Süddeutsche Zeitung

Irans Präsident Hassan Rohani:Zwischen neuer Rhetorik und neuem Kurs

Präsident Rohani wird das iranische Atomprogramm nicht aufgeben. Doch er weiß, wie wichtig bessere Beziehungen zum Westen für sein Land sind. Auch seine Verhandlungspartner sollten an einer Annäherung interessiert sein. Wichtige Themen gibt es genug.

Eine Analyse von Paul-Anton Krüger

Rohani hat in seiner Rede viele der bekannten iranischen Positionen wiederholt. Er warf den USA indirekt vor, sich auf "archaische und zutiefst ineffektive Mittel" zu setzen, um ihre Dominanz zu festigen. Er unterstellte dem Westen, verborgen hinter "humanitärer Rhetorik" den Bürgerkrieg in Syrien dazu nutzen zu wollen, die regionale Balance zu verändern. Im Atomstreit kritisierte er den Westen für die seiner Ansicht nach ungerechtfertigten Sanktionen. Und verknüpfte eine Lösung mit der Bedingung, die Welt müsse Irans Recht auf die Anreicherung von Uran akzeptieren. Zugleich bekräftigte er, Atomwaffen hätten keinen Platz in der Verteidigungsdoktrin der Islamischen Republik. All das hat sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad so oder so ähnlich auch schon gesagt. Doch der nutzte seine Auftritte bei den Vereinten Nationen in New York gerne dazu, den Westen zu provozieren - nicht zuletzt indem er den Holocaust leugnete.

Rohani ist ein Vertreter des Regimes - er hat in den vergangenen 30 Jahren wiederholt hohe Funktionen im Sicherheitsapparat bekleidet. Er ist niemand, der eine enge Freundschaft zu den USA oder zum Westen suchen würde, auch weil das die ideologischen Grundfesten des Regimes der Islamischen Republik erschüttern würde. Er ist niemand, der bereit wäre, zentrale Interessen Irans aufzugeben, die nicht nur in Syrien andere sind, als die des Westens. Aber er ist ein Pragmatiker. Er sieht, dass es im Interesse seines Landes ist, einen Ausgleich in manchen Streitpunkten zu suchen - zuvorderst im Atomkonflikt. Die Wirtschaft in Iran leidet unter den Sanktionen, und wenn Rohani seine Versprechen erfüllen will, die er den Iranern vor der Wahl gemacht hat, dann muss er hier schnell Erleichterungen erreichen.

Differenzen wird es weiter geben

Der zentrale Satz in seiner Rede ist das Angebot an die USA und den Westen, zu "Rahmenbedingungen zu gelangen, in dem wir unsere Differenzen managen können". Das ist das Bekenntnis, dass Differenzen fortbestehen werden. Und folgerichtig schlugen die Iraner ein Angebot des Weißen Hauses für ein Treffen mit Präsident Barack Obama aus. Aber es ist ein Angebot, über Streitpunkte zu sprechen, die Interessen der jeweils anderen Seite anzuerkennen und eine Eskalation zu vermeiden.

Ob Rohani nur mit der Rhetorik seines Vorgängers gebrochen hat oder zu einer wirklichen Annäherung bereit ist, wird sich im Oktober zeigen, wenn in Genf die Atomverhandlungen fortgesetzt werden. US-Präsident Barack Obama hat wiederholt, dass die USA das Recht Irans auf die zivile Nutzung der Atomenergie anerkennen. Iran beharrt spezifisch auf dem Recht zur Anreicherung, eine Technologie, die auch dazu genutzt werden kann, hochangereichertes Uran für Atomwaffen zu gewinnen. Diese Differenz können die technischen Experten überbrücken - wenn Iran bereit ist, die Zweifel daran auszuräumen, dass es mit dem Atomprogramm neben der Energiegewinnung eben doch auch militärische Zwecke verfolgt.

Wenn das gelingt, lässt sich Rohanis Idee vielleicht ausbauen und Differenzen auch auf anderen Gebieten in einem vorher vereinbarten Rahmen debattieren. Themen gäbe es genug: Syrien und Libanon und damit verbunden Irans Unterstützung für Terrorgruppen in Nahost und darüber hinaus, die Situation im Irak und in Bahrain, in Afghanistan und Pakistan, der Kampf gegen Drogen bis hin zur Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu den USA. Das wäre für beide Seiten die so oft beschworene Win-Win-Situation. Deswegen wäre es töricht, die Ouvertüren des neuen Präsidenten auszuschlagen, was Obama aber auch nicht beabsichtigt. Aber Rohani muss liefern. Spätestens in Genf wird sich zeigen, was seine Worte wert sind.

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