Iran und die USA:Ende der Hoffnung

Verdacht der Wahlfälschung, Streben nach Atomwaffen: Iranische Exzesse stürzen Obama ins Dilemma. Wie soll er mit dem skrupellosen Machthaber Ahmadinedschad ins Gespräch kommen?

S. Kornelius

Sieben Monate und ein paar Tage nach der Wahl des amerikanischen Präsidenten, vier Monate und ein paar Tage nach der Wahl des israelischen Ministerpräsidenten und eine gute Woche nach der Parlamentswahl im Libanon kehrt die Realität mit all ihrer Härte und ihrem Zynismus in die Nahost-Politik zurück. Die Zeit der großen Reden und der kühnen Visionen scheint zunächst zu Ende zu gehen. Der Jahrhundertkonflikt um Recht und Gerechtigkeit, Modernität und Frieden reduziert sich wieder auf kleinteilige Taktik. Die Hoffnung auf große Entwürfe schwindet.

Iran und die USA: Skrupelloser Machthaber: Mahmud Ahmadinedschad

Skrupelloser Machthaber: Mahmud Ahmadinedschad

(Foto: Foto: dpa)

Nach der Amtszeit von George W. Bush war klar gewesen, dass eine neue, belastbare Nahost-Politik der USA erst am zweiten Juni-Wochenende 2009 möglich sein würde. Der iranische Wahltermin markierte seit Monaten das Ende einer langen und scheinbar unbeschwerten Phase des Übergangs.

Präsident Barack Obama hat diese Zeit geschickt genutzt, um Amerikas Glaubwürdigkeit aufzupolstern. Seine Rede an der Universität von Kairo markierte den Scheitelpunkt einer Hochgeschwindigkeitswende.

Keine amerikanische Regierung der vergangenen Jahrzehnte hat in derart kurzer Zeit so viel außenpolitischen Kredit angehäuft und sich derart radikal von einer fehlgeleiteten Politik verabschiedet. All dies hat Hoffnungen auf eine neue Zeit im Nahen Osten genährt.

Heute, in den Tagen nach der iranischen Präsidentschaftswahl, weiß man, dass Obama in Vorleistung gegangen ist. Er hat einseitig gehandelt und damit Amerikas Glaubwürdigkeit und den Handlungsspielraum seiner Regierung erhöht. Aber für einen Handel im Nahen Osten braucht es mindestens zwei.

Obama fehlt nun der Handelspartner, und all die luftigen Vorstellungen über eine radikale Zeitenwende in der Region zerschellen unter den Prügeln der iranischen Milizen, die mit ihren Motorrädern in die Demonstrantenmenge preschen und mit dem Schlagstock und dem Gewehr den Glauben an ein unglaubliches Wahlergebnis einzuhämmern versuchen.

Die iranischen Exzesse stürzen Obama in ein echtes Dilemma. Natürlich musste der amerikanische Präsident damit rechnen, dass Mahmud Ahmadinedschad im Amt bleiben würde. Washington war darauf vorbereitet, auch weiterhin mit der alten Regierung zu sprechen. Der Verdacht auf massive Fälschung des Wahlergebnisses aber hat ein neues Machttableau und eine innere Zerrissenheit in Iran offenbart, die jede Annäherung an Teheran erschweren.

Die Radikalität der iranischen Herrschaftsclique

Die aktuellen Ereignisse dort zeigen auch, zu welcher Radikalität die Herrschaftsclique um den Präsidenten fähig ist. Sie zwingen jeden potentiellen Gesprächspartner Irans, neben einer großen Portion Realismus auch ein Quäntchen Moral in die Beurteilung einfließen zu lassen: Kann ein amerikanischer Präsident also mit diesem skrupellosen Machthaber ins Gespräch kommen?

Darf man einen derart offensichtlichen Wahlbetrug indirekt gutheißen, indem man den Profiteur des Machtspiels anerkennt? Welche Wirkung würden offizielle Kontakte bei der Opposition in Iran auslösen, die sich doch gerade wegen der Öffnungsrhetorik aus Washington neue Hoffnung auf einen Wechsel im eigenen Land gemacht hatte?

Die Umstände der Wiederwahl Ahmadinedschads machen es unwahrscheinlich, dass der iranische Präsident eine auf Ausgleich bedachte Außenpolitik betreiben wird. Die von ihm beförderte Selbstisolation wird sich eher noch verfestigen. Ein Präsident Ahmadinedschad bezieht seine Stärke aus seiner kraftmeiernden Rhetorik und der tatsächlichen strategischen Macht, die Iran unter seiner Führung mit großer Sicherheit aus dem Besitz von Nuklearwaffen ableiten will.

Obamas Handlungsfreiheit wird außerdem durch die Abnabelung der israelischen Politik von den amerikanischen Reformplänen erschwert. Premierminister Benjamin Netanjahu wird den Zeitpunkt seiner als "grundsätzlich" eingestuften Rede nicht zufällig gewählt haben - nach der Entwicklung im Iran jedenfalls war dem israelischen Premier bewusst, dass nicht er in Vorleistung zu treten hat.

Grundsätzlich musste Netanjahu also gar nicht werden. Wer jetzt das Bekenntnis des Premiers zu einem eigenen Staat Palästina lobt, der sollte nicht unterschlagen, welchen Bedingungskatalog Netanjahu an seine Mini-Konzession geknüpft hat.

So muss Barack Obama feststellen, dass politischer Fortschritt im Nahen Osten nicht mit heißem Herzen und einfühlsamer Rhetorik zu erzielen ist. In einer Schonzeit von sieben Monaten konnte er unwidersprochen seine Vision einer kompromissbereiten Welt im Nahen Osten entwerfen. Nun fordert die Realität ihren Tribut.

In Israel regiert eine konservative Mehrheit, die sich nach den Ereignissen von Teheran mehr denn je in ihrem Misstrauen bestätigt sieht. Und in Iran wird sich - wenn die Proteste erstickt sind - ein kraftstrotzendes, vom Militär und den Sicherheitskräften getragenes Regime etabliert haben, das einen großen Machtanspruch in der Region erhebt und dem eigenen Volk die Freiheit im Inneren nimmt. Die Kluft zwischen diesen Polen ist zu groß, als dass sie ein amerikanischer Visionär überbrücken könnte.

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