Generalmajor Hossein Salami ist ein Veteran des ersten Golfkriegs. Der Angriff des irakischen Diktators Saddam Hussein auf die Islamische Republik, mehr oder weniger offen unterstützt von den USA, ist bis heute identitätsstiftend für die Widerstandsideologie des iranischen Regimes wie seine Militärdoktrin. Salami ist zudem politisch ein Hardliner. "Wir werden Amerika, Israel und ihre Verbündeten brechen!", verkündete er, kurz bevor ihn Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei im April zum Kommandeur der Revolutionsgarden machte.
Sie sind die Elite des Sicherheitsapparates, verteidigen das Regime gegen Bedrohungen aus dem Inneren wie die grüne Revolution 2009. Zugleich sind sie das Rückgrat der Militärpräsenz Irans in der Region. Die für Auslandseinsätze zuständigen Quds-Brigaden unter dem als Helden verehrten Kommandeur Qassem Soleimani kämpfen in Syrien an der Seite des Assad-Regimes und waren an der Niederschlagung der Terrormiliz Islamischer Staat im Irak beteiligt. Sie sind auch die Kommandostruktur für die von Iran gesteuerten Milizen. Und sie stehen nach den Angriffen auf zwei Tanker im Golf von Oman im Zentrum der Anschuldigungen gegen Iran.
Persischer Golf:Tanker-Besatzung sah "fliegendes Objekt" vor Angriff
Die USA geben Iran die Schuld an den Attacken im Golf von Oman und präsentieren ein Video. Teheran weist die Vorwürfe als "haltlose Behauptung" zurück. Die Crew eines der beiden Schiffe ist wieder an Bord.
Das US-Militär hat ein Video veröffentlich, das zeigen soll, wie Revolutionsgardisten Stunden nach dem ersten Angriff von einem kleinen Schnellboot aus eine nicht detonierte Haftmine von der Bordwand eines der attackierten Schiffe entfernen - was noch kein Beweis ist, dass sie diese dort angebracht hatten, aber schon ein gewichtiges belastendes Indiz. Crewmitglieder sprachen von Granatbeschuss oder fliegenden Objekten, aber die Besatzung der Kokuka Courageous entschied nach der ersten Explosion, ihr Schiff zu verlassen, weil sie bei der Inspektion des Schadens an der Bordwand eine weitere Mine entdeckte, wie die New York Times berichtet.
Dem US-Flugzeugträger setzen die Iraner wendige Schnellboote entgegen
Auch wenn es zunächst widersinnig erscheint, dass Iran solch riskante Operationen unternehmen sollte - sie passen in den Modus Operandi der Revolutionsgarden und in das strategische Denken der radikalen Fraktionen des Regimes, die den Sicherheitsapparat dominieren. Europäische Diplomaten hatten das befürchtet. Iran habe weder politisch noch wirtschaftlich Möglichkeiten, sich effektiv gegen die US-Sanktionen zu wehren, die Präsident Donald Trump verhängt hat, seit er im Mai 2018 den Ausstieg aus dem Atomabkommen verkündete, sagt eine Person, die seit Jahren mit dem Dossier befasst ist: "Sie können nur auf der regionalen oder auf der nuklearen Schiene eskalieren."
Die Revolutionsgarden wissen, dass sie eine militärische Auseinandersetzung mit den USA oder deren hochgerüsteten Alliierten am Golf nicht gewinnen können. Sie haben sich schon lange auf asymmetrische Operationen verlegt, die sie in Syrien, im Irak und im Libanonkrieg 2006 getestet und weiterentwickelt haben. Lassen die USA einen Flugzeugträger als Symbol ihrer Macht durch den Golf kreuzen, setzen die Iraner dem wendige Schnellboote aus Fiberglas entgegen, die vom Radar nur schwer zu orten sind, bewaffnet mit Anti-Schiffsraketen. Oder Sabotageakte mit Mini-U-Booten und Kampftauchern. Aus iranischer Sicht haben sich Guerilla-Taktiken gegen übermächtige Gegner bewährt. Seit dem Einmarsch der Amerikaner im Irak 2003 hat das Regime seinen Einfluss in der Region wie seine Militärpräsenz ausgebaut - und die USA weichen zurück.
Dennoch steht das Regime unter Druck wie selten zuvor. Jahrzehnte der Misswirtschaft, ideologische Auszehrung und die rapide wachsende Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten fallen zusammen mit den US-Sanktionen. Die Ölausfuhren sind von 2,5 Millionen Barrel pro Tag auf unter eine Million gefallen, nach manchen Schätzungen unter 400 000 Barrel. So versiegt die wichtigste Quelle für Staatseinnahmen und Devisen. Mit Sanktionen belegt sind inzwischen auch petrochemische Erzeugnisse und die beschäftigungsintensive Metallindustrie. Zugleich verliert die Landeswährung rasend an Außenwert; die Inflation liegt bei 30 Prozent und könnte laut Weltbank bald 50 Prozent erreichen.
Öl kauft kaum noch jemand in Iran - nicht einmal China
Ein Jahr lang hat die Regierung von Präsident Hassan Rohani sich nach der Kündigung des Atomabkommens durch Trump in Geduld geübt, so die Lesart in Teheran. Außer Solidaritätsbekundungen hätten die Europäer kaum etwas unternommen, lautet der Vorwurf, den sich jüngst auch Bundesaußenminister Heiko Maas von seinem Kollegen Mohammad Dschawad Sarif anhören musste. Man wolle nicht mehr, als in den Genuss der versprochenen wirtschaftlichen Vorteile kommen. Die Europäer verwehren dies Iran nicht aktiv - aber europäische Unternehmen halten sich mit Rücksicht auf Geschäftsinteressen in den USA fern, und Öl kauft auch kaum noch jemand in Iran - nicht einmal China, das die US-Sanktionen lautstark ablehnt.
Im Frühjahr hat Irans Oberster Nationaler Sicherheitsrat, dem Rohani vorsitzt, den verbliebenen Vertragsparteien des Atomabkommens ein Ultimatum gestellt. Es ist der Versuch, Druck auf die Europäer zu üben, die den Vertrag erhalten wollen. Und es ist eine Entscheidung, die auf Betreiben der Ultrakonservativen zustande kam, aber von Rohani mitgetragen wird.
Zugleich nahmen die Spannungen in der Region zu. Rohani drohte, Iran werde die Straße von Hormus blockieren; wenn Iran kein Öl mehr exportieren könne, werde das anderen Ländern auch nicht gestattet. Sarif warnte, wer den "Wirtschaftskrieg" der USA unterstütze, dürfe nicht erwarten, sicher zu sein. Die Revolutionsgarden luden Raketen auf Dhaus, unauffällige Segelschiffe im Golf, und irakische Milizionäre feuerten eine Mörsergranate in die Nähe der US-Botschaft in Bagdad.
Es ist eine Nervenprobe, die einen Krieg auslösen könnte
All das dient dazu, den USA und ihren Verbündeten zu signalisieren, dass ein Angriff mit hohen Kosten verbunden wäre, mit einer Reaktion, die die gesamte Region in Flammen setzen würde - einschließlich Israel. Zugleich werden diese Nadelstiche so gesetzt, dass sie meist nicht ohne einen Rest von Zweifel Iran zuzuordnen sind. Die Zweifel schürte Sarif sofort, er stellte erneut in den Raum, hinter den Attacken stünden Feinde Irans, die einen US-Militärschlag gegen sein Land provozieren wollten - neben Israel und Saudi-Arabien auch Falken in der US-Regierung wie Trumps Sicherheitsberater John Bolton. Restlos auszuschließen ist auch das nicht. Iran weiß um das Glaubwürdigkeitsproblem der USA. Russland warnt vor Vorverurteilungen. Europäer und Chinesen mahnen zu Zurückhaltung, so auch der Generalsekretär der Arabischen Liga am Freitagabend, Ahmed Abul Gheit: "Mein Aufruf an meine iranischen - und ich nenne sie - Brüder: Seid vorsichtig und kehrt euren Kurs um, denn ihr drängt alle in eine Konfrontation, in der niemand sicher wäre, sollte sie passieren." Es ist eine Nervenprobe. Und Leute wie General Salami sind überzeugt, dass Trump blufft, dass Iran sie gewinnt und letztlich die USA aus der Region vertreiben kann. Das Risiko ist groß, dass diese Nervenprobe zu Fehlkalkulationen führt, die dann einen Krieg auslösen, den eigentlich niemand will.