Nach vier Jahren Irak:Frühere IS-Anhängerin kehrt nach Deutschland zurück

Die frühere IS-Anhängerin Fatima M. bei ihrer Rückkehr nach Deutschland

Wiedersehen nach vier Jahren: Fatima M. (rechts) und ihre Mutter schließen sich am Frankfurter Flughafen in die Arme.

(Foto: Volker Kabisch)
  • Vor vier Jahren schloss sich Fatima M. mit ihrem Mann der IS-Terrormiliz im Irak an.
  • Nachdem sie dort eine einjährige Haftstrafe verbüßt hat, ist sie nun nach Deutschland zurückgekehrt.
  • Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen die heute 31-Jährige - denn was sie konkret im Irak getan hat, ist unklar.
  • Experten warnen, dass Frauen besonders häufig "Hauptträger der Ideologie" seien.

Von Volkmar Kabisch

Fatima M. weint, als sie ihre Mutter in die Arme schließt. Vier Jahre ist es her, seit sie sich zuletzt gesehen haben. Nun das Wiedersehen vor dem Gebäude der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen.

2015 war Fatima M. plötzlich verschwunden. Damals zog die heute 31-Jährige mit ihrem Mann und den beiden Kindern über die Türkei und Syrien in den Irak. Sie schlossen sich dem sogenannten Islamischen Staat an und ließen sich in einer einst christlichen Kleinstadt nahe Mossul nieder. Ihr Ehemann Magomed M. starb wenige Monate nach der Ankunft dort bei Gefechten.

Nun ist Fatima M. die erste frühere IS-Anhängerin, die nach Deutschland zurückkehrt, nachdem sie im Irak eine Haftstrafe verbüßt hat. Beamte des Bundeskriminalamtes durchsuchen sie sofort nach der Ankunft am Montagnachmittag, nehmen Fingerabdrücke und erstellen Fotos. Dann darf sie den Flughafen verlassen. Einen Haftbefehl gab es zunächst nicht.

Denn was sie konkret im Irak getan hat, welche Rolle sie für die Terrororganisation spielte, ist unklar. Gegen sie ermittelt der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, wie ihr Anwalt Gabor Subai sagt. "Zusätzlich geht es um einen Verstoß gegen das Völkerstrafgesetzbuch", ergänzt Subai. Es bestehe der Verdacht, dass Fatima M. und ihr damals noch lebender Ehemann im Krieg sich Eigentum völkerrechtswidrig zu eigen gemacht oder geplündert haben. Die Familie war offenbar im Irak in ein zuvor von Christen bewohntes Haus eingezogen.

Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen werden inzwischen immer häufiger vor allem gegen aus dem einstigen Gebiet des IS zurückkehrende Frauen eingeleitet. Denn für den Beweis der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung hatte der Bundesgerichtshof hohe Hürden gesetzt. So sei es nicht ausreichend, anders als vom Generalbundesanwalt gefordert, zum "Staatsvolk" des IS gehört zu haben.

Stattdessen müssten konkrete Unterstützungsleistungen für die Terrororganisation erbracht worden sein, etwa der Dienst in der berüchtigten Sittenpolizei. Dies ist aber gerade bei Frauen schwer nachweisbar. Daher der Versuch, mit Vorwürfen nach dem Völkerstrafgesetzbuch zurückkehrende Frauen juristisch zu belangen. Inwieweit die Ermittlungen vor Gericht standhalten, ist noch nicht absehbar.

Deutsche Sicherheitsbehörden befürchten, unter den Frauen und Männern, die aus dem Kriegsgebiet zurückkehren, könnten auch solche sein, die nach wie vor der Ideologie des IS folgen und hier Anschläge begehen könnten. Zwar hatte es in der Vergangenheit keine derartigen Aktivitäten von Frauen gegeben. Diese seien aber besonders häufig "Hauptträger der Ideologie", warnen Experten, und könnten zu Gewalttaten animieren. Zudem ist es unmöglich alle islamistischen Gefährder dauerhaft zu überwachen. Für eine einzige Person wären bis zu 30 Beamte nötig.

"Hauptsache raus aus dem Irak"

Die nun zurückgekehrte Fatima M. sagt, sie habe den "Islamischen Staat" nie unterstützt, sei nur wegen ihres Mannes in das Kriegsgebiet gezogen. Nach ihrer Verhaftung war sie bereits von einem Gericht in Bagdad zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Die Strafe hat sie inzwischen verbüßt. Fatima M. sagte, sie freue sich, hier in Deutschland zu sein und ihre Familie endlich wiederzusehen. "Hauptsache raus aus dem Irak", fügte die in Tschetschenien geborene Frau hinzu, die mit ihrer Familie früher in Detmold gelebt hatte.

"Das ungewisse Schicksal ihrer beiden Kinder ist der Wermutstropfen am heutigen Tag", sagte Anwalt Gabor Subai. Kurz vor der Verhaftung in Mossul hatte es einen Luftangriff gegeben. Seitdem gelten ihre beiden Söhne als vermisst. Die Familie weiß nicht, ob die Kinder überhaupt noch leben oder sich noch irgendwo in der Region aufhalten.

Fatima M. war im Juli 2017 zusammen mit weiteren deutschen Staatsangehörigen von irakischen Sicherheitskräften während der Rückeroberung Mossuls gefangen genommen worden. Unter den damals Festgenommenen war auch die aus Sachsen stammende 17-jährige Linda W. Ihr Fall hatte weltweit Schlagzeilen gemacht.

Das Schicksal weiterer deutscher IS-Anhänger, die sich inzwischen in kurdischer Haft im Nachbarland Syrien aufhalten, bleibt weiterhin unklar. Die Bundesregierung bekräftigt immer wieder, in Syrien, anders als im Irak, nicht konsularisch tätig werden zu können. Daher sei eine Rückkehr aktuell nicht möglich. Man bemühe sich aber in Einzelfällen, vor allem aus humanitären Gründen, eine Ausreise aus Syrien zu unterstützen.

Der IS hat den größten Teil seines früheren Herrschaftsgebiets in Syrien und im benachbarten Irak mittlerweile verloren. Die Dschihadisten kontrollieren noch ein kleines Gebiet im Osten Syriens.

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