Teheran:Irans neuer Präsident verspricht eine "glänzende Zukunft"

Ebrahim Raisi kündigt bei seiner Vereidigung an, die wirtschaftliche Lage zu bessern. Ein klares Bekenntnis zum Atomabkommen vermeidet er aber, auch wenn das wohl die Voraussetzung wäre.

Von Paul-Anton Krüger

Den Morgen vor seiner Vereidigung verbrachte Irans neuer Präsident Ebrahim Raisi damit, ausländische Gäste zu begrüßen, die zu seiner Amtseinführung gekommen waren: der afghanische Präsident Ashraf Ghani, sein irakischer Kollege Barham Salih oder Armeniens Premier Nikol Paschinjan.

In dem an eine Pyramide erinnernden Gebäude des Parlaments waren auch Hamas-Chef Ismail Haniyeh, Hisbollah-Vize Naim Qassem und Vertreter der Huthi-Miliz aus Jemen präsent. Besonderes Augenmerk in Berlin, London, Paris und Washington dürfte aber auf einem Besucher aus Brüssel gelegen haben: Enrique Mora.

Der Spitzendiplomat ist stellvertretender Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, vor allem aber der Verhandlungsführer der EU bei den Bemühungen, das Atomabkommen mit Iran wiederzubeleben. Diese hatten die westlichen Unterhändler längst abschließen wollen. So sicher war man sich, dass die Gespräche nach der Präsidentenwahl am 18. Juni bald weitergehen würden, dass der US-Sondergesandte Rob Malley seine Anzüge im Hotel Imperial in Wien gelassen hatte.

Doch die lange erwartet und womöglich finale siebte Verhandlungsrunde hat seither nicht stattgefunden. Russlands Botschafter bei der Internationalen Atomenergiebehörde, Michail Uljanow, der Moskau bei den bisherigen Gesprächen repräsentierte, sagte jüngst der Zeitung Iswestja, es könne September oder Oktober werden, bis die Vertreter der fünf UN-Vetomächte, Deutschland und der EU wieder mit iranischen Diplomaten zusammentreten würden.

In den westlichen Hauptstädten aber mehren sich die Zweifel, ob eine Rückkehr zu dem Deal von 2015 überhaupt noch möglich ist, nachdem die Hardliner in Teheran nun alle Zentren der Macht kontrollieren. US-Außenminister Tony Blinken sagte jüngst in Kuwait, von einem gewissen Punkt an könnten die Vorteile, die durch das Abkommen erreicht wurden, nicht mehr wieder hergestellt werden, wenn Iran seine Atomaktivitäten unvermindert fortsetze. Die Gespräche "können und werden nicht unendlich weitergehen", warnte er. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian und sein deutscher Kollege Heiko Maas äußerten sich ähnlich.

Bei einem Angriff auf ein Schiff im Golf von Oman kamen zwei Menschen ums Leben

Zwar hatte EU-Diplomat Mora Kritik einstecken müssen für seine Reise nach Teheran, besonders nach dem tödlichen Angriff auf das Schiff Mercer Street im Golf von Oman. Ein Brite und ein Rumäne kamen dabei ums Leben, und die USA, Israel, Großbritannien und das EU-Mitglied Rumänien machen unisono Iran dafür verantwortlich.

Moras Mission aber ist auszuloten, ob und wie die Atomgespräche fortgesetzt werden können. In Teheran traf er sowohl den scheidenden Außenminister Mohammad Dschawad Sarif als auch dessen Vize Abbas Araghchi, der Iran in Wien vertreten hat.

Raisis äußerte sich in seiner Rede vor dem Parlament nur allgemein: Er forderte, dass die "illegalen Sanktionen gegen das iranische Volk" aufgehoben werden müssten. Seine Regierung werde jede diplomatische Initiative dazu begrüßen - was zumindest grundlegend nach Bereitschaft klingt, die Gespräche fortzuführen. Allerdings werden sich weder die Europäer noch die USA mit der von Raisi zitierten Fatwa des Obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei zufrieden geben, in der er Atomwaffen als vom Islam verboten bezeichnet hatte.

Sie wollen erreichen, dass Iran alle Beschränkungen für sein Atomprogramm wieder einhält. Israels Verteidigungsminister Benny Gantz hatte am Mittwoch bei einer Unterrichtung für die Botschafter der im UN-Sicherheitsrat vertretenen Staaten gesagt, derzeit sei Iran nur etwa zehn Wochen davon entfernt, genug spaltbares Material für eine Bombe zu produzieren - was mit der Einschätzung der USA übereinstimmt. Die Regelungen des Atomabkommens zielten zusammengenommen darauf ab, die Islamische Republik auf ein Jahr Abstand zu dieser Schwelle zu halten.

Die Diplomaten in Wien hatten umfangreiche Textbausteine für eine neue Vereinbarung ausgearbeitet, die den Weg zurück zur Einhaltung des Abkommens weisen sollten. So waren sie weit fortgeschritten bei der Frage, welche der von den USA unter Präsident Donald Trump verhängten Sanktionen die Regierung von Joe Biden bereit ist, wieder aufzuheben. Offen ist allerdings, ob Raisi bereit ist, darauf aufzubauen.

Der neue Präsident versprach seinen Landsleuten zwar, die Islamische Republik in eine "glänzende Zukunft" zu führen und die Wirtschaft des Landes zu stabilisieren. Westliche Diplomaten, aber auch unabhängige Experten und selbst wichtige Mitglieder des Kabinetts des scheidenden Präsidenten Hassan Rohani sind überzeugt, dass dies ohne eine Aufhebung der US-Sanktionen nicht möglich ist, die Iran Zugang zu den Milliarden-Erlösen aus dem Ölgeschäft verwehren und auch europäische Unternehmen am Handel mit Teheran hindern.

Raisi sprach allerdings auch davon, die iranische Wirtschaft widerstandsfähig zu machen und Autarkie anzustreben. Bereits am Dienstag hatte er bei seiner Amtseinführung gesagt, das wirtschaftliche Wohlergehen Irans könne nicht an den Willen anderer Länder geknüpft werden. Diese Bemerkungen lassen aufhorchen. Denn sie legen wiederum nahe, dass Raisi zu einem Deal nur bereit ist, wenn er den Vorstellungen der Hardliner in Teheran entspricht.

Ein Ausschuss des von ihnen dominierten Parlaments hatte den in Wien verhandelten Text schon als unvereinbar mit den Vorgaben Chameneis bezeichnet, dies aber später wieder zurückgezogen. Auch waren wichtige Fragen in Wien offen geblieben. So forderte Iran Garantien von den USA, dass auch künftige Regierungen nicht wieder aus dem Deal aussteigen.

Auch wollte Iran seine Verpflichtungen erst wieder einhalten, wenn es in den Genuss der wirtschaftlichen Vorteile der Sanktionsaufhebung kommt. Der scheidende Präsident Rohani jedenfalls prognostizierte, es werde seinem Nachfolger nicht gelingen, den Deal wiederzubeleben.

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