Iran: Reaktion auf Proteste:Obama fordert Ende der Gewalt

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US-Präsident Obama verschärft seinen Ton: In seiner bislang unmissverständlichsten Botschaft an die Führung in Teheran forderte er, auf die Proteste nicht länger mit "ungerechten Aktionen" zu reagieren. Oppositionsführer Mussawi will seinen Kampf fortsetzen. Er sei "bereit, dafür zum Märtyrer" zu werden.

"Wir rufen die iranische Regierung auf, alle gewaltsamen und ungerechten Aktionen gegen ihr eigenes Volk zu stoppen", hieß es am Samstag in der bislang deutlichsten Stellungnahme des Weißen Hauses zu den Vorgängen in Iran seit der umstrittenen Präsidentenwahl vor einer Woche. "Die universellen Rechte der freien Rede und Versammlungsfreiheit müssen respektiert werden, und die Vereinigten Staaten stehen auf der Seite aller, die diese Rechte ausüben wollen."

Teheran: Nahkampf von Oppositionellen (oben auf der Straße) gegen Sicherheitskräfte auf Motorrädern.(Hinweis: Dieses Bild veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters mit dem Hinweis, dass die Berichterstattung aus Iran eingeschränkt ist, und dieses Bild hier am Samtag auf Twitter hochgeladen wurde) (Foto: Foto: Reuters/Twitter)

Weiter: "Die iranische Regierung muss erkennen, dass die Welt auf sie blickt. Obama betonte, es sei ein Irrtum zu glauben, man könne Ideen aus der Welt schaffen, indem man sie unterdrückt. Letztlich würden die Menschen in Iran die Handlungen ihrer eigenen Regierung bewerten. "Wenn die iranische Regierung den Respekt der internationalen Gemeinschaft sucht, dann muss sie die Würde ihres eigenen Volkes respektieren und auf Konsens statt auf Zwang setzen."

Zuvor war es in Teheran bei Protesten von Oppositionsanhängern erneut zu schweren Zusammenstößen gekommen. Tausende Anhänger der Opposition trotzen einem Demonstrationsverbot und protestierten erneut gegen das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahl. Polizei und regierungstreue Milizen gingen mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor. Augenzeugen berichteten von heftigen Zusammenstößen und zahlreichen Verletzten. Die Berichterstattung in- und ausländischer Medien war erneut massiv behindert.

Nach Angaben von Augenzeugen kam es auch zu Zusammenstößen zwischen den Anhängern Mussawis und denen Ahmadinedschads. Auch die "Basidsch"-Milizen, die den Präsidenten unterstützen, waren im Einsatz. Ihre Gegner hätten eines der Gebäude der Miliz angezündet, hieß es.

Laut Angaben des US-Nachrichtensenders CNN gibt es bislang 19 Tote. In Teheran sind laut einem Bericht des staatlichen Fernsehens mehrere Menschen durch einen von Demonstranten gelegten Brand in einer Moschee getötet worden. "Randalierer" hätten die Lolagar-Moschee am Samstag in Brand gesetzt, dabei seien "unglücklicherweise einige Bürger" ums Leben gekommen, meldete der Nachrichtensprecher am Sonntag, ohne eine genaue Opferzahl zu nennen. Der Sender zeigte Bilder des abgebrannten Gebäudes, die offenbar noch bei Tageslicht, also vor dem Abendgebet, aufgenommen worden waren.

Auch heute soll es weitere Demonstrationen in Teheran geben. Die Demonstranten wollen sich ab dem Nachmittag an verschiedenen Orten der Stadt versammeln, wie einer der Teilnehmer an den Kundgebungen AFP sagte. Die Lage in der iranischen Hauptstadt war am Sonntag zunächst ruhig.

Unterdessen wurden zwei bekannte Reform-Journalisten festgenommen. Dschila Bani Jaghub und Bahman Ahmadi Amuie seien Samstagabend festgenommen worden, berichtete ihr Kollege Issa Saharchis. Die beiden arbeiteten demnach für verschiedene reformorientierte Zeitungen.

Iran nahm außerdem nach eigenen Angaben mehrere Mitglieder der wichtigsten Exil-Oppositionsgruppe fest. Das iranische Geheimdienstministerium habe eine nicht genauer genannte Zahl von Mitgliedern der Volksmudschahedin festgenommen, die in Iran eingereist seien um dort "Terrorakte" zu verüben, meldete die offizielle iranische Nachrichtenagentur Irna am Sonntag ohne Nennung einer Quelle. Die Festgenommenen seien im Lager Aschraf im Irak ausgebildet worden.

Mussawi: "Bereit, zum Märtyrer" zum werden

Der iranische Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi forderte die Machthaber in Teheran nachdrücklich auf, friedliche Kundgebungen zu erlauben. "Wenn den Menschen friedliche Mittel zur Verteidigung ihrer legitimen Rechte untersagt werden, dann ergreifen sie gefährlichere Maßnahmen", warnte er in einer Erklärung am Abend. Mussawi sprach in Anspielung auf die Farbe Grün der Opposition von einer "wunderbaren grünen Welle". Er werde niemals erlauben, dass Demonstranten ihr Leben für ihn riskierten. "Seid versichert, ich werde immer bei euch sein."

Mussawi sagte nach Angaben seiner Anhänger, er werde seinen Kampf fortsetzen. Er sei "bereit, dafür zum Märtyrer" zu werden. "Wenn sie mich verhaften, dann sollten alle streiken und die Arbeit niederlegen." Zugleich bekräftigte er seine Forderung, die Präsidentschaftswahl für ungültig zu erklären und die Abstimmung zu wiederholen.

In einem Brief an den mächtigen Wächterrat schrieb Mussawi am Samstag, die Verfälschung des Wahlergebnisses sei Monate im Voraus geplant gewesen. Vor allem kritisierte er die Unterbrechung von Kommunikationsnetzen wie Internet und SMS am Wahltag und sprach von einem "empörenden Schritt". Mit seiner neuerlichen Kritik setzte er sich demonstrativ über Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei hinweg, der als höchste Autorität in Iran am Freitag das Wahlergebnis bestätigt und vor weiteren Demonstrationen gewarnt hatte.

Für eine weitere Zuspitzung sorgten Berichte staatlicher Medien, wonach sich ein Selbstmordattentäter vor dem Mausoleum von Ajatollah Khomeini im Süden Teherans in die Luft gesprengt hat. Dabei soll der Attentäter einen weiteren Menschen mit in den Tod gerissen und acht andere verletzt haben. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Ob ein Zusammenhang mit den Massenprotesten besteht, war unklar. Das Mausoleum des islamischen Revolutionsführers Khomeini gilt vielen Iranern als Heiligtum.

Ajatollah Chamenei hatte am Freitag Wahlfälschung in großem Stil ausgeschlossen. Gleichzeitig hatte er die Opposition aufgefordert, Einwände auf dem Rechtsweg vorzubringen, und mit Konsequenzen gedroht, sollten die "illegalen" Demonstrationen weitergehen.

Der Nachrichtensender Khabar zitierte am Samstagvormittag nochmals Vize-Polizeichef Ahmad Reda Radan, die Polizei werde hart gegen jede illegale Demonstration vorgehen. Daraufhin sagten die Hauptveranstalter um Mussawi die für den Nachmittag geplante Massenkundgebung ab. Am vergangenen Montag hatten Hunderttausende im Zentrum Teherans demonstriert, obwohl Mussawi den Protestzug kurz vor Beginn abgesagt hatte. Dabei waren mindestens acht Demonstranten in Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften getötet worden.

Der Wächterrat erklärte sich dazu bereit, stichprobenartig zehn Prozent der Stimmen neu auszuzählen. Die beiden Zweit- und Drittplatzierten bei der Wahl, Mussawi und Mehdi Karrubi, kamen allerdings der Einladung des Wächterrats zur Sitzung am Samstag nicht nach. Damit wollten sie nach Einschätzung von Beobachtern ihre Forderung nach Wiederholung der gesamten Wahl bekräftigen.

Auch in Europa demonstrierten erneut tausende Exiliraner gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads, allein in der Nähe von Paris waren es Zehntausende.

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