Süddeutsche Zeitung

Golfregion:Geheimtreffen mit dem Feind

Iraks Premier Mustafa al-Kadhimi hat offenbar Gespräche zwischen Saudi-Arabien und Iran vermittelt. Die sunnitischen Golfstaaten wollen Einfluss auf die Atomverhandlungen mit Teheran nehmen.

Von Paul-Anton Krüger, München

Mit starkem Misstrauen verfolgen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Atom-Verhandlungen in Wien mit Iran. Die sunnitischen Golfmonarchien, enge Verbündete der USA, sahen sich vor den Kopf gestoßen, als Präsident Barack Obama 2015 das Atomabkommen mit ihrem schiitischen Rivalen schloss. Umso größer war die Genugtuung in Riad und Abu Dhabi, als Donald Trump den "schlechtesten Deal aller Zeiten" kündigte - und die Unterstützung für die "Kampagne des maximalen Drucks", die folgte.

Saudi-Arabiens Außenministerium zeigte sich nun "besorgt", dass Iran als Reaktion auf die Sabotage seiner Anreicherungsanlage in Natans nun Uran auf 60 Prozent anreichert, nahe an den für Atomwaffen erforderlichen Grad von 90 Prozent. Es rief die USA, die Europäer sowie Russland und China auf, ein Abkommen mit "stärkeren Parametern und einer längeren Geltungsdauer" auszuhandeln.

Der emiratische Botschafter in Washington, Yousef al-Otaiba, appellierte an US-Präsident Joe Biden, die Mängel des Abkommens von 2015 zu beheben. Er solle die Hebelwirkung nutzen, die Trump ihm mit den Sanktionen in die Hand gegeben habe. "Die Region sieht heute anders aus, es gibt einer andere Dynamik", sagte er - eine Anspielung auf die offiziellen Beziehungen seines Landes zu Israel und die informelle Allianz arabischer Staaten mit Israel gegen Iran.

Noch einmal wollen die Golf-Monarchien nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Sie versuchen aktiv Einfluss zu nehmen, haben Delegationen nach Wien geschickt und fordern, auch Irans regionale Rolle und das Raketenprogramm des Landes in die Verhandlungen einzubeziehen. Zugleich suchen sie auch den direkten Kontakt mit Teheran. Emiratische Emissäre haben wiederholt Vertreter der Islamischen Republik getroffen.

Nach einem Bericht der Financial Times soll nun in der irakischen Hauptstadt Bagdad am 9. April eine hochrangige Delegation Saudi-Arabiens mit Vertretern Irans zusammengekommen sein - erstmals seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen im Januar 2016. Saudi-Arabien hatte sie gekappt, nachdem ein Mob in Teheran unter den Augen des allgegenwärtigen Sicherheitsapparates die Botschaft des Königreichs gebrandschatzt hatte. Zuvor hatte Riad den schiitischen Kleriker Nimr al-Nimr hinrichten lassen.

Vermittelt habe das Treffen der irakische Premier Mustafa al-Kadhimi, der im März in Riad dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman die Aufwartung gemacht hatte. Aus Riad sei Geheimdienstchef Khalid bin Ali al-Humaidan angereist, berichtet die FT. Kadhimi war bis zu seiner Wahl im April 2020 selbst Geheimdienstchef und verfügt über gute Verbindungen nach Teheran.

Iran hat im Irak immensen politischen Einfluss, militärisch abgesichert über schiitische Milizen, die von den Revolutionsgarden gesteuert werden. Wer Iran bei den Gesprächen vertreten hat, geht aus dem Bericht nicht hervor. Es ist allerdings anzunehmen, dass die militärische Eliteeinheit repräsentiert war; sie bestimmt Irans Politik gegenüber den Ländern der Golfregion und im Nahen Osten.

Tatsächlich hat die Wahl Bidens zum Präsidenten der Vereinigten Staaten Bewegung in die Golfregion gebracht: Saudi-Arabien und die Emirate legten ihren Bruderzwist mit Katar noch vor dem Amtsantritt zumindest offiziell bei. Emiratische Diplomaten betonen, ihrem Land gehe es im 50. Jahr seines Bestehens um Deeskalation. Und Saudi-Arabien zeigt sich bereit, seine Militärintervention in Jemen zu beenden.

Die Angriffe der von Iran unterstützten Huthi-Miliz von Jemen aus auf Ziele in Saudi-Arabien sollen in Bagdad Thema gewesen sein - die USA versuchen, in dem Konflikt zu vermitteln. Eine nächste Gesprächsrunde zwischen Iran und Saudi-Arabien soll bereits für diese Woche vereinbart sein. Kadhimi habe für Teheran auch "Kommunikationskanäle" mit Ägypten und Jordanien etabliert.

Der Irak hat ein Interesse an einer Mittlerrolle, weil in dem Land Konflikte entlang konfessioneller Linien ebenso ausgetragen werden wie zwischen Iran und den USA sowie deren Verbündeten. Und Kadhimi hat ein Interesse, Teheran nützlich zu sein - im Herbst gibt es Wahlen; Iran redet mit bei der Regierungsbildung.

Offizielle Bestätigungen für das Treffen gab es am Sonntag nicht, aus Saudi-Arabien kam gar ein Dementi einer hohen Regierungsquelle - was aber nicht ausschließt, dass der Bericht zutrifft. Als Saudi-Arabiens Kronprinz im November offenbar den israelischen Premier Benjamin Netanjahu am Roten Meer zu einem geheimen Austausch empfing, beharrte das saudische Außenministerium darauf, der Thronfolger habe nur den damaligen US-Außenminister Mike Pompeo getroffen.

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