Atomabkommen:Wer zuckt zuerst?

Atomanlage Iran

Nach eigenen Angaben reichert Iran nur für die zivile Nutzung etwa im Kraftwerk Bushehr Uran an - der Stoff für die Brennstäbe ist aber auch zum Bau der Bombe verwertbar.

(Foto: Abedin Taherkenareh/dpa)

Iran und die USA wollen zurück zum Atomabkommen, fordern aber von der anderen Seite den ersten Schritt. Europa soll nun vermitteln.

Von Paul-Anton Krüger

Von allen Themen, die in einer außenpolitischen Grundsatzrede eines neuen US-Präsidenten zu erwarten sind, ließ Joe Biden in der Nacht zum Freitag eines aus: Iran. Und das, obwohl sein Sicherheitsberater Jake Sullivan von einer "eskalierenden Nuklearkrise" mit der Islamischen Republik spricht, die eine "dringende frühe Priorität" der Regierung sei. Immer näher komme Iran dem Punkt, an dem es über genug spaltbares Material für eine Bombe verfüge, warnte er.

Wie zum Beleg verkündete Irans Botschafter bei der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, Kazem Gharibabadi, jüngst auf Twitter, "dank unserer fleißigen Nuklearwissenschaftler" seien in der Anreicherungsanlage von Natans zwei Kaskaden mit jeweils 348 Zentrifugen des Typs IR-2m in Betrieb genommen worden. Diese seien vier Mal so leistungsfähig wie die bisherigen. Die Maschinen schleudern eine gasförmige Uranverbindung so, dass sich das spaltbare Isotop Uran 235 anreichert - der Stoff, aus dem Brennstäbe sind, aber auch die Bombe.

Bidens Schweigen dürfte dem diplomatischen Kalender geschuldet gewesen sein und der Tatsache, dass er über bereits getroffene Entscheidungen sprechen wollte. Die Strategie für Iran haben Sullivan und Außenminister Tony Blinken zwar grob vorgezeichnet, die Details aber wurden erst am Freitag besprochen. Wie das Nachrichtenportal Axios meldet, war dazu in Washington eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates anberaumt.

"Maximale Diplomatie" statt "maximalem Druck"

"Maximale Diplomatie" statt Donald Trumps "Kampagne des maximalen Drucks" verlangte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Freitag - wohl wissend, dass sich die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands Freitagabend per Videokonferenz zusammenschalten würden. Sie berieten, wie dem moribunden Atomabkommen mit Teheran wieder Leben einzuhauchen sei - ein Ziel, das sowohl Iran als auch die USA teilen. Umstritten ist allerdings der Weg dorthin.

Irans Präsident Hassan Rohani fordert, die USA müssten alle Sanktionen aufheben. Dann werde man umgehend wieder die Bestimmungen des Vertrages einhalten, der Irans Atomprogramm enge Grenzen setzt. Die USA dagegen verlangen, dass zunächst Teheran wieder alle Bestimmungen strikt befolgen müsse, dann werde Washington die einseitigen Sanktionen aufheben, die Trump verhängt hatte.

Zwar ist die iranische Position offenkundig im Regime abgestimmt und vom Obersten Führer Ali Chamenei vorgegeben. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif aber wies am Mittwoch in einem Interview mit dem US-Sender CNN einen Weg aus der Sackgasse: Der EU-Außenbeauftragte Borrell könne "Schritte choreographieren zu einer gleichzeitigen Rückkehr" zu dem Abkommen.

Borrell koordiniert die Gemeinsame Kommission, die über die Umsetzung des Abkommens wacht, wie ein EU-Sprecher betonte. Man bediene sich aber "diplomatischer Kanäle" zur Kommunikation, nicht der Medien. Das Außenministerium in Washington nahm den Vorschlag kühl zur Kenntnis, was aber, so sagte es Sprecher Ned Price, nicht als Ablehnung zu verstehen sei. Man habe noch keine direkten Diskussionen mit Iran gehabt. Zuvor sei eine Reihe von Schritten erforderlich, vor allem "Konsultationen mit unseren Alliierten und Partnern sowie dem US-Kongress".

Europa will noch vor der Präsidentschaftswahl in Iran im Juni zu Ergebnissen kommen

Sarifs Offerte mag als Schachzug gemeint gewesen sein, um die Europäer in Zugzwang zu bringen. Sie wollen das Abkommen erhalten - sich aber nicht gegen die Amerikaner ausspielen lassen. Die Abstimmung mit Washington ist diskret längt im Gange: Blinken hatte Robert Malley zum Sondergesandten für Iran ernannt. Er war schon unter Präsident Barack Obama Mitglied des Verhandlungsteams. Malley hat mit hochrangigen Diplomaten in Europa gesprochen, sein Chef Tony Blinken klinkte sich am Freitagabend noch in die Videokonferenz seiner drei europäischen Kollegen ein.

Die Außenminister seien sich einig gewesen, dass sie "die traditionell enge transatlantische Zusammenarbeit wiederaufleben lassen und globale Herausforderungen künftig gemeinsam angehen wollen", hieß es danach aus dem Auswärtigen Amt. Der erste vertiefende Austausch der Außenminister seit Amtseinführung von Präsident Biden sei geprägt gewesen durch "eine vertrauensvolle und konstruktive Atmosphäre".

Erwartet worden war, dass die Ressortchefs über Zeitpläne sprechen, die mögliche Abfolge von Annäherungsschritten - derartige Signale hatte Blinkens Sprecher nicht ausgeschlossen. Ergebnisse wurden nicht mitgeteilt - das würde die ohnehin komplizierte Diplomatie mit Iran erschweren. Klar ist hingegen: Die Amerikaner wie die Europäer sehen die Rückkehr zum Atomabkommen nur als einen ersten Schritt. Zumindest die Europäer wollen ihn noch vor der Präsidentenwahl in Iran Mitte Juni erreichen, bei der Rohani nicht wieder antreten darf.

Dann aber müssen ihrer Ansicht nach Gespräche über das auch von vielen Nachbarstaaten als bedrohlich wahrgenommene Raketenprogramm folgen und auch über die Regionalpolitik Teherans in Syrien, Libanon, Irak oder Jemen. Das lehnt Iran ebenso entschieden ab wie die Einbindung seiner regionalen Rivalen Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate, die Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron ins Spiel gebracht hatte. Irans neue Regierung wird da zweifellos nicht aufgeschlossener sein.

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