Iran:Raketenrasseln und Twitter-Breitseiten

Iran Rakete Satellit

Hoch hinaus: General Amir Ali Hajizadeh, Leiter der Raumfahrtabteilung der iranischen Revolutionsgarden, vor dem Abschuss des Satelliten. Die Aufmerksamkeit der USA dürfte dabei vor allem der Trägerrakete gelten.

(Foto: Sepahnews/AP)

Teheran feiert den Abschuss seines ersten Militärsatelliten und verstärkt damit die jüngsten Spannungen mit den USA. Washington will den UN-Sicherheitsrat anrufen.

Von Paul-Anton Krüger

Irans Raumfahrtprogramm hat in jüngerer Zeit einige Rückschläge erlitten. Im vergangenen August war eine Trägerrakete aus mysteriösen Gründen beim Start explodiert. Im Februar noch missglückte der Versuch, einen Kommunikationssatelliten in eine Umlaufbahn zu schießen, ebenso zwei weitere Anläufe im vergangenen Jahr. Spekulationen über Sabotage machten die Runde; der jetzige US-Außenminister Mike Pompeo hatte noch als CIA-Chef angeordnet, ein entsprechendes Programm zu beschleunigen. US-Präsident Donald Trump befeuerte sie durch hämische Tweets. Am Donnerstag bestätigte das US-Militär jedoch, dass Iran seinen ersten militärischen Satelliten auf eine Umlaufbahn ins All gebracht hat. Die dreistufige Trägerrakete hatten die Revolutionsgarden am Mittwoch abgefeuert - offenbar ohne, dass zuvor die Vorbereitungen für den Start entdeckt worden wären.

Trump droht Iran mit der Zerstörung von Kanonenbooten

In Iran wird der Start als "großartige Errungenschaft" gefeiert, mitten in der Corona-Krise, die das Land schwer getroffen hat. Der erfolgreiche Satellitenstart soll die Luftwaffe der Eliteeinheit des Militärs rehabilitieren, die verantwortlich ist für den Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeugs am 8. Januar. 176 Menschen waren damals an Bord. Die Luftabwehr hatte die in Teheran gestartete Maschine nach dem militärischen Schlagabtausch mit den USA wegen der Tötung von General Qassem Soleimani für einen US-Marschflugkörper gehalten. Die Spannungen zwischen der Islamischen Republik und den USA erreichen bereits wieder das damalige verhängnisvolle Niveau - der Raketenstart ist nur die letzte Episode der Eskalation.

Über die Fähigkeiten des Militärsatelliten namens Nur, zu deutsch "Licht", ist kaum etwas bekannt. Größere Aufmerksamkeit dürften die Geheimdienste ohnehin auf die Qased-Trägerrakete richten. Sie war von einer mobilen Abschussrampe abgefeuert worden. Zudem kombiniert sie laut den Revolutionsgarden Triebwerke, die mit flüssigen und festen Treibstoffen betrieben werden. Feststoffraketen gelten als für militärische Zwecke besser geeignet, da sie nicht betankt werden müssen. Ein mobiles System ist zudem schwieriger zu entdecken.

Die bei einem Satellitenstart verwendete Technik ist zudem mit Modifikationen auch für den Einsatz in ballistischen Raketen geeignet - und bei deren Entwicklung scheint Iran deutliche Fortschritte zu machen. 2011 war die militärische Entwicklung von Feststoffraketen in Iran durch eine Explosion auf einem Stützpunkt der Revolutionsgarden gebremst worden, bei der deren Chef, General Hassan Tehrani Moghaddam, getötet wurde. Die Revolutionsgarden sprachen damals von einem Unfall, viele Indizien deuteten dagegen auf einen Luftangriff hin.

US-Außenminister Pompeo kündigte an, Iran wegen des Satellitenstarts zur Rechenschaft zu ziehen. Dieser laufe einer Resolution des UN-Sicherheitsrates zuwider, die der Islamischen Republik untersagt, ballistische Raketen zu entwickeln, die geeignet sind, Atomwaffen zu tragen. Iran hält dem entgegen, nie an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet zu haben - was zweifelhaft ist. Pompeo kündigte an, den UN-Sicherheitsrat anzurufen. In der Vergangenheit haben die EU und die Bundesregierung solche Raketenstarts verurteilt und als Bruch der UN-Resolution gewertet.

Der Kommandeur der Revolutionsgarden kündigte Angriffe auf US-Kriegsschiffe an

Fast zeitgleich mit dem Abschuss der Rakete in der zentraliranischen Wüste feuerte US-Präsident Trump auf Twitter eine Breitseite gegen Iran ab: Er habe die Marine angewiesen, "jedes und alle iranischen Kanonenboote abzuschießen und zu zerstören", die US-Schiffe auf See behelligen. Er bezog sich dabei auf einen Vorfall, bei dem laut der US-Marine vor einer Woche elf Schnellboote der Revolutionsgarden im nördlichen Persischen Golf ein Boot der US-Küstenwache und Kriegsschiffe bedrängt hatten und sich dabei dem Küstenwachenboot bis auf zehn Meter näherten.

Der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hossein Salami, kündigte als Reaktion Angriffe auf US-Kriegsschiffe an, sollten diese iranische Schiffe bedrohen. Vergangene Woche hatten die Revolutionsgarden zudem einen ankernden Öltanker geentert, der unter der Flagge Hongkongs fährt. Sie befahlen der Crew, iranische Gewässer anzulaufen, gaben das Schiff nach einer Inspektion aber wieder frei.

Ähnliche Provokationen hatten vergangenes Jahr maßgeblich die Spannungen am Golf befeuert. Auch im Irak hatte es in den vergangenen Wochen wiederholt Angriffe auf amerikanische Ziele gegeben, für die schiitische Milizen verantwortlich gemacht werden, die von Iran kontrolliert werden. Auf solche Angriffe hin hatte im Januar Trump den Drohnenangriff auf General Soleimani in Bagdad befohlen.

Unterdessen blockieren die USA beim Internationalen Währungsfonds eine Kreditanfrage Teherans. Das Regime hat um fünf Milliarden Dollar gebeten, nach eigenen Angaben, um damit die Corona-Epidemie zu bekämpfen. Bislang gibt es nach offiziellen Angaben in Iran mehr als 87 000 Infizierte und knapp 5500 Tote. Die USA argumentieren, Iran werde das Geld für destabilisierende militärische Aktivitäten einsetzen und lehnt deshalb auch jegliche Lockerung der Sanktionen ab.

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