Iran:Rohani wirbt für Reformen

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Unter seinem Auge: Religionsführer Chamenei kann Präsident Rohani (rechts) das Regieren schwer machen. Doch der Einfluss der Ultrakonservativen sinkt. (Foto: Atta Kenare/AFP)

Irans Präsident versucht, nach den Protesten die Macht der Hardliner zu beschneiden: Vor allem ihr bestimmender Einfluss in der Wirtschaft soll zurückgedrängt werden.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Die existenzielle Frage in Iran sei, so schrieb jüngst der bekannte Autor Amir Hassan Cheheltan im Spiegel, ob Präsident Hassan Rohani angetreten sei, "um das System vor den Menschen zu retten - oder die Menschen vor dem System". Der Schriftsteller neigt angesichts der Niederschlagung der jüngsten Proteste zu Skepsis. Rohani aber versucht nun, die weit verbreitete Unzufriedenheit politisch für sich zu nutzen: Er kündigte weitreichende Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft an. Sollte er sich damit durchsetzen, würde das den Charakter der Islamischen Republik grundlegend verändern. Zugleich würde Rohani den Machtkampf mit den Ultrakonservativen für sich entscheiden und seine angeschlagene Popularität restaurieren.

Er kündigte an, die Armee und die mächtigen Revolutionsgarden müssten sich aus der Wirtschaft zurückziehen, genau wie staatliche Pensionsfonds, die zu den größten Unternehmenseignern in Iran zählen, sowie staatliche Banken und Regierungsinstitutionen. Nur so sei die Wirtschaft zu retten, sagte er bei einer Pressekonferenz in Teheran. Bereits im Januar hatte der Verteidigungsminister, Brigadegeneral Amir Hatami, der regierungseigenen Zeitung Iran gesagt, der Oberste Führer Ali Chamenei habe angeordnet, dass die Streitkräfte alle wirtschaftlichen Beteiligungen, die nicht relevant für ihre Kernaufgaben seien, auf dem Kapitalmarkt des Landes oder an private Unternehmer veräußern.

Damit ist umrissen, worum der Streit in Iran nun geht: Der Kommandant des zu den Revolutionsgarden gehörenden Bau-Konglomerats Khatam al-Anbiya stellte klar, die Firma übe ihre Aktivitäten im Einklang mit der Verfassung und im Einvernehmen mit Chamenei aus. Das Unternehmen mit Zehntausenden Angestellten ist am Bau fast aller Großprojekte im Land beteiligt, darunter Eisenbahnstrecken und die U-Bahn in Teheran sowie die Erschließung des weltgrößten Gasfelds Pars Süd.

Die Revolutionsgarden dominieren Unternehmen der Telekommunikations- und Medienbranche, in der Elektronik- und Autoindustrie, Banken sowie Bergbau und Energie. Besonders im letzten Bereich sollen ausländische Konzerne als Investoren gewonnen werden, wie ein Berater Rohanis sagte. Eine Großraffinerie soll nach Abschluss einer Erweiterung verkauft werden, ebenso petrochemische Firmen und Tanklager. Ein Plan werde bis zum Jahreswechsel in Iran am 21. März erstellt und binnen zwölf Monaten umgesetzt.

Der Präsident spannt den Bogen weiter: Die Wut der Bürger sei nicht nur wirtschaftlich begründet

In der Gas- und Ölindustrie könnten Privatisierungen eventuellen neuen Sanktionen der USA und anderer Ländern vorbeugen, die sich maßgeblich gegen die Revolutionsgarden richten dürften. Wichtige EU-Staaten haben sich bereit gezeigt, im Streit um das iranische Raketenprogramm US-Präsident Donald Trump entgegenzukommen, weil auch sie das Verhalten Irans als destabilisierend betrachten. Allerdings haben die Revolutionsgarden und Staatsfirmen sich immer wieder erfolgreich Reformversuchen widersetzt.

Rohani aber spannte den Bogen noch weiter: "Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Forderungen der Iraner müssen gehört werden", sagte er. Die Einwände seien nicht allein wirtschaftlicher Natur. Die Mehrheit des iranischen Volkes sei jung und nach der Islamischem Revolution 1979 geboren. Sie hätten ein Recht, sich zu äußern. Satellitenschüsseln zu konfiszieren und das Internet zu sperren werde den Informationsfluss nicht stoppen.

Die Hardliner hatten versucht, die Proteste um den Jahreswechsel in mehr als 80 Städten als Werk ausländischer Aufstachelung zu diskreditieren. In der Stadt Arak gingen allerdings am Montag erneut Hunderte auf die Straße. Beschäftigte einer Maschinenbaufirma dort haben seit Monaten keine Gehälter mehr bekommen. Sie skandierten "Tod den Arbeitern, Heil dem Unterdrücker!" - eine ironische Verkehrung, die sich gegen Chamenei richtet, nur dass so die Polizei nicht einschreiten konnte.

Überdies ließ Rohani am Sonntag eine drei Jahre alte Umfrage eines staatlichen Instituts veröffentlichen, nach der 49,8 Prozent der Iraner, Männer wie Frauen, den gesetzlichen Kopftuchzwang ablehnen. Erst am Freitag hatte die von Ultrakonservativen dominierte Justiz 29 Frauen festnehmen lassen, die als Zeichen des Protests den Hidschab abgenommen hatten.

Mit einem ähnlichen Manöver hatte Rohani Kritik der Konservativen an seiner Wirtschaftspolitik gekontert: Er veröffentlichte erstmals Haushaltzahlen über die Zuwendungen an religiöse Stiftungen - mehrere Milliarden Dollar, während etwa das Umweltministerium mit einem Budget von 65 Millionen Dollar auskommen muss, obwohl Wasserknappheit und Umweltverschmutzung zu den dringendsten Problemen des Landes zählen. Das war einer der Auslöser der Proteste.

Das Parlament allerdings hat gerade seinen Etat-Entwurf zurückgewiesen, der unpopuläre Einschnitte bei den Direktzahlungen an die ärmeren Bevölkerungsschichten sowie bei den Treibstoffsubventionen vorsah. Der Machtkampf in Iran ist längst nicht entschieden - und vielleicht auch noch nicht die existenzielle Frage, die der Schriftsteller Cheheltan formuliert hat. Es sei Ruhe in Iran eingekehrt, diagnostiziert er, aber "ohne dass sich der Zorn gelegt habe". Das scheint auch Präsident Rohani erkannt zu haben.

© SZ vom 08.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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