Iran und USA:Krieg der Signale

Iran und USA: Graffiti in der iranischen Hauptstadt Teheran

Graffiti in der iranischen Hauptstadt Teheran

(Foto: AFP)

Beide Länder haben die Kontrolle über ihren Konflikt beinahe verloren. Iran will mit Gewalt der Isolation entkommen, für die USA wird Glaubwürdigkeit zum größten Problem.

Kommentar von Stefan Kornelius

Warum genau Donald Trump einen Angriff auf Iran in letzter Minute abgesagt hat, muss Gegenstand von Spekulationen bleiben. Entweder ist die abgeschossene Drohne tatsächlich über iranischem Territorium geflogen. Damit wäre ein Anlass für den Abschuss gegeben gewesen, und Washington hätte die Begründung für einen Gegenschlag gefehlt. Oder der Präsident merkte tatsächlich, dass ein Militärschlag unberechenbare und unverhältnismäßige Folgen gehabt hätte. Wie auch immer: Die Warnung war eindeutig, noch einmal werden die USA wohl nicht zögern.

Überhaupt muss man die Eskalation der vergangenen Wochen als eine Art Signalübung beider Seiten lesen. Falls Iran tatsächlich hinter den Haftminen-Angriffen auf Öltanker in der Straße von Hormus gestanden hat, falls Iran die Drohne tatsächlich im neutralen Luftraum abgeschossen hat, so handelte es sich immer auch um eine kalkulierte und kontrollierte Provokation, bei der Menschen nicht gefährdet werden sollten.

Verwirrende Motivlage der Kontrahenten

Nicht anders sind die Signale aus Washington zu lesen: Die USA mögen tausend zusätzliche Soldaten an den Golf verlegen oder Aufklärungsdrohnen durch die Luft schwirren lassen (bei deren technologischen Fähigkeiten es übrigens unerheblich ist, ob sie im iranischen Luftraum oder außerhalb fliegen) - jenseits aller martialischer Gesten mangelt es ja nicht an Bekundungen des Präsidenten, dass er eine kriegerische Auseinandersetzung nicht will.

Kaffeesatzleserei ist in Fragen von Krieg und Frieden eine besonders unerfreuliche Disziplin, aber die verwirrende Motivlage der Kontrahenten zwingt geradezu zu Spekulationen. Iran hat seit der einseitigen Kündigung des Nuklearabkommens durch die USA nur ein Ziel: Das Land will der ökonomischen Isolation entkommen, die Washington mit seiner Wirtschaftsmacht geschaffen hat. Die Ölexporte sinken dramatisch, die Wirtschaftskrise kann schnell in eine Existenzkrise des Regimes umschlagen.

Der Weg aus der Isolation ist freilich verbaut. Europa ist zu schwach, um gegen die Drittstaaten-Sanktionen der USA aufzubegehren. China sieht sich in einen eigenen Handelskrieg mit Washington verwickelt und wird wegen geringer iranischer Ölmengen die eigene Lage nicht mutwillig verschlechtern. Bleibt der globale Ölmarkt, der durch die Kriegsgefahr am Golf blitzartig unter Druck geraten ist. Steigende Rohstoffpreise wirken sich unmittelbar auf die Konjunktur aus - in Europa wie auch in China.

Nach iranischer Lesart könnte es also eine Option sein, den Druck umzukehren, die USA in einen kontrollierten Konflikt zu verwickeln, um so etwa neue Verhandlungen zu erzwingen. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat gerade vorgeführt, wie man durch gesteigerte Unberechenbarkeit und Unbotmäßigkeit interessant wird - gerade für diesen Präsidenten. Allein: Iran ist nicht Nordkorea, das Land ist Urheber gravierender regionaler Instabilität, seine destruktive Kraft ist von Jemen bis in die schmale Wasserstraße von Hormus zu spüren. Auch wenn die Nuklearisierung des Landes mithilfe des Atomabkommens unter Kontrolle zu sein schien - ein berechenbarer Akteur war Iran damit noch lange nicht. Klugerweise hätte man Iran für diese regionalen Muskelspiele zur Verantwortung ziehen können, ohne das Nuklearabkommen zu zerstören. Klugheit ist aber nicht Teil der Außenpolitik unter Trump.

Hier kommt der ebenso unberechenbare amerikanische Anteil in die Gleichung. Die Regierung Trump spricht ja nicht mit einer Stimme. Nicht einmal vom Präsidenten selbst könnte man behaupten, dass er eine Strategie verfolge. Trump ist alles in einem: Bellizist und Pazifist, Interventionist und Isolationist. Der Mann verspricht Amerikas Rückzug aus der Welt und will gleichzeitig Ordnungsmacht sein. Er kündigt seinen Wählern die Heimkehr der Soldaten an und stellt gleichzeitig neue Marschbefehle aus. Auf Nordkorea soll Feuer und Zorn herabregnen, ehe die Schalmeien zum Gipfel mit Kim erklingen. Iran wird isoliert und gleichzeitig mit Gesprächsangeboten überschüttet. Wer so widersprüchlich handelt, darf sich nicht wundern, wenn er den Spielraum für Kontrahenten erweitert.

Trump ist hin- und hergerissen

Der Instinktmensch Trump wird niemals Stratege sein. Das ist schlimm genug. Wirklich bedrohlich aber ist, dass es in seiner Umgebung hinreichend Strategen gibt, die sich in rivalisierenden Lagern verschanzt haben. Der Sicherheitsberater und der Außenminister würden wohl einen Krieg gegen Iran in Kauf nehmen, das Militär nicht. Trump selbst ist zwischen seinen Instinkten hin- und hergerissen: Der impulsive, zorngesteuerte Teil des Präsidenten wird Revanche wollen für den Drohnenabschuss. Der Instinktinnenpolitiker Trump weiß, dass seine Chancen auf Wiederwahl nicht steigen, wenn er nun einen unberechenbaren Krieg vom Zaun bricht.

Für die Politik der USA wird Glaubwürdigkeit so zum größten Problem - dem notorischen Lügner Trump sei Dank. Einen Kampf um die öffentliche Meinung wird diese Regierung jedenfalls nicht gewinnen - was wiederum Akteure wie Iran befeuert und ihnen mehr Spielraum für Provokationen an der Grenzen zwischen Krieg und Frieden verschafft.

Trump glaubt womöglich, dass er in einem direkten Treffen mit dem iranischen Präsidenten oder gar dem sogenannten Obersten Führer die Lage unter Kontrolle bringen kann. Das ist eine absurd kindliche Vorstellung, die schon im nicht minder schwierigen Fall Nordkorea zum Scheitern verurteilt war. Wie schwierig der Umgang mit Iran ist, haben die Nuklearverhandlungen gezeigt, bei denen es mehr als 15 Jahre dauerte, einen dünnen Vertrauensfirnis aufzubauen. Wie schnell der zerstört werden kann, haben die vergangenen Monate bewiesen. Die Drohnen-Eskalation sollte beiden Seiten als Warnung dienen. Zu einem Krieg ist es nun nicht mehr weit, zu gewinnen ist er nicht.

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