Iran: Protest und Gewalt:Tote auf Teherans Straßen

Der Protest in Teheran wird immer gewalttätiger: Bislang wurden bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften mindestens zehn Menschen getötet. Verliert die Protestbewegung die Sympathien des iranischen Volkes?

Bei den Protesten gegen den Ausgang der Präsidentenwahl in Iran sind staatlichen Fernsehsendern zufolge mehrere Menschen getötet worden. Die TV-Sender berichteten am Sonntag, es seien bei den Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei am Samstag zehn Personen ums Leben gekommen und mehr als 100 verwundet worden. Ein anderer staatlicher Sender, Press TV, hatte zuvor von 13 Toten berichtet. Der US-Fernsehsender CNN sprach unter Berufung auf "Krankenhauskreise" von 19 Toten.

Iran: Protest und Gewalt: Teheran: Protest auf der Straße (Hinweis: Dieses Bild veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters mit dem Hinweis, dass die Berichterstattung aus Iran eingeschränkt ist, und dieses Bild hier am Samstag auf Twitter hochgeladen wurde)  (Foto: Reuters/Twitter)

Teheran: Protest auf der Straße (Hinweis: Dieses Bild veröffentlichte die Nachrichtenagentur Reuters mit dem Hinweis, dass die Berichterstattung aus Iran eingeschränkt ist, und dieses Bild hier am Samstag auf Twitter hochgeladen wurde) (Foto: Reuters/Twitter)

(Foto: Foto: Reuters)

Unabhängige Berichte über die erneuten Proteste gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad gab es nicht, da ausländische Medien nicht berichten dürfen und alle Oppositionsmedien gesperrt sind.

Oppositionsanhänger protestieren seit nunmehr neun Tagen gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads und wefen ihm Wahlbetrug vor. Am Samstag hatten sich mehrere tausend Menschen in Teheran versammelt, obwohl die Veranstalter um Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi eine von den Behörden verbotene Massenkundgebung abgesagt hatten. Dabei war es zu schweren Zusammenstößen von Oppositionsanhängern mit Gefolgsleuten von Ahmadinedschad und Sicherheitskräften gekommen.

Mit einem massiven Polizeiaufgebot versuchten die Behörden das Demonstrationsverbot durchzusetzen. Wie Augenzeugen berichteten, ging die Polizei mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor, die "Tod der Diktatur" und "Tod dem Diktator" riefen. Bereitschaftspolizei riegelte das Gelände der Universität ab.

Rafsandschani-Tochter bei Protesten verhaftet

Bei den Unruhen in Teheran am Samstag haben die Sicherheitskräfte auch die Tochter des früheren Präsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani festgenommen. Faezeh Haschemi sei ebenso wie vier ihrer Verwandten verhaftet worden, als sie Demonstranten "aufgehetzt" habe, berichtete die Nachrichtenagentur Fars am Sonntag.

Rafsandschani ist nach wie vor einer der einflussreichsten Männer in der Führung der Islamischen Republik, gilt aber als Reformer und ist ein Gegner des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadineschad. Im Wahlkampf hatte Ahmadinedschad Rafsandschani sowie dessen Tochter Faezeh und seinem Sohn Mehdi Haschemi Betrug vorgeworfen. Die Rafsandschani-Familie zählt zu den reichsten in Iran. Vergangene Woche waren Faezeh und Mehdi Haschemi an der Ausreise gehindert worden. Rafsandschani selbst hatte der oberste Führer des Landes, Ajatollah Chamenei, am Freitag aber ausdrücklich als Teil der Islamischen Revolution in Schutz genommen.

Zum Ablauf der Auseinandersetzungen gab es unterschiedliche Darstellungen. Der staatliche Sender Press TV berichtete, "Unruhestifter" hätten zwei Krankenhäuser und eine Militärkaserne angezündet. Die Nachrichtenagentur Khabar meldete, die Sicherheitskräfte hätten im Gegensatz zu den Demonstranten keine scharfe Munition benutzt. Bei den Protesten hatte die Polizei Tränengas und Wasserwerfer eingesetzt und soll auch in die Luft geschossen haben, um die Protestierenden auseinanderzutreiben.

Die Oppositionsbewegung um Mussawi sprach von einem äußerst gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte. Die Ahmadinedschad nahestehenden "Basidsch"-Milizen hätten eine Moschee angezündet, in der sich Oppositionsanhänger aufgehalten hätten, berichteten Demonstranten im Kurznachrichtendienst Twitter. Unklar sei, ob es dabei Tote und Verletzte gegeben habe. Die Demonstranten selbst hätten Brandsätze geworfen. Angaben über "einige" Tote bei einem Brandanschlag auf eine Moschee wurden korrigiert. Das staatliche Fernsehen berichtigte sich inzwsichen selbst und entschuldigte sich für das Versehen: "Bei dem Feuer der Lolagar Moschee wurde keiner unserer Bürger im Inneren getötet."

Demos auch in Isfahan und Shiras

Die Oppositionsbewegung meldete auch aus anderen großen iranischen Städten Demonstrationen, etwa aus Isfahan, und Shiras. Teilweise seien die Sicherheitskräfte auch hier gegen die Demonstranten vorgegangen.

Das staatliche Fernsehen hatte zuvor berichtet, dass der iranische Geheimdienst Mitglieder einer oppositionellen Gruppierung festgenommen habe. Ihnen würden "terroristische Aktivitäten" wie das Anzünden von Bussen und die Zerstörung öffentlichen Eigentums vorgeworfen. Bei den Auseinandersetzungen wurden etliche Menschen so schwer verletzt, dass sie in Krankenhäusern behandelt werden mussten, wie Augenzeugen der Nachrichtenagentur AP sagten.

In den Kliniken wurden verletzte Demonstranten von Sicherheitskräften festgenommen, wie die Organisation Kampagne für Menschenrechte in Iran berichtete. Die Ärzten seien aufgefordert worden, jeden zu melden, der Verletzungen aufgrund von Auseinandersetzungen hatte.

Auch am Samstag waren trotz eines Demonstrationsverbots Tausende Iraner auf die Straße gegangen und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Augenzeugen berichteten von bis zu 3000 Menschen, die in Teheran aus Protest gegen den Ausgang der Präsidentenwahl zusammengekommen seien. Der unterlegene Kandidat Mir Hussein Mussawi forderte erneut eine Annullierung der umstrittenen Wahl.

Am Freitag hatte das geistliche Oberhaupt der islamischen Republik, Ali Chamenei, die Wahlen für rechtmäßig erklärt und ein Ende der Proteste angeordnet. Die Unruhen sind die schwersten Krawalle in der Islamischen Republik seit der Revolution vor 30 Jahren.

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