In Irland ist ein lang erwarteter Abschlussbericht über Vorgänge in früheren Mutter-Kind-Heimen der katholischen Kirche veröffentlicht worden. Er beschäftigt sich mit dem Tod Tausender Babys und Kinder in solchen Einrichtungen und sorgt für Aufsehen und Empörung. Die irische Regierung entschuldigte sich am Mittwoch für den Tod Tausender Babys und Kinder.
"Der Staat hat Sie, Mütter und Kinder in diesen Heimen, im Stich gelassen", sagte Ministerpräsident Micheál Martin. "Ich möchte betonen, dass jede von Ihnen wegen des Unrechts anderer in einer Einrichtung war." Es sei zutiefst beunruhigend, dass den Behörden die hohen Kindersterblichkeitsraten in den Heimen bekannt waren, es jedoch kaum Hinweise auf staatliche Eingriffe gebe. Frauen seien systematisch wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden, sagte Martin. Sie seien für außereheliche Schwangerschaften stigmatisiert worden, selbst wenn diese das Ergebnis einer Vergewaltigung waren. Bereits am Vortag hatte Martin den Skandal, der sich über Jahrzehnte erstreckte, als eines der schwärzesten Kapitel in der Geschichte des Landes bezeichnet.
9000 tote Kinder
Dem Bericht zufolge, der am Dienstag veröffentlicht worden war, starben etwa 9000 Kinder in Heimen, die von der Regierung kontrolliert und von religiösen Organisationen, oft von der katholischen Kirche, geleitet wurden. Das wären etwa 15 Prozent aller Kinder in den untersuchten Heimen für unverheiratete Mütter. In der Studie heißt es: "In den Jahren vor 1960 haben Mutter-Kind-Heime das Leben von 'unehelichen' Kindern nicht gerettet. Tatsächlich scheinen sie ihre Überlebenschancen erheblich verringert zu haben."
Abtreibung in Irland:Leben und sterben lassen
In Irland sind Schwangerschaftsabbrüche verboten. Selbst bei Inzest oder Vergewaltigung. Jetzt stimmen die Iren darüber ab, ob das so bleibt oder nicht. Ein Besuch bei Frauen, die es satthaben.
In der 2865 Seiten umfassenden Studie geht es unter anderem um ein vom katholischen Orden der Bon-Secours-Schwestern betriebenes Heim in der Ortschaft Tuam, auf dessen Gelände eine Vielzahl menschlicher Überreste in Gewölben gefunden worden waren, die nicht in gekennzeichneten Gräbern bestattet wurden. Das ehemalige St. Mary's Mother and Baby Home für unverheiratete Frauen mit Kindern war 2014 erstmals in die Schlagzeilen geraten. Die Lokalhistorikerin Catherine Corless hatte ermittelt, dass zwischen 1925 und 1961 in dem Heim 796 Totenscheine für Babys ausgestellt worden waren. Im gleichen Zeitraum gab es aber lediglich eine einzige beurkundete Bestattung. 2014 folgten Berichte über ein Massengrab mit Babys.
Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt. Seit Anfang 2015 arbeitete sie Vorgänge aus 14 irischen Mutter-Kind-Heimen und vier Sozialeinrichtungen, sogenannten County Homes, im Zeitraum zwischen 1922 bis 1998 auf. Während dieser Zeit lebten etwa 35 000 Frauen in solchen Einrichtungen. Meist handelte es sich um unverheiratete Schwangere, die dort ihre Kinder zur Welt bringen sollten. Von der Gesellschaft wurden sie in dieser Zeit weitgehend verachtet.
Die Sterblichkeitsrate der Kinder wurde als unverhältnismäßig hoch eingestuft. Als häufigste Todesursachen wurden Atemwegserkrankungen und Magen-Darm-Entzündungen festgestellt.
Minister spricht von Frauenfeindlichkeit
Der Bericht enthülle eine "Frauenfeindlichkeit, die von der Regierung über den Staat bis hin zur Kirche reichte, aber auch die gesamte Gesellschaft durchdrang", hatte der für Kinder und Jugend zuständige Minister Roderic O'Corman schon vor der Veröffentlichung der Irish Times gesagt. Er sprach von einem massiven gesellschaftlichen Versagen.
Exhumierung:Irische Regierung sucht Überreste von Heimkindern
Unter einem ehemaligen Heim für ledige Mütter in Tuam sollen in einem Massengrab Hunderte Baby- und Kinderskelette liegen. Die Regierung hat nun eine offizielle Ausgrabung beschlossen.
Eine Vertreterin des Ordens der Schwestern von Bon Secour entschuldigte sich für den Umgang mit Frauen und Kindern in der Einrichtung und die "respektlose und inakzeptable" Art und Weise, wie Säuglinge, die starben, begraben wurden, berichtet der irische Independent. Viele Frauen und Kinder wären abgelehnt, ausgeschlossen, ihre Menschenwürde in Leben und Tod missachtet worden. "Wir haben unser Christsein beim Betreiben dieses Heimes nicht gelebt", sagte Schwester Eileen O'Connor, Leiterin des Ordens in Irland.
Der Vorsitzende der Irischen Bischofskonferenz, Erzbischof Eamon Martin, begrüßte die Veröffentlichung. Die Kirche sei Teil einer Geisteshaltung gewesen, "in der Menschen häufig stigmatisiert und abgelehnt wurden", sagte der Erzbischof von Armagh und irische Primas. "Dafür und für die lang anhaltenden Verletzungen und emotionalen Belastungen, die sich daraus ergeben haben, entschuldige ich mich vorbehaltlos bei den Überlebenden und allen, die persönlich von den nun aufgedeckten Vorgängen betroffen sind."