Iran:Die zwei Gesichter Teherans

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Der neue iranische Außenminister Abbas Araghchi hat beste Verbindungen in Europas Hauptstädte. (Foto: Vahid Salemi/picture alliance / ASSOCIATED PR)

Der Präsident sendet Signale für ein besseres Verhältnis zum Westen, denn das wirtschaftlich angeschlagene Land braucht dringend Geld. Doch die Revolutionsgarden machen mit ihrer Eskalation eine Annäherung zunichte.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Wenn westliche Diplomaten dieser Tage auf das Regime in Iran blicken, dürften sie sich an ein Vexierbild erinnert fühlen. Auf der einen Seite hat der neue Präsident Massud Peseschkian einen alten Bekannten mit besten Verbindungen in europäische Hauptstädte zum Außenminister gemacht: Abbas Araghchi, der auf dem Weg zum Atomabkommen von 2015 als wichtigster Unterhändler neben seinem damaligen Chef Mohammed Dschawad Sarif galt. Majid Takht-Ravanchi, damals der Dritte im Bunde und UN-Botschafter, ist nun stellvertretender Außenminister. Und Sarif hat nach seinem Rücktritt nach nur elf Tagen im Amt des Vizepräsidenten für Strategische Angelegenheiten verkündet, nun doch wieder für die Regierung zu arbeiten.

Ende August verkündete dann noch der Oberste Führer, Ayatollah Ali Chamenei, es liege „kein Schaden“ darin, mit dem „Feind“ zu verhandeln, nur dürfe man den Amerikanern nicht vertrauen. Das klingt wie Äußerungen, mit denen er Sarif und dem damaligen Präsidenten Hassan Rohani 2015 gestattet hatte, die Atomverhandlungen abzuschließen.

Mehrere Staaten wollen die Fluglinie Iran Air mit Sanktionen belegen

Peseschkian hat gesagt, sein Land brauche 100 Milliarden Dollar an Investitionen aus dem Ausland. Seine Regierung werde die Inflation von mehr als 40 Prozent pro Jahr nur senken können, wenn „wir unsere Probleme mit unseren Nachbarn und der Welt“ lösen. Im Wahlkampf hatte der Präsident noch Gespräche mit dem Westen über eine Rückkehr zum Atomabkommen verlangt – denn ohne Erleichterungen bei den Sanktionen kann er, anders als die Ultrakonservativen glauben machen wollen, wirtschaftspolitisch kaum etwas erreichen.

Zugleich aber betreiben auf der anderen Seite die Revolutionsgarden an vielen Fronten eine Eskalation, die sich gegen die Interessen des Westens richtet und eine Annäherung so gut wie unmöglich macht. Gerade erst hat US-Außenminister Antony Blinken bestätigt, dass Iran ballistische Kurzstreckenraketen an Russland geliefert hat – eine offene Unterstützung für den Angriffskrieg von Präsident Wladimir Putin gegen die Ukraine.

Die USA und die wichtigsten europäischen Mächte, Frankreich, Großbritannien und Deutschland, hatten Teheran seit Monaten davor gewarnt, nun kündigten sie neue Sanktionen an. Paris und London wollen bilaterale zivile Luftfahrtabkommen mit Iran kündigen, mit Deutschland besteht kein solcher Vertrag. Zudem wollen sie wie die USA die staatliche Fluggesellschaft Iran Air mit Sanktionen belegen. Die Revolutionsgarden nutzen diese nach Überzeugung westlicher Geheimdienste, um Waffen zu liefern und Komponenten für das Raketen- und Atomprogramm in die Islamische Republik zu schmuggeln.

Iran baut sein Atomprogramm deutlich aus

Die Revolutionsgarden unterstehen direkt dem Obersten Führer Chamenei und sind, wie große Teile des Sicherheitsapparates und die Justiz, der Kontrolle der Regierung entzogen. Es ist zugleich unvorstellbar, dass die Garden Waffensysteme an Russland liefern, ohne dass der intransparente Machtapparat im Büro des Obersten Führers seine Einwilligung gegeben hat.

Diese zwei sehr unterschiedlichen Gesichter des iranischen Regimes sind seit jeher ein Kernproblem bei jedem Versuch, Iran mit diplomatischen Mitteln einzuhegen. Die Revolutionsgarden bestimmen auch die Politik Teherans in seiner Nachbarschaft: Sie führen den Kampf gegen Israel, die US-Präsenz in der Region und den Westen. Sie kontrollieren schiitische Milizen im Irak und in Syrien, die Hisbollah in Libanon und sie spielen eine zentrale Rolle für die Unterstützung der Hamas und anderer palästinensischer Terrorgruppen wie dem islamischen Dschihad im Gazastreifen und im Westjordanland mit Geld und Waffen. Zudem haben sie mit Waffenlieferungen und Ausbildung dazu beigetragen, dass die Huthi in Jemen mit Lenkflugkörpern und Raketen zivile Schiffe im Roten Meer in Brand schießen, zuletzt den mit einer Million Barrel Rohöl beladenen Tanker Sounion.

Auch hat Iran zuletzt sein Atomprogramm noch einmal deutlich ausgebaut. In der in einem Tunnelsystem unter einem Bergmassiv geschützten Anreicherungsanlage in Fordow stellten die Techniker sechs neue Kaskaden mit Zentrifugen zur Urananreicherung auf, in der Anlage in Natans sogar 15, wie die Internationale Atomenergiebehörde berichtet. Zudem produzierte das Land in den Anlagen mehr auf 60 Prozent angereichertes Uran. Inzwischen wäre Iran in der Lage, genug hochangereichertes Uran für mehrere Atomsprengköpfe binnen weniger Tage herzustellen. Nach Einschätzung der US-Regierung hat Iran auch wieder Forschungs- und Entwicklungsarbeiten aufgenommen, die für den Bau einer Bombe von Nutzen sein könnten.

Deutschland will die Revolutionsgarden als Terrororganisation einstufen lassen

Auch diese Aktivitäten fallen in den Machtbereich der Revolutionsgarden und des Büros des Obersten Führers. Peseschkian hat zudem den von seinem ultrakonservativen Vorgänger eingesetzten Chef der Iranischen Atomenergie-Organisation im Amt belassen. Neben der nun angestrebten Verschärfung der Sanktionen auf europäischer Ebene läuft in Brüssel auch noch das von Deutschland auf den Weg gebrachte Verfahren, die Revolutionsgarden als Terrororganisation einzustufen.

Die Bundesregierung stützt sich dabei auf zwei Urteile deutscher Gerichte, die belegen, dass die Revolutionsgarden Angriffe auf jüdische Einrichtungen in Deutschland geplant und angeleitet haben. In diesem Zusammenhang hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auch die Schließung des Islamischen Zentrums in Hamburg verfügt, das den deutschen Nachrichtendiensten seit Jahren als wichtigster Vorposten des Regimes galt.

Iran hatte deswegen vor drei Wochen das deutsche Sprachinstitut in Teheran schließen lassen, ein Justizsprecher kündigte weitere Maßnahmen gegen deutsche Einrichtungen an. IZH-Chef Mohammed Hadi Mofatteh hat am Mittwoch Deutschland verlassen, nachdem man ihm eine Frist gesetzt hatte. Zu erwarten ist auch, dass europäische Fluglinien, die noch nach Teheran fliegen, Probleme bekommen werden, wenn die EU Sanktionen gegen Iran Air verhängt. Neue diplomatische Initiativen aber sind ohnehin kaum denkbar, bevor die US-Präsidentenwahl entschieden ist.

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