Süddeutsche Zeitung

Massenproteste:Iran löst Sittenpolizei auf

Seit mehr als zwei Monaten halten die Massenproteste nach dem Tod von Mahsa Amini an. Nun reagiert das Parlament.

Nach anhaltenden Massenprotesten in Iran hat sich Präsident Ebrahim Raisi Medienberichten zufolge mit mehreren Ministern zu einem Krisengipfel getroffen. Am Samstagabend hatte Raisi sich nach Angaben des Präsidialamts mit Parlamentspräsident Mohammad-Bagher Ghalibaf und Justizchef Gholam-Hussein Mohseni-Edschehi beraten. Am Sonntag erklärte Generalstaatsanwalt Mohammed-Dschafar Montaseri, die Sittenpolizei im Land sei aufgelöst worden.

"Die Sittenpolizei hat nichts mit der Justiz zu tun und wurde entlassen", sagte er der Siasat Daily zufolge auf die Frage eines Teilnehmers, warum die Entscheidung während einer religiösen Konferenz beschlossen wurde.

Die Sittenpolizei war unter dem strenggläubigen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad gegründet worden, um "die Kultur der Sittsamkeit und des Hijab zu fördern". Sie hatte Proteste gegen das System provoziert, als sie die iranische Kurdin Mahsa Amini verhaftete, weil sie die Zwangsvorschriften für das Tragen eines Kopftuchs nicht eingehalten haben soll. Die 22-Jährige war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben.

Untersuchungsausschuss geplant

In einem ungewöhnlichen Schritt hat Iran außerdem die Einsetzung eines "Untersuchungsausschusses" angekündigt, der die Gründe für die seit mehr als zwei Monaten andauernden Proteste im Land klären soll. Allerdings sollen weder Demonstranten oder Systemkritiker noch andere politische Parteien daran teilnehmen, erklärte Innenminister Ahmad Wahidi laut Nachrichtenagentur Ilna am Sonntag.

Präsident Raisi plante bereits seit längerem als eine Art "Versöhnungsgeste" ein Forum, um auch mit Kritikern die mehr als zwei Monate andauernden Proteste im Land zu diskutieren und Differenzen auszuräumen.

Kritiker gaben allerdings zu bedenken, dass eine Untersuchung der Proteste ohne Teilnahme von Protestvertretern oder Oppositionspolitikern keine konstruktiven Ergebnisse erzielen würde. Manche bezeichneten den Vorschlag als "absurd".

Seit Aminis Tod demonstrieren landesweit Tausende Menschen gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem. Nach Angaben von Staatsmedien sollen mittlerweile Hunderte Menschen angeklagt worden sein, allein in Teheran sollen sich 315 Demonstranten vor Gericht verantworten. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurden Zehntausende verhaftet und mindestens 240 getötet.

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