Irans Atomprogramm:Teherans Versteckspiel mit den Kontrolleuren

Gebäude werden plattgemacht, Forschungslabore abgerissen und stattdessen Grünanlagen angelegt: Das iranische Regime versucht immer wieder, die internationalen Atom-Inspektoren zu täuschen. Doch die können Spuren auch nach Jahren noch nachweisen - wenn sie ins Land dürfen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

Paul-Anton Krüger

Der Stadtteil Lavisan im Nordosten Teherans erfreut sich seit nunmehr zwölf Jahren einer schönen Grünanlage: Bäume spenden dort Schatten, und mehrere Sportplätze wurden errichtet. Bis 2004 sah das Gelände in der iranischen Hauptstadt allerdings ganz anders aus: Ein mehrstöckiges Gebäude mit einer Grundfläche von etwa 75 auf 40 Meter verstellte den Blick auf die angrenzenden bewaldeten Hügel. Hier, so vermuten westliche Geheimdienste, hatten von Ende der Achtzigerjahre an iranische Wissenschaftler heimlich an der Entwicklung eines Atomsprengkopfes gearbeitet.

Still image taken from video shows workers in what is described by Iranian state television as an enrichment control room at a facility in Natanz

Auf einem Screenshot aus einem Video des iranischen Staatsfernsehens sind Arbeiter in einer Anreicherungsanlage in Natans zu sehen (Archivbild). Iran verweigert immer wieder die Zusammenarbeit mit den Kontrolleuren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA).

(Foto: REUTERS)

Irans klandestines Atomprogramm war 2002 aufgeflogen, und Fragen nach einer "möglichen militärischen Dimension" wurden immer drängender. Als die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien begannen, sich für den verdächtigen Komplex zu interessieren, ließen die Iraner ihn plötzlich abreißen, das Erdreich in der Umgebung metertief abtragen und den Park anlegen.

Ein Gericht habe entschieden, das sonst überaus mächtige Verteidigungsministerium müsse das Gelände an die Stadtverwaltung zurückgeben, erklärte die Regierung. Was in den verschiedenen mit dem Militär eng verbandelten Forschungsinstituten vorging, die über die Jahre an der Straße Shiyan-e-Haftom residierten, hat Iran nie aufgeklärt. Die IAEA erhielt erst Zugang, als im Park das Gras schon spross.

Iran verweigert die Kooperation

Eine Grünanlage auf einem riesigen Militärstützpunkt zu errichten, würde zweifellos Verdacht wecken, zumal in wüstengleicher Umgebung. Ansonsten aber weist die Säuberungsaktion der vergangenen Monate auf dem Standort Parchin 20 Kilometer südöstlich von Teheran erstaunliche Parallelen auf mit der Landschaftsgärtnerei von Lavizan:

Wieder besteht der dringende Verdacht, dass Irans Wissenschaftler dort zumindest bis 2003 verbotene Forschung zum Bau eines Atomsprengkopfs betrieben haben. Wieder verweigert Iran den Zugang. Wieder rückten Bulldozer und Putztrupps an, als die Inspektoren Einlass begehren. Viele der Spuren, die den Forensikern im Labor der IAEA Aufschluss geben könnten über die Aktivitäten auf dem einst von einem Sicherheitszaun umgebenen Gelände, dürften verloren sein.

An diesem Freitag verhandeln Iran und die IAEA in Wien erneut darüber ob die Inspektoren den fraglichen Gebäudekomplex endlich untersuchen dürfen. Parchin ist inzwischen zum Testfall dafür geworden, ob das Regime in Teheran überhaupt bereit ist, wie vom UN-Sicherheitsrat und dem aus 35 Mitgliedstaaten bestehenden IAEA-Gouverneursrat gefordert, zur Aufklärung der zahlreichen Verdachtsmomente beizutragen, die auf ein geheimes Programm zum Bombenbau hindeuten.

Letzter Test für IAEA-Chef Amano

Zugleich gilt das monatelange Gezerre inzwischen auch als Testfall für IAEA-Chef Yukiya Amano. Der Japaner war im Mai eigens nach Teheran gereist, um eine Einigung über eine Rahmenvereinbarung zu erzielen, die das Regime zur Bedingung für Kooperation gemacht hat. Außer einem Versprechen, dass Iran "bald" ein solches Abkommen schließen werde, hat er bislang nichts erreicht - und dämpfte am Donnerstag auch Erwartungen an das neuerliche Treffen. Selbst üblicherweise wohlwollende europäische Diplomaten attestieren dem IAEA-Chef, bei seinem Iran-Trip "total naiv in die Falle getappt" zu sein.

Dabei hatten die Inspektoren in Parchin an sich gute Karten: In einem der Gebäude hat Iran wohl im Jahr 2000 einen großen Stahlzylinder errichtet, in dem sich Versuche mit hochexplosiven Sprengstoffen machen lassen - wie sie zur Entwicklung von Atombomben nötig sind. Ein Wissenschaftler, der dreißig Jahre in einem der Atomwaffenlabore in der Sowjetunion gearbeitet hat, Wjatscheslaw Danilenko, war bei der Konstruktion der Kammer behilflich und womöglich auch bei einigen der Experimente. Die IAEA hat den Mann befragt.

"Mir wäre die Sache zu heikel"

Zudem liegen den Inspektoren detailliertes Material westlicher Geheimdienste vor, laut dem iranische Wissenschaftler in der Sprengkammer eine Neutronenquelle getestet haben sollen - eine zentrale Komponente für einen Nuklearsprengkopf, für die es kaum plausible zivile Anwendungen gibt. Sogar die Namen angeblich beteiligter Forscher sind bekannt.

Einer von ihnen, Fereydun Abassi-Davani, wurde im Februar 2011 zum Chef der Iranischen Atomenergieorganisation befördert, nachdem er im November des Vorjahres ein Bombenattentat auf sein Auto nur mit viel Glück überlebt hatte. Ein anderer, Madschid Schahriari, war in Teheran bei einem zeitgleichen Anschlag umgekommen.

Allerdings haben die Iraner in Parchin gründlich aufgeräumt: Zwei kleinere Gebäude wurden abgebrochen, Straßen weggerissen, großflächig Boden abgetragen und planiert. Die Halle, in der die Sprengkammer errichtet worden ist, wurde offenbar von innen und außen gesäubert. Große Mengen Flüssigkeit liefen im Mai aus dem Eingang, wie auf Satellitenbildern zu erkennen ist.

Andere Aufnahmen, die der IAEA vorliegen, aber nicht öffentlich zugänglich sind, zeigen laut einem hohen Diplomaten am Sitz der IAEA in Wien, wie das Dach der Halle gereinigt wird. Dort enden Rohre, die vermutlich nach Versuchen in der Sprengkammer die Explosionsgase ins Freie geleitet haben - einschließlich inkriminierender nuklearer Partikel.

Verräterische Wischproben überführten die Iraner

Die besten Chancen für die Inspektoren, in Parchin noch etwas zu finden, dürfte die Sprengkammer bieten - wenn Iran sie nicht demontiert hat. Der Stahl könnte durch Neutronen kontaminiert worden sein, was lange Zeit nachweisbar ist. Zudem haben die Kontrolleure auch in Syrien Uran-Partikel auf dem Gelände eines von Israel 2007 zerbombten Reaktors nachgewiesen, obwohl es komplett umgegraben worden war.

Auch die Iraner wurden erwischt: Die hatten eine verdächtige Lagerhalle zwar leer geräumt und frisch gestrichen, doch die Inspektoren landeten einen Treffer, als sie eine Wischprobe aus der Dachkonstruktion nahmen. "Wäre ich Iraner", sagt denn auch ein europäischer Diplomat, "wäre mir die Sache zu heikel."

So erwartet kaum jemand einen Durchbruch in Wien, und auch die zweite Schiene der Diplomatie, die Gespräche mit den Vetomächten im UN-Sicherheitsrat und Deutschland, hat bisher keine Fortschritte gebracht. "Die Iraner werden sich kaum bewegen, bevor sie nicht wissen, mit wem sie es nach dem 6. November in Washington zu tun haben", prophezeit ein westlicher Unterhändler. Bis dahin eskaliert die Krise in Zeitlupe weiter. Die Frage ist nur, ob Israel bereit ist, noch so lange zu warten.

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