In Iran war es früher Sonntagmorgen, als klar wurde, dass auf das Land noch mehr Sanktionen zukommen als bisher schon. Am Samstagabend, um 20 Uhr Ostküstenzeit, fiel im UN-Sicherheitsrat in New York die Entscheidung. Es sind Sanktionen der Vereinten Nationen, die seit 2015 ausgesetzt waren – seit dem damaligen Abkommen mit der Islamischen Republik über deren Atomprogramm. Der Westen und Israel glauben seit Jahrzehnten, dass Iran sich offen hält, eine Atombombe zu bauen.
Zu Ende ging am Sonntag, zumindest fürs Erste, die Idee, mit Iran über die Atomfrage reden zu können. Nach 2015 reicherten die Iraner nur noch Uran zur zivilen Nutzung an, mit einem Reinheitsgrad von maximal 3,67%. Im Gegenzug entfielen Sanktionen. Dann allerdings, 2018, kündigte US-Präsident Donald Trump das unter seinem Vorgänger Barack Obama geschlossene Abkommen auf. Die USA waren seither nicht mehr Vertragspartei.
Iran reicherte Uran auf bis zu 60 Prozent an. Das reicht fast für eine Atomwaffe
Die Europäer sowie Russland und China blieben ihm zwar treu, nur hielt sich das iranische Regime nicht mehr an das, was es unterschrieben hatte. Es reicherte mehr und mehr Uran an, steigerte den Reinheitsgrad bis auf 60 Prozent, damit wäre es beinahe für eine Atomwaffe tauglich. US-Präsident Trump behauptet zwar, seine Luftwaffe habe die Atomanlagen während des Krieges im Juni zerstört. Wie groß die Schäden aber wirklich sind, ist unklar. Ebenso, was mit den 400 Kilogramm an hoch angereichertem Uran passiert ist, die das Regime besessen haben soll. Und all das in einer Lage, in der manche meinen, dass der Krieg zwischen Iran und Israel bald von Neuem beginnen könnte.
Jetzt, in der Nacht zu Sonntag in New York, geschah etwas, das technisch klingt, für Iran aber ernste Konsequenzen bedeutet. Der Snapback-Mechanismus wurde Realität: eine Klausel aus dem Atomabkommen von 2015, das allen Unterzeichnenden erlaubt, Zweifel anzumelden, dass sich das iranische Regime an die Bedingungen hält. Und zu beantragen, dass die alten Sanktionen wieder gelten.
Neben Frankreich und Großbritannien hat auch Deutschland dies vor einem Monat getan, in Absprache mit der US-Regierung und gegen den Willen Chinas und Russlands – was aber laut dem Abkommen keine Rolle spielt. Die Zeit drängte, denn Ende Oktober wäre das Atomabkommen nach zehn Jahren abgelaufen. Neue UN-Sanktionen gegen Iran hätten dann vorausgesetzt, dass auch Russland und China als Vetomächte im Sicherheitsrat ihnen zustimmen.
„Mit so jemandem können wir nicht verhandeln“, sagt Chamenei über die USA
Mit der Snapback-Klausel kamen die Europäer dem zuvor. Sie hatten von Iran verlangt, dass das Land neue Gespräche mit der US-Regierung aufnimmt, was die Zukunft des Atomprogramms betrifft. Außerdem sollte das Teheraner Regime mit den Inspektoren der IAEA, der internationalen Atomenergie-Behörde, kooperieren. Und es sollte Klarheit darüber schaffen, wo sich das hochangereicherte Uran befindet.
Seit dem Krieg gegen Israel und die USA gab sich die iranische Führung demonstrativ hart, auch den Europäern gegenüber. Man lasse sich von der Snapback-Drohung nicht einschüchtern, hieß es aus Teheran. Ali Chamenei, der Oberste Führer, hat Gespräche mit den USA erst vor wenigen Tagen ausgeschlossen. „Die Gegenseite bricht alle ihre Versprechen“, so Chamenei. „Mit so jemandem können wir nicht verhandeln“.
Die alten Sanktionen, nun wieder in Kraft, treffen ein Land, das schon vorher nach Russland weltweit den meisten Sanktionen unterlag – es waren über 6000. Nun kommen welche hinzu, die ein Waffenembargo mit sich bringen, außerdem sind die Vermögen einzelner Iraner eingefroren. Das Regime wird es beim Ölexport schwerer haben, weil es Tanker nicht mehr versichern kann und andere Länder nicht mehr in die iranische Ölinfrastruktur investieren dürfen. Uran darf Iran gar nicht mehr anreichern.
Die Landeswährung Rial stürzte am Sonntag auf ein Rekordtief
Die Islamische Republik ließ gleich wissen, dass sie sich daran nicht halten werde. Der Großteil des Öls ging bisher nach China, und aus Peking wie aus Moskau hieß es, dass man sich den neuen alten Sanktionen nicht verpflichtet fühle. Angesichts des kompromisslosen Kurses scheint das iranische Regime zu glauben, dass es mit den neuen Beschränkungen zurecht kommen wird. Allerdings stürzte die Landeswährung Rial am Sonntag auf ein Rekordtief, die Wirtschaft ist ohnehin in der Krise, die Inflation dürfte nun noch weiter steigen.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte am Sonntag, dass die Europäische Union die Sanktionen ab sofort umsetzen werde. Bisher unklar ist, wie Iran reagiert. Gedroht hat die Islamische Republik damit, nun aus dem Atomwaffensperrvertrag auszusteigen. Es gibt die Sorge, dass das Regime gerade jetzt den Bau einer Atomwaffe beschließen könnte.
Andererseits wissen sie in der iranischen Führung, dass sie eine solche Entscheidung kaum würden geheim halten können – und dass Israel und die USA dann zu weiteren Angriffen gezwungen wären. Schon allein, dass Iran kaum noch mit der IAEA kooperiert und seine Atomanlagen abschottet, erhöht die Gefahr eines erneuten Krieges.

