Iran:Sieg mit Nachgeschmack

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In Iran gewinnen die Hardliner wie erwartet die Parlamentswahl. Wäre da nicht die geringe Wahlbeteiligung im Land, die das Regime schlecht dastehen lässt. Der Oberste Führer findet dafür einfach seine eigene Erklärung.

Von Paul-Anton Krüger, München

Für den ehemaligen Bürgermeister von Teheran sieht es gut aus: Die Hardliner könnten mit Mohammed Bagher Ghalibaf den neuen Parlamentspräsidenten stellen. (Foto: Rouzbeh Fouladi/imago images)

In Iran hat sich am Wochenende der erwartet klare Sieg der Ultrakonservativen bei der Parlamentswahl abgezeichnet, allerdings auch eine Vertrauenskrise in das Regime. Das iranische Staatsfernsehen meldete am Sonntag, die Hardliner hätten bei der Abstimmung am Freitag alle 30 Sitze in der Hauptstadt Teheran gewonnen, die bislang ausschließlich von Reformisten gehalten wurden und politisch als besonders bedeutend gelten. Laut der halbamtlichen Nachrichtenagentur Tasnim gingen mehr als 220 der 290 Mandate an Ultrakonservative oder Konservative.

Von den Reformern, bislang die stärkste Gruppe in der Madschlis, schafften nach vorläufigen Angaben aus den Provinzen nur 15 den Einzug. Es ist ihre schwerste Niederlage, seit das Regime 2009 die Grüne Revolution gewaltsam niederschlug. Allerdings hatte der Wächterrat die meisten ihrer Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen, nur für etwa 60 der Mandate wurden Bewerber aus ihrem Lager überhaupt zugelassen.

Das Coronavirus hätte die Menschen von der Stimmabgabe abgehalten, sagt Chamenei

Als sicher galt ein politisches Comeback von Mohammed Bagher Ghalibaf, der zwölf Jahre lang Bürgermeister der Hauptstadt war. Der frühere Kommandeur der Luftwaffe der Revolutionsgarden kann sich Hoffnungen machen, neuer Parlamentssprecher zu werden und Ali Laridschani abzulösen, einen moderat Konservativen, der Präsident Hassan Rohani unterstützt. Ghalibaf war 2017 gezwungen worden, seine Präsidentschaftskandidatur zugunsten von Ebrahim Raisi zurückzuziehen, der als Favorit des Obersten Führers Ayatollah Ali Chamenei galt. Raisi unterlag Rohani klar, Chamenei hat ihn aber inzwischen zum Chef der Justiz befördert, die der Kontrolle der Regierung entzogen ist; Raisi gilt als möglicher Nachfolger Chameneis.

Ebenfalls im Parlament vertreten sein sollen mehrere frühere Minister, die unter Präsident Mahmud Ahmadinedschad gedient hatten, sowie Fereydun Abbasi-Davani, ein Nuklearwissenschaftler, der Ziel eines Anschlags geworden war und später die Iranische Atomenergieorganisation geleitet hatte. Ahmadinedschad war mit eher traditionell ausgerichteten Ultrakonservativen in Konflikt geraten und weitgehend vom politischen Prozess ausgeschlossen worden. Bei einer Nachwahl zum Expertenrat, jenem 88-köpfigen Kleriker-Gremium, das den Obersten Führer wählt und ihn theoretisch auch absetzen könnte, kehrte der 86-jährige Ayatollah Mesbah Yazdi in das Gremium zurück. Der Fundamentalist gilt als Mentor Ahmadinedschads.

Wie Innenminister Abdolreza Rahmani Fazli am Sonntag im Staatsfernsehen bekannt gab, erreichte die Wahlbeteiligung nur 42,57 Prozent, der mit Abstand niedrigste Wert in der Geschichte der Islamischen Republik; die bisher geringste Beteiligung lag bei 51 Prozent im Jahr 2004. Bei der Wahl vor vier Jahren hatten noch 62 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben; das Regime hatte eine ähnlich hohe Beteiligung erhofft. Sie gilt dem Regime als Gradmesser seiner Legitimität. Eine freie Wahl gibt es ohnehin nicht - der Wächterrat schließt alle Kandidaten aus, die dem Regime ideologisch als nicht zuverlässig gelten. In der Provinz Teheran stürzte die Beteiligung von 50 Prozent auf nur noch 26,2 Prozent ab, wie Fazli sagte.

Irans Oberster Führer, Ayatollah Ali Chamenei, führte die geringe Wahlbeteiligung auf "Propaganda der Feinde Irans" zurück. Insbesondere hätten sie die Bedrohung durch das Coronavirus übertrieben, um die Menschen von der Stimmabgabe abzuhalten. Chamenei hatte die Stimmabgabe zur "religiösen Pflicht" erklärt. Die Behörden hatten die Öffnung der Wahllokale mehrmals bis Mitternacht verlängert, offiziell wegen des großen Andrangs.

Am Mittwoch waren in der heiligen Stadt Qom offiziell die ersten beiden Todesfälle gemeldet worden, die auf das Virus zurückgehen, inzwischen stieg die amtliche Zahl auf acht Tote und 43 Infizierte. Iran hatte dessen ungeachtet die Wahl am Freitag ebenso wie das Freitagsgebet abgehalten, inzwischen aber den Betrieb von Schulen in Teheran und Universitäten in insgesamt zehn Provinzen eingestellt, darunter in den Großstädten Isfahan und Qom.

Der Umgang mit dem Coronavirus könnte das Misstrauen großer Teile der Bevölkerung gegen das Regime weiter verschärfen. Die Tötung des Revolutionsgardengenerals Qassim Soleimani durch die USA hatte auch Menschen zu den Trauerzügen getrieben, die das Regime nicht unterstützen. Jedoch war das Vertrauen der Menschen bereits erschüttert worden, als sich herausstellte, dass das Regime drei Tage lang versucht hatte zu vertuschen, dass die Revolutionsgarden versehentlich ein ukrainisches Passagierflugzeug kurz nach dem Start auf dem internationalen Flughafen von Teheran abgeschossen hatten. Unter den 176 Menschen an Bord, die alle getötet wurden, waren viele Iraner.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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