Iran:Der Staat im Staate

Iran: Die Revolutionsgarden, hier bei einer Parade mit Mittelstreckenraketen, kontrollieren auch das iranische Raketen- und Nuklearforschungsprogramm.

Die Revolutionsgarden, hier bei einer Parade mit Mittelstreckenraketen, kontrollieren auch das iranische Raketen- und Nuklearforschungsprogramm.

(Foto: Morteza Nikoubazl/Imago/NurPhoto)

Die iranische Opposition fordert von den am Montag tagenden EU-Außenministern, die Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen. Doch in Brüssel scheut man sich.

Von Mirco Keilberth

Unmittelbar vor der EU-Außenministerkonferenz am Montag warnt Iran davor, die Forderung des EU-Parlaments umzusetzen und die iranischen Revolutionsgarden als terroristische Gruppierung einzustufen. In der vergangenen Woche hatte sich die Mehrheit der Abgeordneten gleichzeitig für schärfere Sanktionen gegen Vertreter des Regimes ausgesprochen. Die Entscheidung des EU-Parlaments ist für die Mitgliedsländer nicht rechtlich bindend.

Die EU-Außenminister wollen nun darüber entscheiden, welche Sanktionen gegen das iranische Regime verschärft werden. Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian hatte den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell bereits vor negativen Folgen von Maßnahmen gegen die auf Persisch Pasdaran genannte Truppe gewarnt.

Der Kommandeur der Garde, Hussein Salami, ließ nach einem Treffen mit dem iranischen Parlament das Gerücht streuen, man könne ausländische Tankschiffe festsetzen oder den Zugang zur Straße von Hormus einschränken. Die Meerenge ist ein Nadelöhr für die weltweite Ölversorgung. Doch nach der Lieferung von iranischen Drohnen an Russland und den Gerüchten, dass die Pasdaran Kämpfer der mit ihr verbündeten Hisbollah-Miliz zum Kampf in die Ukraine schicken könnten, wird die EU ihren Druck auf das iranische Regime trotz der Drohungen erhöhen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock setzt sich schon länger dafür ein, die Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen. In den USA ist dies bereits geschehen, die britische Regierung setzt eine bereits beschlossene Listung gerade um.

Doch um eine Organisation in der EU als terroristisch einzustufen, müsste in mindestens einem Mitgliedsland gegen die mehr als 210 000 Mann starke Truppe gerichtlich ermittelt werden. Bevor den Pasdaran-Einheiten die direkte Verantwortung für die Morde und Verhaftungen von Demonstranten gerichtsfest nachgewiesen werden kann, würden wohl Jahre vergehen. Auch Wirtschaftssanktionen gegen die Garden hätten keinen sofortigen Effekt.

Mobilfunkfirmen, Hotels und Fluggesellschaften: Die Pasdaran verfügen über ein Wirtschaftsimperium

Das weit verzweigte Netzwerk von informellen Firmen und Rüstungsbetrieben ist von den seit Jahren aktiven Ermittlern der Vereinten Nationen nur im Ansatz identifiziert worden. Mit eigenen Mobilfunkfirmen, Hotels und Fluggesellschaften verfügen die Pasdaran über ein Wirtschaftsimperium. Einen Großteil ihrer internationalen Geschäfte wickeln die Revolutionsgarden derzeit über Banken und Scheinfirmen im benachbarten Irak ab. Die EU-Außenminister werden wohl am Montag beschließen, einzelne Vertreter der Revolutionsgarden zu sanktionieren. Aus diplomatischen Kreisen ist von mehr als 40 Namen die Rede. Neben Einreiseverboten und dem Sperren von Konten könnten auch Ermittlungen wegen Menschenrechtsverletzungen folgen.

Schon die diplomatische Wortwahl von Josep Borrell gegenüber dem iranischen Außenminister lässt darauf schließen, dass die Spitzendiplomaten in Brüssel wohl nicht auf die EU-Parlamentarier hören werden. Als Organisation werden die Pasdaran wohl unangetastet bleiben. "Der hohe Vertreter findet, dass es eine schlechte Idee wäre, alle Kommunikationskanäle nach Teheran zu kappen", so ein EU-Diplomat. Borrell fürchtet offenbar, dass eine diplomatische Eskalation mit dem Regime die Wiederbelebung des Nuklearabkommens unmöglich macht.

Doch aus Sicht vieler Iraner birgt ein Kuschelkurs gegenüber den Revolutionsgarden die Gefahr eines Putsches. Denn je länger es die Mullahs nicht schaffen, die Straßenproteste zu beenden, desto wahrscheinlicher wird eine Machtübernahme der Pasdaran.

Gegründet wurden diese als Freiwilligenarmee während der islamischen Revolution im Jahr 1979. Um einen möglichen Umsturzversuch der Armee zu verhindern, formte Ayatollah Ruhollah Chomeini eine ihm persönlich unterstehende, schlagkräftige Parallel-Armee. Mittlerweile verfügen die Pasdaran über eine Luftwaffe, Marine und mehrere Geheimdienste. Wegen ihrer Kontrolle über das iranische Raketen- und Nuklearforschungsprogramm sind sie de facto schon jetzt zur mächtigsten Institution im Land aufgestiegen.

Die Garden könnten im Handumdrehen die Macht im Land an sich reißen

Das Vakuum, das eine Krankheit oder der Tod des 83-jährigen Revolutionsführers Ali Chamenei schaffen würde, würde den Paramilitärs und den mit ihm verbündeten Basidsch-Stadtteil-Milizen in die Hände spielen. Schon jetzt stammt die Mehrzahl der Regierungsmitglieder wie auch Präsident Ebrahim Raisi aus den Reihen der Garde. "Dennoch sind effektive Sanktionen gegen die Revolutionsgarden eine ernste Gefahr für den jetzt schon stotternden Motor des Regimes", sagt ein Wirtschaftsexperte aus Teheran der SZ. "Die einfachen Pasdaran werden zwar nicht aufgeben, da sie mit dem Ende des Regimes ihren sozialen Status einbüßen würden, aber die Führung lässt ihre Kinder im Ausland studieren."

Eine Militärdiktatur der Revolutionsgarden würde die weiterhin fast täglich protestierende Bevölkerung wohl kaum akzeptieren. Das brutale Vorgehen von Pasdaran-Einheiten in den vergangenen Monaten hat auch unter Regime-Anhängern zu Kritik geführt. Vor drei Jahren waren noch Hunderttausende Iraner aus Solidarität mit ihnen auf die Straße gegangen, als der Chef der Auslandseinheiten, Qasem Soleimani, von einer amerikanischen Drohne getötet wurde. In den vergangenen Monaten wurden die meisten öffentlich aufgehängten Poster von Soleimani heruntergerissen oder beschädigt.

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