Iran: Vorwurf der Wahlfälschung:Verdächtig gleichmäßig

Präsident Ahmadinedschad hat einen deutlichen Sieg errungen - selbst in den Heimatprovinzen seiner Konkurrenten. Nur eine der vielen Ungereimtheiten, die auf massive Wahlfälschung hinweisen.

Michael König

Wie sich die Bilder gleichen: 2005 war es Mehdi Karrubi, den die reformorientierten Kräfte im Land zu ihrem Hoffnungsträger auserkoren hatten. Der gute Umfragewerte vorwies und als Zweiter aus dem ersten Wahlgang hervorging. Der bei seiner Pressekonferenz allerdings warnte, Militär, Geheimdienst und religiöse Hardliner könnten die Wahl beeinflusst haben.

Iran Wahlfälschung Ahmadinedschad Manipulation Mussawi, Reuters

"Wo ist meine Stimme?" - der Vorwurf der Wahlmanipulation ist bei den Protesten in Teheran allgegenwärtig.

(Foto: Foto: Reuters)

Kurz nach dem Ende der Pressekonferenz wurde ihm mitgeteilt, dass er noch vom ultrareligiösen Kandidaten Mahmud Ahmadinedschad überholt worden sei. Und dass eben dieser Ahmadinedschad, der bis dato weitgehend unbekannte Bürgermeister von Teheran, nun im zweiten Wahlgang gegen den Favoriten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani antreten werde. Der Rest ist Geschichte: Ahmadinedschad schlug auch Rafsandschani und wurde Präsident.

Von 18 auf 0,9 Prozent

2009 ist Mir Hussein Mussawi als Reformkandidat an Ahmadinedschad gescheitert. Seine Anhänger protestieren seit Tagen auf den Straßen Teherans gegen das Wahlergebnis, das schon im ersten Wahlgang eine verdächtige Mehrheit für den bisherigen Präsidenten ausweist: 62,6 Prozent gegenüber 33,8 Prozent für Mussawi.

Auch Karrubi ist diesmal wieder angetreten, nach offizieller Lesart erhielt er 0,9 Prozent der Stimmen. Verglichen mit 2005, als er beinahe 18 Prozent erreichte, geradezu ein Absturz. Während Mussawi dem Protest ein Gesicht gibt, ist es das Schicksal Karrubis, das den Analytikern Argumente liefert - für die These, dass es bei der Wahl nicht mit rechten Dingen zugegangen ist.

Amerikanische Blogger verweisen auf die Ergebnisse aus Karrubis Heimatprovinz Lorestan, wo der Politiker bei der Wahl 2005 mehr als 50 Prozent der Stimmen einfahren konnte. Ahmadinedschad kam dort auf nicht einmal zehn Prozent.

Fast zu schön, um wahr zu sein

Vier Jahre später triumphiert Amtsinhaber Ahmadinedschad mit 71 Prozent in Lorestan, Lokalmatador Karrubi muss mit fünf Prozent auskommen. Im benachbarten Ilam stürzt Karrubi von beinahe 40 Prozent in 2005 auf etwa vier Prozent ab, Ahmadinedschad steigert sich von mehr als zehn auf gut 60 Prozent - für den Amtsinhaber fast zu schön, um wahr zu sein.

In beinahe allen Provinzen feiert Ahmadinedschad deutliche Erfolge, dabei ist Iran ein Land mit einer äußerst heterogenen Bevölkerungsschicht. Mussawi etwa gehört dem Stamm der Azeris an, der in der iranischen Region Aserbaidschan beheimatet ist. Dennoch war es Ahmadinedschad, der in der Stadt Täbris in Ost-Aserbaidschan ein Ergebnis von 57 Prozent einfuhr.

Verwunderlich sind auch die Ergebnisse mathematischer Analysen, die im Internet Verbreitung finden: Demnach hat Ahmadinedschad bei der Auszählung der Stimmen, die in fünf Etappen durchgeführt wurde, gleichmäßig an Vorsprung gewonnen - so übertrieben gleichmäßig, dass sich eine lineare Entwicklung abzeichnet. Vor dem Hintergrund der vielen ethnischen Gruppen ist das zumindest ungewöhnlich.

Das angeblich wahre Ergebnis

Harte Beweise für Wahlfälschungen gibt es nicht, lediglich Vorwürfe der Opposition. Für sie ist der Fall klar. Aus Kreisen des Innenministeriums will sie erfahren haben, wie das Ergebnis ohne die Manipulation ausgesehen hätte: Demnach hätte Mussawi 38,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können, Ahmadinedschad nur 11,6 Prozent.

Mehdi Karrubi wäre ohne den Einfluss von Mullahs und Militär angeblich auf 27,3 Prozent gekommen - und damit doch noch zu der Chance, die ihm 2005 verwehrt geblieben ist: Er hätte Ahmadinedschad ausgestochen und an der Stichwahl gegen Mussawi teilnehmen dürfen.

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