Süddeutsche Zeitung

Krise in Nahost:Iran greift US-Ziele im Irak an

  • Iran hat US-Stützpunkte im Irak mit mehr als einem Dutzend Raketen angegriffen.
  • Über etwaige Todesopfer gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse.
  • Die deutschen Soldaten in Erbil sind dem Einsatzführungskommando zufolge wohlauf.
  • Irans Staatsfernsehen spricht von 80 Toten; Außenminister Zarif bezeichnet die Attacken als "angemessene Schritte der Selbstverteidigung".
  • Irans geistliches und staatliches Oberhaupt, Ajatollah Ali Chamenei, spricht von einem "Schlag ins Gesicht" für die USA. Die US-Truppen müssten die Region verlassen.

Als Vergeltung für die gezielte Tötung des einflussreichen Generals Qassim Soleimani durch die USA hat Iran die US-Truppen im Irak angegriffen. Dies schürt die Furcht vor einer weiteren Eskalation der Nahost-Krise. Iranischen Staatsmedien zufolge wurden Dutzende Boden-Boden-Raketen auf die Basis Ain al-Assad westlich von Bagdad abgefeuert. Die USA hatten zuvor mit massiven Gegenangriffen gedroht.

Irans geistliches Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei spricht von einem "Schlag ins Gesicht" für die USA. Die US-Truppen müssten die Region verlassen, forderte er. Ihre Präsenz sei die Quelle von Korruption. "Die USA sind der Feind Irans."

Das Pentagon bestätigte die Raketenangriffe der Nacht: "Es ist klar, dass diese Raketen aus Iran abgefeuert wurden und dass mindestens zwei Basen angegriffen wurden, in denen US-Truppen untergebracht sind", heißt es in einem Statement des Verteidigungsministeriums. Die zweite angegriffene Basis ist demnach in Erbil im Kurdengebiet im Norden des Irak. Das irakische Militär bestätigt dies.

US-Präsident Donald Trump schrieb auf Twitter: "Alles ist gut." Derzeit werde noch untersucht, ob es Schäden oder Opfer gegeben habe. Bislang sehe es aber gut aus. Die USA hätten das stärkste und am besten ausgerüstete Militär auf der ganzen Welt. Am Mittwochmorgen werde er ein Statement zu den Angriffen abgeben.

Das iranische Staatsfernsehen spricht von 80 getöteten "amerikanischen Terroristen". Außerdem seien Hubschrauber und militärische Ausrüstung des US-Militärs schwer beschädigt worden. Insgesamt seien 15 iranische Raketen auf US-Ziele abgeschossen worden. Keine davon sei abgefangen worden. Trump wolle mit seinem Tweet den Schaden nach dem Angriff herunterspielen, hieß es.

Das irakische Militär teilt mit, es gebe keine Opfer unter den heimischen Truppen. In der Nacht seien aber 22 Raketen auf irakisches Gebiet abgeschossen worden, 17 auf den Luftwaffenstützpunkt Al-Assad und fünf auf den Stützpunkt in Erbil in der Kurdenregion im Nordirak.

Der irakische Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi warnt vor einer gefährlichen Krise, die zu einem "zerstörerischen umfassenden Krieg" im Irak, in der Region und in der Welt führen könne. Über Opfer unter den irakischen Soldaten oder denen der US-geführten Koalition in den angegriffenen Stützpunkten habe Mahdi keine Berichte erhalten, erklärt ein Sprecher des Regierungschefs.

Deutsche Truppen wurden gewarnt

Die deutschen Truppen in Erbil sind laut einem Sprecher des Einsatzführungskommandos wohlauf. "Wir stehen in Kontakt mit den Soldaten. Den Soldaten geht es gut." Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bestätigte das am Morgen in der ARD: "Die erhöhten Schutzmaßnahmen haben gegriffen."

Die Bundeswehr prüft, ob Schäden am Stützpunkt in Erbil entstanden sind. Die deutschen Soldaten seien vor dem Raketenbeschuss gewarnt worden und hätten daraufhin Schutzräume aufgesucht, heißt es in einer Unterrichtung der Obleute des Verteidigungs- und des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.

Einem Medienbericht zufolge wurden auch die US-Soldaten gewarnt. Dank eines frühzeitigen Alarms hätten diejenigen im Gefahrenbereich Zeit gehabt, sich in Schutzbunkern in Sicherheit zu bringen, berichtete CNN unter Berufung auf einen Angehörigen des US-Militärs.

Vergeltungsattacke für den Tod Soleimanis

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Zarif schrieb auf Twitter, Iran habe "gemäß Artikel 51 der UN Charta angemessene Schritte der Selbstverteidigung" unternommen, indem es die Basis angegriffen habe, von der die Attacke auf seine Staatsbürger ausgegangen war. "Wir suchen nicht die Eskalation oder den Krieg, doch wir werden uns gegen jede Agression zur Wehr setzen", schrieb Zarif.

Die Raketenangriffe seien eine Vergeltungsattacke nach dem tödlichen US-Luftangriff auf Soleimani, teilten die Revolutionsgarden in der Nacht zum Mittwoch mit. Ausgeführt worden sei die Aktion von der Luftfahrt-Einheit der Revolutionsgarde, die das iranische Raketenprogramm verantwortet.

Die Revolutionsgarden warnten die USA vor Gegenangriffen. Jede US-Reaktion werde mit einer härteren Reaktion erwidert, teilte die Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte am frühen Mittwoch in einer Presseerklärung mit. Außerdem sollten die Verbündeten der USA wissen, dass auch ihre den Amerikanern zur Verfügung gestellten Stützpunkte Ziel iranischer Angriffe werden könnten, falls von dort aus Angriffe auf Iran erfolgen sollten, hieß es in der Erklärung weiter.

Der US-Präsident hatte zuletzt mehrfach gewarnt, dass jeder iranische Angriff auf US-Bürger oder amerikanische Einrichtungen hart erwidert werden würde.

Milizen-Anführer fordert auch irakische Vergeltung

Nach der Reaktion des Irans auf die gezielte Tötung Suleimanis muss nach den Worten des Milizen-Anführers Kais al-Chasali nun auch der Irak antworten. Die Reaktion des Iraks werde nicht schwächer ausfallen als die des Irans. Neben dem iranischen General hatte das US-Militär auch einen der führenden Kommandeure der irakischen Volksmobilisierungskräfte, Abu Mahdi al-Muhandis, gezielt in Bagdad getötet. Diese vom Iran unterstützte Organisation vereint meist schiitische Milizen. Chasali führt die Miliz Assaib Ahl al-Hak, die die USA als Terror-Organisation einstufen.

Die Führung der halbautonomen Kurdenregion im Irak hält an der Unterstützung durch die US-geführte Koalition im Kampf gegen die IS-Miliz fest. Es dürfe nicht zu einem Wiedererstarken der Extremisten kommen, heißt es in einer Stellungnahme. Eine militärische Lösung werde die Probleme nicht lösen. Die Kurden-Führung äußerte sich besorgt nach dem iranischen Angriff auf von den USA genutzte Stützpunkte im Westen des Iraks und in der Nähe von Erbil, der Hauptstadt der Kurdenregion. Diese dürfe nicht in Rivalitäten hineingezogen werden.

Oman sieht derzeit keine Möglichkeit für eine Vermittlung zwischen den USA und dem Iran. Das sagt Außenminister Jussuf bin Alawi bin Abdullah der kuwaitischen Zeitung Al Rai zufolge am Rande einer Veranstaltung in Teheran. Oman unterhält traditionell Beziehungen zu beiden Ländern.

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