Süddeutsche Zeitung

Iranisches Atomprogramm:"Ein Jahr bis zur Bombe"

US-Atomexperten berichten, dass Iran mittlerweile genügend Uran angereichert hat - und in einem Jahr die Bombe zünden könnte. Unter einer Voraussetzung.

Tomas Avenarius

Iran kann nach Angaben von US-Atomexperten in knapp einem Jahr eine erste Atombombe bauen. Das Land verfüge inzwischen über ausreichende Mengen an angereichertem Uran für den Bau einer einzelnen Bombe, zitierte die New York Times verschiedene Nuklearexperten.

Diese beriefen sich auf den jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergie-Behörde IAEA. Voraussetzung sei aber, dass die iranischen Ingenieure eine Reihe weiterer technischer Probleme lösten. So muss das vorhandene Uran - es sollen 630 Kilogramm sein - verfeinert werden. Zudem muss ein Sprengkopf gebaut werden.

Die US-Experten waren sich aber einig, dass der Bau einer Atombombe in spätestens einem Jahr möglich sei. Iran verfügt über ein umfangreiches Atomprogramm. Teheran beharrt darauf, dass es zivil sei. "Eindeutig haben sie genug Material für eine Bombe", sagte Richard Garwin, der an der Entwicklung der US-Atomwaffen beteiligt war: "Sie beherrschen die Uran-Anreicherung. Ob sie den Bombenbau beherrschen, ist eine andere Frage."

Die anderen befragten US-Experten äußerten sich ähnlich. Geheimdienste haben früher abweichende Termine genannt, wann Iran eine Bombe bauen könnte. Während US-Dienste vom Zeitraum zwischen 2009 und 2015 sprachen, nennt Israel die Jahre 2009 oder 2010.

Bald 6000 Zentrifugen

Irans Atomprogramm ist umfangreich; möglich ist, dass es neben den von der IAEA überprüften Anlagen geheime Fabriken gibt. Wenn ausreichend angereichertes Uran vorhanden ist, muss dieses noch verfeinert werden, um waffenfähig zu werden. Dies würde nach Angaben der US-Experten einige Monate dauern. Zudem wäre dieser Prozess schwer vor den IAEA zu verbergen, da die UN-Organisation die iranischen Anlagen inspiziert. Möglich wäre aber, dass Iran die Zusammenarbeit mit der Atombehörde kündigt. Dies wäre ein klarer Hinweis auf den Bau von Atombomben.

Eine weitere Schwierigkeit stellen die Konstruktion des Sprengkopfs und die Einlagerung des Nuklearmaterials dar. Benötigt wird zudem ein Zündmechanismus, der mit einer konventionellen Explosion die eigentliche Nuklearreaktion auslöst. Iran arbeitet angeblich am Design eines solchen Sprengkopfs. Hinweise darauf sollen auf einem iranischen Laptop-Computer gefunden worden sein, der dem US-Geheimdienst in die Hände gefallen ist. Teheran bezeichnet diese Unterlagen als Fälschung. Was Trägersysteme für Atomwaffen angeht, so verfügt Iran über Raketen, die Israel und Südeuropas erreichen.

Iranische Experten hatten Schwierigkeiten mit der Uran-Anreicherung und der dazu benötigten Reihenschaltung der Zentrifugen. Nach Angaben der IAEA verfügt Iran aber inzwischen über 3800 funktionierender Gaszentrifugen. Diese stehen in der Atomanlage in Natanz. Ein ungenannter europäischer Diplomat sagte der New York Times, dass sich deren Zahl - und damit der Ausstoß an angereichertem Uran - bis zum Jahresende erhöhen könne: Auf 6000 Zentrifugen.

Unklarheit besteht über die Nuklear-Kooperation mit Staaten, die über militärische Atomtechnik verfügen. So soll es eine Kooperation mit Nordkorea geben. Nordkorea, das einige wenige Atombomben haben soll, verfügt über die Technik zum Bau der Sprengköpfe. Geheimpartner ist möglicherweise auch Syrien. Die israelische Luftwaffe hatte im September 2007 einen angeblichen Plutoniumreaktor nordkoreanischer Bauart in al-Kibar in Syrien zerstört.

US-Angaben zufolge stand der Reaktor vor der Fertigstellung. Syrien bestreitet, dass es eine Nuklearanlage war. Die IAEA hat den Ort besichtigt, der nach dem Luftangriff von Syrien vollständig planiert wurde. In einem Bericht hieß es, dass es Indizien für einen Reaktor gebe. Man habe Spuren niedrig angereicherten Urans gefunden. Die Anlage sei zudem an einem Fluss gebaut worden, was auf die Kühlung eines Reaktors hinweise.

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SZ vom 21.11.2008/cag
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