Irland:Osteraufstand 1916: Schüsse, die aus irischen Rebellen Märtyrer machten

Irland: Eine Zeichnung zeigt die Hinrichtung eines irischen Rebellen im Kilmainhaim-Gefängnis.

Eine Zeichnung zeigt die Hinrichtung eines irischen Rebellen im Kilmainhaim-Gefängnis.

(Foto: imago stock&people)

Ihren kläglichen Aufstand schlugen die britischen Besatzer nieder. Doch die Hinrichtung der Anführer provozierte einen Kampf, an dessen Ende das Empire Irland in die Freiheit entlassen musste.

Von Martin Anetzberger

Geboren wurde er als Sohn irischer Einwanderer in einem schottischen Slum. Seine letzten Stunden brachte James Connolly ausgerechnet im königlichsten Bauwerk Irlands zu, dem Dublin Castle. Er, der stolze irische Republikaner und Gewerkschafter, der noch vor wenigen Tagen den Aufstand gegen die britischen Besatzer mit angeführt hatte, lag nun mit einem zertrümmerten Bein in einem provisorischen Lazarett. Trotz ärztlicher Behandlung besserte sich sein Zustand kaum, selbst Morphium linderte seine Schmerzen auf Dauer nicht.

So trat das Kriegsgericht schließlich an seinem Krankenbett zusammen. Und von hier aus transportierten ihn die Briten auch zu seiner Hinrichtung ins nahegelegene Kilmainham-Gefängnis. Im Innenhof setzten sie Connolly auf einen Stuhl und fesselten ihn an die Rückenlehne. Als Connollys geistlicher Beistand sah, dass manche Männer des Erschießungskommandos entsetzt darüber waren, einen so schwer Verwundeten töten zu müssen, fragte er: "Willst du für diese Männer beten?" Connolly antwortete: "Ich werde ein Gebet für alle sprechen, die tapfer ihre Pflicht tun." Augenblicke später versuchte er, sich im Angesicht seiner Feinde ein letztes Mal aufzurichten. Dann sackte er, von mehreren Kugeln getroffen, zusammen. Es war frühmorgens, der 12. Mai 1916.

Connolly war der letzte jener insgesamt 15 Männer, die unmittelbar nach dem gescheiterten irischen Osteraufstand exekutiert wurden. Sein grausamer Tod war der Höhepunkt eines britischen Racheexzesses. Auch die meisten Iren hatten den Kampf einer kleinen Minderheit für eine Republik zunächst verurteilt. Sie beklagten die vielen Opfer - die Schätzungen variieren zwischen 500 und 1500 toten britischen Soldaten, Aufständischen und Zivilisten - und machten die Rebellen dafür verantwortlich, dass große Teile der Hauptstadt verwüstet waren.

Doch die Stimmung in der Bevölkerung änderte sich dramatisch, als General Sir John Grenfell Maxwell, der Kommandant der britischen Truppen in Irland, mit aller Härte gegen die Aufständischen vorging. Neben den Erschießungen ließ er Tausende Iren verhaften und internieren. Unter ihnen war auch Michael Collins, einer der späteren Führer der Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Maxwell versetzte dem Unabhängigkeitskampf, dessen Folgen noch heute in Nordirland zu beobachten sind, damit einen immensen Schub, den er weder beabsichtigt noch vorausgeahnt hatte. Dabei wurde mehrfach vor einer Hinrichtung von Rebellen gewarnt.

Begonnen hatte der Aufstand am 24. April, dem Ostermontag. Zunächst verlas Patrick Pearse in der Sackville Street (heute: O'Connell Street, benannt nach einem irischen Nationalisten aus dem 19. Jahrhundert) die von sieben Anführern unterzeichnete Proklamation der irischen Republik. Danach besetzten die in fünf Bataillonen organisierten Rebellen ein gutes Dutzend wichtiger Gebäude in Dublin sowie einige Eisenbahnstationen. Eine Gruppe verschanzte sich unter dem Kommando von Connolly und dem Führer des radikal-republikanischen Flügels der Irish Volunteers (Irische Freiwilligenarmee), Pearse, im Hauptpostamt. Die Erhebung blieb fast ausschließlich auf Dublin begrenzt, weil der größere, gemäßigte Flügel der Volunteers nicht mitmachen wollte. Weniger als 1500 Iren griffen letztlich zu den Waffen.

Weder Pearse noch Connolly glaubten, die Besatzer mit so wenigen Kämpfern ernsthaft gefährden zu können. Doch sie wollten das Empire inmitten des Ersten Weltkrieges herausfordern und ein Zeichen setzen. Vor allem Pearse hoffte, dass durch den von ihm förmlich herbeigesehnten Märtyrertod die Unabhängigkeitsbewegung gestärkt würde. Er sollte recht behalten.

Kapitulation am sechsten Tag

Die Kämpfe waren noch schneller vorbei als von Pessimisten befürchtet. Der Marxist Connolly, einst selbst in der britischen Armee ausgebildet, hatte geglaubt, dass diese davor zurückschrecken würde, wertvolle Gebäude zu zerstören. Doch er täuschte sich. Die Briten waren nicht nur deutlich in der Überzahl, sie setzten auch schwere Artillerie ein und griffen vom Fluss Liffey aus sogar mit Kanonenbooten an. Das Hauptpostamt wurde bei den Kämpfen vollkommen zerstört. Den Besetzern gelang es zwar, sich in ein Gebäude in der nahe gelegenen Moore Street zurückzuziehen. Doch schon am sechsten Tag ordneten Connolly und Pearse die Kapitulation an. Sie wollten weitere zivile Opfer vermeiden. Die Sackville Street lag großteils in Schutt und Asche.

Unmittelbar nach dem Ende der Kämpfe begann General Maxwell, die Verantwortlichen des Aufstands zu jagen. Die Ermächtigung dazu hatte er vom britischen Premier Herbert Henry Asquith. Asquith arbeitete im Parlament mit der gemäßigten Irish Parliamentary Party (IPP) zusammen, die eine irische Selbstverwaltung innerhalb des Königreichs anstrebte. Um seinen Partnern entgegenzukommen, hatte Asquith bereits 1914 abermals ein weiteres Gesetz über die sogenannte Home Rule ins Unterhaus eingebracht, wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs trat es jedoch nicht in Kraft.

Einen gewaltsamen Umsturzversuch konnte Asquith nicht akzeptieren und schickte Maxwell in den Ostertagen 1916 nach Dublin, um den Aufstand niederzuschlagen. Maxwell dachte nicht daran, die Rädelsführer vor ein ordentliches Gericht zu stellen. Ihm graute es davor, dass Angeklagte öffentlich über ihren Wunsch nach einer irischen Republik und ihre Motive für den Kampf gegen Großbritannien sprechen. Die Verantwortlichen ließ er deshalb unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor ein Kriegsgericht stellen. Als Hauptanklagepunkt beschränkte er sich auf die Kollaboration mit dem deutschen Kriegsfeind. Tatsächlich hatten die Briten eine größere Waffenlieferung des Deutschen Reiches an die irischen Unabhängigkeitskämpfer abgefangen.

"Erschießt sie!"

Maxwell scheute die Öffentlichkeit so sehr, dass er nicht die von ihm und seinem Stab eigentlich favorisierte Hinrichtung am Galgen anstrebte. Die Anreise eines professionellen englischen Henkers hätte seiner Meinung nach zu viel Aufsehen erregt. Er wollte seine Aufgabe schnell und geheim erledigen. Wenige Tage nach dem Aufstand sprach das Tribunal die ersten drei Angeklagten schuldig, darunter Patrick Pearse. Maxwell erhielt kurz darauf einen Anruf, in dem er das Urteil bestätigen sollte. Er sprach nur zwei verhängnisvolle Worte: "Erschießt sie!" Dann legte er auf.

In den folgenden Tagen, als die Nachrichten von weiteren Hinrichtungen die Runde machten, kippte die Stimmung in der Bevölkerung. Unmittelbar nach den Kämpfen waren gefangengenommene Rebellen in den Straßen Dublins noch beschimpft und verspottet wurden. Nun waren die Menschen empört darüber, dass die Briten ihre Landsleute vor ein Erschießungskommando stellten und Hunderte in Internierungslager steckten. Asquith zeigte sich besorgt über die Entwicklung, ließ Maxwell aber weiter freie Hand - mit einer Ausnahme: Frauen sollten nicht hingerichtet werden. So wurde das Todesurteil gegen die führend am Aufstand beteiligte Constance Markievicz in lebenslange Haft umgewandelt, obwohl sie darauf bestand, zusammen mit ihren Gefährten erschossen zu werden. Markievicz wurde nach dem Krieg die erste Frau in einem irischen Ministeramt.

John Redmond und John Dillon, führende IPP-Mitglieder, warnten die Briten eindringlich. Redmond sagte im Londoner Unterhaus: "Ich bitte die Regierung, (...) nur Maßnahmen zu ergreifen, die am wenigsten bitteren Groll beim irischen Volk zurücklassen, sowohl in Irland als auch in aller Welt." Damit spielte Redmond auf die Vereinigten Staaten an, die die Briten im Krieg gegen die Deutschen brauchten und die blutige Repressalien wegen der vielen irischstämmigen US-Bürger übelnehmen könnten. Dillon sprach persönlich bei General Maxwell vor. Als er mit Höflichkeit nichts erreichte, beschuldigte er den General, Iren als minderwertig zu betrachten und warf ihm Rachejustiz vor. Maxwell entgegnete, er sei nach Irland geschickt worden, um dafür zu sorgen, dass etwas Vergleichbares nicht mehr vorkomme. Er lasse lediglich Verräter töten. Dillon platzte daraufhin der Kragen. "Nein! Sie sorgen dafür, dass sie nie sterben werden", schrie er.

Republikaner von Sinn Féin übernehmen die Macht

Aus Dillon sprach auch die Verzweiflung eines Politikers, der ahnte, dass die Zeit für seine Partei abgelaufen war. Viele Jahre hatten Redmond und er für die Home Rule gekämpft und die große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich gewusst. Doch die Iren radikalisierten sich nach der brutalen Reaktion der britischen Besatzer. Bei den Wahlen zum britischen Unterhaus im Jahr 1918 bekam die IPP die Quittung. Die republikanische Partei Sinn Féin errang 73 von 105 irischen Mandaten. Zu den gewählten Abgeordneten, die ihre Sitze in London wie angekündigt nicht einnahmen und sich stattdessen in Dublin als irisches Parlament konstituierten, gehörte auch Michael Collins.

Aus den Irish Volunteers ging 1919 die IRA hervor, die sich als reguläre Armee der Irischen Republik verstand. Collins wurde ihr Geheimdienstchef und organisierte einen Guerillakrieg gegen die Briten, der ohne die große Sympathie innerhalb der Bevölkerung nicht möglich gewesen wäre. Collins hatte aus dem Osteraufstand gelernt, sich auf kein offenes Gefecht mehr mit den Briten einzulassen. Seine Taktik ging auf, 1921 erklärte sich das Vereinigte Königreich zu Verhandlungen bereit.

Irland wurde durch den Anglo-Irischen Vertrag zum Freistaat, der durch Kolonialisierung stark britisch geprägte Norden - der Großteil der Provinz Ulster - blieb allerdings beim Vereinigten Königreich. Dies führte zur Spaltung der IRA in Vertragsgegner und -befürworter und schließlich zum Irischen Bürgerkrieg, an dessen Ende sich die Freistaatler durchsetzten. Der gemäßigte Teil der IRA ging in der regulären irischen Armee auf. 1937 erhielt der Freistaat eine republikanische Verfassung. Von da an konzentrierte sich der radikale Teil der IRA darauf, für eine Vereinigung zwischen Irland und Nordirland zu kämpfen. Während des Nordirlandkonflikts, der von den 60er Jahren bis in die 90er Jahre dauerte, kam es immer wieder zu Terroranschlägen und gewalttätigen Auseinandersetzungen - zwischen irisch-katholischen und britisch-protestantischen Untergrundbewegungen. Mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 erklärten die IRA sowie ihre britisch-nordirischen Kontrahenten, die Ulster Defence Association (UDA) und die Ulster Volunteer Force (UVF), ihre Bereitschaft zum Gewaltverzicht.

Sowohl in der Republik Irland als auch in der irisch geprägten Bevölkerung Nordirlands werden die Männer um James Connolly und Patrick Pearse noch heute, 100 Jahre nach dem Ende des Osteraufstands, als Helden verehrt.

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