in Köln-Deutz besucht und Fotos gemacht, zudem hatten die Sicherheitsbehörden beobachtet, dass die Gruppe Chemikalien in Baumärkten begutachtete oder zahllose Plastikflaschen mit durchsichtiger Flüssigkeit in einem Koffer deponierte. Auch diskutierten die Männer, wie man an Waffen kommen könne. Am 3. Juli 2023 griff die Polizei zu.
Deutsche Sicherheitsbehörden betrachten den Ableger ISPK und seine nach Westeuropa eingeschleusten Dschihadisten als akut gefährlichste Terrorgruppe. Mitglieder der seit 2014 aufgebauten Organisation sollen auch an den mutmaßlichen Anschlagsplänen auf den Kölner Dom und den Wiener Stephansdom um Weihnachten vergangenen Jahres beteiligt gewesen sein. Zu dieser Gruppe soll die jetzt angeklagte mutmaßliche tadschikische Zelle in Kontakt gestanden haben. Dazu wollte sich Oberstaatsanwalt Henrichs am Dienstag allerdings nicht äußern.
Zudem soll der ISPK etwa für den brutalen Terroranschlag im März auf eine Konzerthalle nahe Moskau mit mehr als 140 Toten verantwortlich gewesen sein. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte in einem Brief an seine Amtskolleginnen in Bund und Ländern im Frühjahr vor „zentralasiatischen Personen und Netzwerken“ gewarnt, die mit Terrororganisationen wie dem ISPK kooperierten.
„Wir werden uns nach dem Märtyrertod im Paradies wiedersehen.“
Gesteuert wurde die Gruppe in Nordrhein-Westfalen offenbar von einem ISPK-Mann, der sich „der Scheich“ nennen lässt. Gegen den Beschuldigten läuft in den Niederlanden ein gesondertes Strafverfahren. Die dortigen Behörden hatten den Mann mit seiner Ehefrau ebenfalls im Juli vorigen Jahres festgenommen. Dort sitzt er seither in Untersuchungshaft.
Insgesamt, so trug Staatsanwalt Henrichs am Dienstag in seiner eineinhalbstündigen Anklage vor, soll sich die Gruppe seit ihrer Ankunft in Deutschland im Frühjahr 2022 zu „mindestens 58 persönlichen Treffen in NRW und den Niederlanden“ zusammengefunden haben. Im Mai 2022 sei einer der sieben Männer über Iran nach Afghanistan geflogen, um dort direkt mit ISPK-Größen in Kontakt zu treten.
Bisher unklar scheint, mit welchen Reisepapieren es dem 31-jährigen Tadschiken N.K. im Juni 2022 gelang, anschließend wieder nach Deutschland zurückzukehren. Nachdem ein bekannter ISPK-Terrorist kurz darauf in Afghanistan ums Leben gekommen war, so Henrichs, soll ein anderer Angeklagter seine Glaubensbrüder in einem Chat getröstet haben: „Wir werden uns nach dem Märtyrertod im Paradies wiedersehen.“
Ursprünglich nach Deutschland eingereist waren die sieben Männer in mehreren Autos unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im März und April 2022. Sie gaben sich als Geflüchtete aus und kamen unter anderem in Gladbeck, Gelsenkirchen und Warendorf unter. Während sie mit ihren versuchten Waffenkäufen und mutmaßlichen Anschlagsplänen kaum vorankamen, sammelten sie mehrere tausend Euro, die sie über Verwandte in der Türkei an IS-Kämpfer und für Frauen in Flüchtlingscamps im Nordosten Syriens leiteten.