Atomabkommen:Trump hilft den iranischen Scharfmachern

Die Hardliner in Teheran setzen auf Konfrontation. Manch ein Diplomat fürchtet jetzt eine Eskalationsspirale, die sich nicht mehr unter Kontrolle bringen lässt.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Eines mindestens hat Irans Präsident Hassan Rohani mit Donald Trump gemeinsam: Beide versuchten, möglichst unberechenbar zu bleiben. Maximale Verunsicherung gleich maximaler Handlungsspielraum und größtmögliches Drohpotenzial, so scheint die Gleichung zu lauten im Streit um das Atomabkommen. Tatsächlich geht Iran seit einiger Zeit vom Szenario aus, dass Trump den Deal kippt. Am Dienstagabend nun bewahrheitete sich das: Trump kündigte den Rückzug aus dem Abkommen an - und dass er Sanktionen der höchsten Stufe wieder einsetzen werde; das lässt darauf schließen, dass er alle mit dem Abkommen verbundenen Erleichterungen kassiert. Dem US-Finanzministerium zufolge treten alle Strafen binnen sechs Monaten wieder in Kraft. Die möglichen Reaktionen darauf sind in Teheran heftig umstritten zwischen Hardlinern und der regierenden Allianz aus Konservativen und Reformern; auch das ist einer der Hintergründe für widersprüchliche Äußerungen.

"Unsere Atomenergiebehörde ist bestens vorbereitet für Maßnahmen, die sie erwartet, und Maßnahmen, die sie nicht erwartet", kündigte Rohani vor ein paar Tagen sibyllinisch an. Seine eigene politische Zukunft ist eng mit dem Abkommen verknüpft. Er hatte es gegen massiven Widerstand der Ultrakonservativen und der Revolutionsgarden durchgesetzt - sie würden nichts lieber sehen als ein Ende des Vertrags, um dann zu versuchen, Rohani zu stürzen, wie Vizepräsident Eshag Dschahangiri am Dienstag warnte.

Rohani bekräftigte nach Trumps Auftritt, Iran halte an dem Abkommen fest. "Wir haben statt eines Abkommens mit sechs Staaten nun eines mit fünf", sagte er in einer Fernsehansprache. "Wir lassen nicht zu, dass Trump diesen psychologischen Krieg gewinnt." In den nächsten Wochen würden iranische Diplomaten mit den anderen fünf Verhandlungspartnern das weitere Verfahren besprechen. Schon am Morgen vor Trumps Rede zeigte sich Rohani konziliant. Seine Regierung wolle eine rationale, konstruktive Zusammenarbeit mit der Welt, "quasi eine Win-win-Situation für alle", sagte er bei einer Ölkonferenz in Teheran. In den kommenden Monaten könne es Schwierigkeiten geben. "Aber auch das werden wir überleben." Gespräche mit den Amerikanern erklärte Dschahangiri allerdings für sinnlos; darauf würden sich nur noch "Naive" einlassen. Rohani sprach von einer "historischen Erfahrung", dass sich die USA nicht an geschlossene Vereinbarungen hielten. Trump sagte, er schließe nicht aus, einen neuen Deal zu verhandeln - und Iran werde der Sanktionen wegen darum bitten. Vor wenigen Tagen hatte Irans Botschafter in London, Hamid Baeidinejad, noch gewarnt, wenn sich die USA aus dem Abkommen zurückzögen "heißt das, dass nichts von dem Deal übrig bleibt". Außenminister Mohammed Dschawad Zarif, auf iranischer Seite der Architekt des Vertrags, sagte deutlich weniger absolut, es gebe keinen Grund für Iran, im Abkommen zu bleiben, wenn "die Gegenleistungen sich vermindern". Rohani verlangte, die EU müsse Iran garantieren, weiter von der Aufhebung der Sanktionen zu profitieren. Genau das haben Frankreich, Großbritannien und Deutschland in Aussicht gestellt.

Fraglich ist jedoch, ob sich Rohani im Machtkampf zu Hause durchsetzen kann. Der wurde jüngst mit zunehmender Schärfe ausgetragen. Die Hardliner würden am liebsten die Urananreicherung wieder hochfahren, das ins Ausland verlagerte Uran zurückfordern, das Abkommen für hinfällig erklären. Das würde wohl eine scharfe Eskalation nach sich ziehen, die letztlich auch einen Militärschlag der USA oder Israels wieder als Option erscheinen ließe. Die Atomverhandlungen hatten das Ziel zu verhindern, dass Iran sich der Schwelle nähert, über genug Uran für einen Sprengkopf zu verfügen - da aber wäre Teheran wohl in absehbarer Zeit wieder.

Auch Rohani schloss nicht aus, dass die Anreicherung wieder hochgefahren wird. Technisch wäre das nicht sonderlich kompliziert. Auch könnte Teheran die im Abkommen vorgesehenen zusätzlichen Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) stoppen; dann wäre sie auf die normale Überwachungsvereinbarung beschränkt, die unabhängig davon gilt. Nichts außerhalb des Abkommens aber hindert Iran daran, seine Aktivitäten zu beschleunigen, auszubauen, Uran auch auf höheres Niveau anzureichern.

Iran, six world powers reach historical nuclear deal

Iran könnte die Urananreicherung wieder hochfahren: Experten der Internationalen Atomenergiebehörde im iranischen Isfahan.

(Foto: Abedin Taherkenareh/dpa)

Ein extremer Schritt, den Ali Schamkhani in den Raum stellte, Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats und Vertrauter des Obersten Führers Ali Khamenei, wäre ein Rückzug aus dem Atomwaffensperrvertrag. Das hatte Nordkorea im Jahr 2003 gemacht. Manche in Teheran glauben, dass es eines Schocks bedürfe, um mit Trump ins Geschäft zu kommen. Damit würde es aber für die Europäer unmöglich, an dem Abkommen festzuhalten.

Wahrscheinlicher ist, dass Iran den Mechanismus zur Streitschlichtung aus dem Vertrag nutzt: Damit kann Teheran die Europäer zwingen, Farbe zu bekennen und die USA eines Vertragsverstoßes zu bezichtigen. Washington wäre isoliert, Berlin, London und Paris fänden sich an der Seite von Moskau und Peking wieder, die Trump vor einem Ausstieg gewarnt haben. Iran hat großes Interesse daran, dass Europa die Sanktionen ausgesetzt lässt - mit den USA gibt es aufgrund anderer Embargo-Vorschriften ohnehin kaum Handel. Auch könnte Teheran die EU drängen, Iran-Geschäfte in Euro abzuwickeln sowie Firmen und Banken gegen die Drittwirkung der US-Sanktionen zu schützen. Die Sanktionen, deren Aussetzung nun am 12. Mai ausläuft, zielen auf Irans Ölexporte, die wichtigste Einnahmequelle der Regierung. Die größten Abnehmer sind China, die EU, Südkorea, Indien und die Türkei.

Donald Trump, 9. September 2015

"Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich ein Geschäft gesehen, das so inkompetent ausgehandelt worden ist wie unser Vertrag mit Iran."

Teheran kann aber auch die Auseinandersetzung mit den USA und deren Verbündeten Israel und Saudi-Arabien im Nahen Osten und angrenzenden Regionen verschärfen - Syrien, Irak, Libanon, Jemen, Afghanistan, Straße von Hormus lauten die Stichworte. Dies entzieht sich weitgehend der Kontrolle Rohanis. Es sind die Revolutionsgarden, die mit Billigung Khameneis dort Irans Politik bestimmen. Gerade hat die Hisbollah bei der Parlamentswahl in Libanon ihren Griff auf das Land verstärkt. In Syrien errichten die Revolutionsgarden Militärstützpunkte und befehligen etwa 80 000 schiitische Milizionäre. Am Samstag gehen die Iraker an die Urnen. Dort galt bisher die stillschweigende Verständigung zwischen Iran und den USA auf Premier Haidar al-Abadi. Wenn Iran aber seinen Druck auf Bagdad erhöht, könnte das zum Ende der US-Truppenpräsenz führen. Damit wären auch die US-Soldaten in Syrien von ihrer Logistik abgeschnitten; Angriffe iranisch gesteuerter Milizen auf US-Verbündete und Amerikaner in Syrien hat es wiederholt gegeben.

Und Israel rechnet nach dem eskalierenden Schlagabtausch der vergangenen Monate mit einem Angriff iranischer Kräfte von dort. Im Persischen Golf könnte die Marine der Revolutionsgarden US-Kriegsschiffe provozieren; die "wahren Fähigkeiten" dieser Kräfte seien noch gar nicht bekannt, tönte jüngst ihr Kommandeur, Admiral Ali Fadavim, im Staatsfernsehen.

In Israel und Saudi-Arabien stehen zwei der wichtigsten US-Verbündeten in der Region an der Seite Trumps. Israel hat offenbar zeitgleich zur Erklärung Trumps iranische Kräfte in Syrien angegriffen. Manch ein Diplomat in der Region sieht schon den großen Sturm heraufziehen, eine Eskalationsspirale, die sich nicht mehr unter Kontrolle bringen lässt, weil auf allen Seiten die Falken Oberhand gewinnen. Es ist die Unberechenbarkeit auf allen Seiten, die solche Befürchtungen beflügelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: