Süddeutsche Zeitung

Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran:Ayatollahs gegen Könige

Saudi-Arabien und der Iran werden beide streng islamisch regiert - und stehen trotzdem für völlig unterschiedliche Welten.

Von Tomas Avenarius

Die Bild-Zeitung titelt, wie so oft, kurz, prägnant - und ein bisschen daneben. "Krieg der Bärte" schreibt das Blatt über den Streit zwischen Saudi-Arabien und Iran. Kurz und prägnant, weil strenggläubige Muslime eben lange Bärte tragen und beide Länder streng islamisch regiert werden.

Knapp daneben, weil das Königreich Saudi-Arabien und die Islamische Republik Iran sonst wenig gemein haben: Grundverschiedener könnten zwei islamische Staaten nicht sein als die reaktionär ausgerichtete Saudi-Monarchie und die sich bis heute noch gelegentlich revolutionär gebende iranische Theokratie. Das erklärt viele der Konflikte zwischen den zwei Ölmächten am Persischen Golf. Sie tragen ihren Streit auf zahlreichen Bühnen aus. Ein Überblick:

Reaktionäre Monarchie gegen revolutionären Gottesstaat

Saudi-Arabien ist eine absolutistische Öl- und Wüstenmonarchie, die weder eine Verfassung noch einen alle Rechtsbereiche umfassenden Gesetzeskodex hat. Stattdessen ist das islamische Recht der Scharia Grundlage für Teile der Gerichtsbarkeit. Von Demokratie kann keine Rede sein: Die vor Kurzem zum ersten Mal abgehaltenen Lokalwahlen waren mehr Feigenblatt als Grundsatzentscheidung.

Eine Theokratie, also ein islamischer Gottesstaat wie Iran, ist Saudi-Arabien jedoch nicht. Fundament des Staates ist das Bündnis zwischen der Dynastie der al-Saud und der streng sunnitisch-wahabitischen Geistlichkeit, Legitimation ist die "Hüterschaft über die Heiligen Stätten Mekka und Medina". Diese Hüterschaft verleiht den Saudi-Königen neben dem Öl länderübergreifend Macht.

Wie rückwärtsgewandt die Wahabiten-Könige sind, zeigen die Lage der Frau und die der Opposition. Frauen haben im öffentlichen Leben fast keine Mitsprache, unterliegen der Vormundschaft durch Ehemann, Vater, Bruder oder ältesten Sohn, dürfen weder selbständig reisen noch Auto fahren. Oppositionelle bekommen die volle Härte des Staats zu spüren. Ein Beispiel ist der hingerichtete Schiiten-Scheich Nimr Bakr al-Nimr, ein anderes der säkulare Freidenker Raif Badawi, der wegen angeblich gotteslästerlicher Texte zu 1000 Rutenhieben verurteilt wurde.

Die Islamische Republik Iran hingegen ist durch eine Revolution entstanden. Im Vordergrund stand für Ayatollah Ruhollah Khomeini 1979 nicht nur das religiöse Anliegen, das iranische Kaiserreich in einen schiitischen Gottesstatt umzuwandeln, in dem der "Geistliche Führer" das letzte Wort in allen Staatsfragen hat, auch wenn alle vier Jahre ein Parlament direkt gewählt wird. Die Revolution hatte in den Gründerjahren auch ein sozialrevolutionäres Anliegen, wurde von liberal-bürgerlichen und linken Kräften mitgetragen. Mit der Revolution verlieh Khomeini den Schiiten Selbstbewusstsein: Das Modell der "Regierung des Geistlichen Führers", sollte Vorbild für Schiiten weltweit sein, ihre Recht einzufordern und selbst zu regieren.

Sunniten gegen Schiiten

Beide Staaten fühlen sich als Führer ihrer Glaubensrichtung. Sie nutzen das historische Schisma des Islam für politische Zwecke. So verwehren die Saudis ab und an Iranern den Zugang zu den Heiligen Stätten, während die Iraner ihrem Gegner Korruption bei der Verwaltung der islamischen Gründerorte vorwerfen.

Araber gegen Perser

Der Islam stammt aus Arabien, seine Kultur aber ist zu einem guten Teil persisch. Als Mohammeds Armee Persien eroberten, übernahmen sie weite Teile einer hoch entwickelten Zivilisation. Das lässt viele Iraner bis heute auf Araber herabschauen.

Atomprogramm

Hauptärgernis für die Saudis ist der Kompromiss, den der Westen 2015 mit den Iranern in der Atomfrage gefunden hat. Die Bereitschaft der Perser, ihr Atomprogramm herunterzufahren und transparenter zu machen, lässt Riad fürchten, dass Teheran in Zukunft bevorzugter Partner der USA und Europas sein wird. Zudem fürchten die Saudis, dass Iran seine Atomforschung heimlich betreibt und demnächst die Bombe hat. Dann wäre der sunnitisch-schiitische Wettstreit zu Gunsten der Iraner entschieden.

Der Persische Golf

Der Streit um die zentrale Wasserstraße für die weltweite Öl- und Gasversorgung beginnt schon beim Namen: Während Teheran den international eingebürgerten Begriff "Persischer Golf" verwendet, sprechen Saudis und andere Araber vom "Arabischen Golf". Hinter dem Namenszirkus steht ein Interessenkonflikt. Um den Golf zu kontrollieren, hat Iran umstrittene Inseln im Golf unter Kontrolle gebracht.

Der Krieg in Syrien

Als 2011 der sunnitische Aufstand gegen Diktator Baschar al-Assad begann, floss sofort saudisches Geld. Assad war Partner der Iraner - Grund genug für die Saudis, den Umsturz des einer kleinen Schiiten-Sekte angehörenden, aber säkular regierenden Herrschers zu betreiben. Dank der Waffenhilfe Irans hält sich Assad bisher. Ein weiterer Rückschlag für Riad ist, dass die Perser nun offiziell Teil der Friedensbemühungen in dem arabischen Land geworden sind, was Assad weiter stärkt.

Der Krieg in Jemen

Das bitterarme Land ist der Hinterhof der Saudis. Nach dem Arabischen Frühling und dem Sturz des alten Regimes wollten die Saudis das Chaos beenden und eine ihnen genehme Regierung installieren. Zugleich gewann die lange schwelende Rebellion der Huthis an Fahrt, sie verstehen sich als Schiiten: Die Saudis warfen Iran sofort vor, den Huthis Waffen zu liefen, um das Land zu Teherans Satelliten zu machen. König Salman begann einen Luftkrieg gegen die Huthis, mit geringem Erfolg.

Schiiten in Saudi-Arabien

In den Ölgebieten Saudi-Arabiens im Osten lebt eine schiitische Minderheit, die klar benachteiligt wird: Fehlender schiitischer Religionsunterricht und Sperren beim Moscheenbau lassen die Schiiten von Marginalisierung sprechen, ebenso wie beim Mangel an Jobs. Die Protestbewegungen werden oft von Scheichs geführt, unter denen es Moderate gibt, aber auch Radikale wie den nun hingerichteten Scheich Nimr. Wie viel die Iraner mit all diesen Schiiten-Protesten zu tun haben, ist unklar.

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Quelle:
SZ vom 05.01.2016/jly
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