Erneute Proteste in Iran:Schüsse, Tränengas und angeblicher Angriff auf Mullah

Erneute Proteste in Iran: Iran kommt nicht zur Ruhe. Das Foto zeigt Menschen, die ein Feuer während eines Protestes gegen den Tod von Mahsa Amini entzünden. Anlass der Proteste am Donnerstag war das Ende der Trauerzeit nach dem Tod einer weiteren jungen Iranerin: Hadis Nadschafi.

Iran kommt nicht zur Ruhe. Das Foto zeigt Menschen, die ein Feuer während eines Protestes gegen den Tod von Mahsa Amini entzünden. Anlass der Proteste am Donnerstag war das Ende der Trauerzeit nach dem Tod einer weiteren jungen Iranerin: Hadis Nadschafi.

(Foto: Wana News Agency/Reuters)

Nahe der Hauptstadt Teheran schlagen Massendemonstrationen in Gewalt um. Augenzeugen berichten von einer neuen Dimension des Widerstands.

Tränengas liegt in der Luft, Schüsse sind zu hören und über den Köpfen der Demonstranten kreist ein Helikopter: Nahe der Hauptstadt Teheran sind Proteste gegen den autoritären Kurs der Regierung erneut in Gewalt umgeschlagen. "Wir waren ja bei mehreren Protesten dabei, aber das hier spielt in einer anderen Liga", berichtet ein Augenzeuge in der Stadt Karadsch, westlich von Teheran.

Die Bilder, die am Donnerstag wieder in den sozialen Medien geteilt werden, zeigen verletzte Demonstranten und Polizisten. Menschenmassen strömen auf die Straßen - mehrheitlich sind es Frauen. Augenzeugen berichten, dass immer wieder Rufe zu hören sind: "Wir kämpfen, wir sterben, wir ertragen keine Erniedrigung."

Sicherheitskräfte sollen auf die Demonstranten geschossen haben. Einige setzten sich zur Wehr. "Irgendwie hatte keiner Angst", sagt ein weiterer Mann am Rande der Proteste. "Die Augen der Leute waren voller Hass, da war kein Platz mehr für Angst."

Anlass war das Ende der Trauerzeit nach dem Tod einer jungen Frau

Konkreter Anlass der Demonstrationen vom Donnerstag ist das Ende der vierzigtägigen Trauerzeit nach dem Tod der jungen Iranerin Hadis Nadschafi, die Berichten zufolge im September bei Protesten in Karadsch von Sicherheitskräften erschossen wurde. Die Behörden bestreiten dies. Nadschafi ist inzwischen eine der Symbolfiguren der Proteste, die seit sechs Wochen nicht abreißen.

Auslöser der jüngsten Protestbewegung war der Tod einer anderen jungen Frau, der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini. Die Sittenpolizei hatte sie Mitte September festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Sie befand sich nur Stunden in Polizeigewahrsam, fiel unter nicht geklärten Umständen ins Koma und starb wenige Tage später in einem Krankenhaus. Seither gehen Zehntausende gegen die repressive Politik der Islamischen Republik auf die Straßen. Mehr als 280 Menschen wurden nach Angaben von Menschenrechtlern seither getötet, mehr als 14 000 verhaftet.

Die traditionelle islamische Trauerzeit nutzen viele Regimegegner, um regelmäßig auf die Straße zu gehen. "Wenn man sieht, wie die Familie unter dem Tod der Tochter leidet, kommt einem die Wut hoch", sagt ein junger an den Protesten beteiligter Mann.

Ein Kleriker soll angegriffen und verletzt worden sein

Doch es gibt auch soziale Gründe für das Aufbegehren gegen das Regime. "Karadsch ist deshalb ein Zentrum der Proteste, weil hier viele aus der Mittelklasse leben, die aber immer mehr in die Unterschicht abrutschen", sagt einer derjenigen, die auf die Straße gehen. Iranische Medien berichteten auch, dass ein Polizeiposten angezündet worden sein soll. Weitere Bilder in den sozialen Medien zeigten Menschen, die Waffen aus einem verlassenen Polizeiauto entwendeten.

Für Aufsehen sorgt auch eine mutmaßliche Attacke auf einen Geistlichen. Die Nachrichtenagentur Tasnim berichtet, ein Kleriker sei während der Proteste angegriffen und verletzt worden. Ein Bild in den sozialen Medien soll den verletzten Geistlichen auf dem Rücksitz eines Autos zeigen. Die Berichte lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen. In Zahedan, einer Stadt im Südosten des Landes, in der es bereits Proteste mit vielen toten Demonstranten gab, berichten Staatsmedien am Donnerstag außerdem über einen weiteren, diesmal tödlichen Angriff auf einen schiitischen Prediger. Seit Wochen werden Irans Mullahs als Symbol der autoritären Führung in dem schiitischen Staat kritisiert.

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