Diplomatie:Auswärtiges Amt bestellt Leiter der iranischen Botschaft ein

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Die undatierte Aufnahme zeigt den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd in einem Teheraner Gericht. (Foto: Koosha Falahi/Mizan/dpa)

Nach der Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Sharmahd protestiert auch der deutsche Botschafter in Teheran auf das Schärfste. Der Aktivist war wegen angeblicher Terrorvorwürfe von einem iranischen Gericht zum Tode verurteilt worden.

Das Auswärtige Amt hat den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin einbestellt, um gegen die Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Jamshid Sharmahd zu protestieren. „Wir haben unseren scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes übermittelt & behalten uns weitere Maßnahmen vor“, teilte das Ministerium auf der Plattform X mit. Parallel dazu habe auch der deutsche Botschafter beim iranischen Außenminister in Teheran gegen die Ermordung protestiert. Außenministerin Baerbock habe den deutschen Botschafter zu Konsultationen nach Berlin zurückberufen.

Plattform X

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Das offizielle iranische Justizportal Misan hatte die Vollstreckung des Todesurteils gegen Sharmahd verkündet, das Anfang 2023 wegen Terrorvorwürfen verhängt worden war. Bereits an der Verurteilung hatte es viel internationale Kritik gegeben. Obwohl Iran die Todesstrafe rigoros vollstreckt, sind Hinrichtungen westlicher Ausländer äußerst selten.

Iranische Agenten entführten den in den USA lebenden Unternehmer und Journalisten im Sommer 2020 auf einer Geschäftsreise in Dubai. Sie brachten ihn nach Iran und folterten ihn. Ein Revolutionsgericht in Teheran machte ihn für einen Terroranschlag verantwortlich und unterstellte ihm die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten. Gemäß islamischer Rechtsauffassung wurde Sharmahd wegen „Korruption auf Erden“ verurteilt. Objektive Beweise gibt es für die Vorwürfe nicht. Das oberste Gericht bestätigte das Urteil im April 2023.

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Sharmahd engagierte sich in den USA in der Exil-Oppositionsgruppe „Tondar“ (Donner), die sich für eine Rückkehr der Monarchie einsetzt. Irans Justiz macht die Organisation für einen Anschlag im Jahr 2008 in einer Moschee der Stadt Schiras mit mehreren Toten verantwortlich. Drei Männer wurden deswegen bereits hingerichtet.

Da Sharmahd in Peine und Hannover aufwuchs, besaß er auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Bis zuletzt kämpften Menschenrechtler – und vor allem Sharmahds in den USA wohnhafte Tochter Gazelle – für dessen Rettung. Gazelle Sharmahd forderte von der Bundesregierung nun Antworten zum Schicksal ihres Vaters. Dieser sei nach seiner Entführung vor vier Jahren im Stich gelassen worden, schrieb sie auf X. „Wir wollen keine Erklärungen oder Beileidsbekundungen.“ Stattdessen solle das Auswärtige Amt Beweise für den Tod ihres Vaters vorlegen und eine Rückführung seiner sterblichen Überreste veranlassen.

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Die Bundesregierung hatte das Urteil scharf kritisiert und Sharmahds Freilassung gefordert. Doch weder flehende Appelle noch politischer Druck zeigten Wirkung. Bundeskanzler Olaf Scholz nennt die Hinrichtung auf X „einen Skandal“, die Bundesregierung habe sich immer wieder intensiv für die Freilassung Sharmahds eingesetzt.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock zeigt sich bestürzt. „Die Ermordung von Jamshid Sharmahd durch das iranische Regime verurteile ich auf das Schärfste“, heißt es in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes. „Seiner Familie, mit der wir immer im engsten Austausch waren und sind, gilt mein ganzes Mitgefühl für diesen schrecklichen Verlust.“ Unermüdlich habe sich die Botschaft in Teheran für Sharmahd eingesetzt. Es sei auch mehrfach ein hochrangiges Team nach Iran entsandt worden. „Dabei haben wir Teheran immer wieder unmissverständlich klargemacht, dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsangehörigen schwerwiegende Folgen haben wird“, sagte Baerbock.

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Die Ministerin sprach in dem Zusammenhang von einem „menschenverachtenden Regime“, das gegen seine eigene Bevölkerung und gegen ausländische Staatsangehörige vorgeht. „Dies unterstreicht, dass offensichtlich auch unter der neuen Regierung niemand sicher ist.“

Auch CDU-Chef Friedrich Merz, der eine politische Patenschaft für Sharmahd übernommen hatte, verurteilte die Hinrichtung. Er bezeichnete den Schritt als „scheußliches Verbrechen“ und forderte, den iranischen Botschafter in Berlin auszuweisen. „Die Herabstufung der diplomatischen Beziehungen auf die Geschäftsträgerebene ist angezeigt“, schrieb Merz auf der Plattform X.

Renata Alt (FDP), Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, sprach von einer „schrecklichen Nachricht“. Die brutale Hinrichtung sei „ein weiterer Beleg dafür, dass mit diesem Terrorregime keine konstruktiven Verhandlungen möglich sind“.

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