Iran-Politik:Handel auf Umwegen

Kurz vor dem Staatentreffen in New York wagen die Europäer den Aufstand gegen Washington. Zusammen mit den Iranern kündigen sie an, wie sie gemeinsam den Sanktionen der USA ausweichen wollen. Doch Trump dürfte reagieren.

Von Paul-Anton Krüger

Die Europäer wagen den Aufstand gegen Donald Trump, einen kleinen zumindest. Am Vorabend der Rede, die der US-Präsident am Dienstag vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen halten wollte, sagten sie ihm beim großen Streitpunkt Iran den Kampf an: Gemeinsam mit dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die EU werde eine Zweckgesellschaft gründen, um den Zahlungsverkehr mit Iran aufrechtzuerhalten - eine Bank, deren Zweck es ist, die US-Sanktionen gegen Iran zu umgehen. Die Gesellschaft solle "anderen Partnern in der Welt" offenstehen, so Mogherini.

Daran knüpfen die Europäer die Hoffnung, das Atomabkommen mit Teheran erhalten zu können, auch wenn die USA im Herbst wieder Strafmaßnahmen gegen Irans Ölindustrie und Zentralbank in Kraft setzen. Die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands sowie Russlands und Chinas bekräftigten bei einem Treffen mit Sarif, sie wollten die "Freiheit wirtschaftlicher Akteure garantieren, legitime Geschäfte mit Iran zu machen". Teheran macht die Zukunft des Abkommens abhängig davon, weiter in den Genuss wirtschaftlicher Vorteile zu kommen, und verlangt von den verbliebenen Parteien Kompensation für den Schaden, der aus Trumps Vertragsbruch entsteht.

Allen Beteiligten ist klar, dass dies aller politischen Rhetorik zum Trotz nicht möglich ist. Die meisten großen europäischen Unternehmen und Banken haben ihren Rückzug aus Iran verkündet, vom deutschen Industriekonzern Siemens über die französische Ölfirma Total bis zur dänischen Reederei Moeller-Maersk. Trump wertet das bereits als Erfolg seiner Strategie maximalen Drucks, wie er laut der französischen Delegation im Gespräch mit Präsident Emmanuel Macron sagte.

Für internationale Unternehmen ist der Zugang zum Markt und Finanzsystem der größten Wirtschaftsmacht der Welt weitaus wichtiger als Iran - ein Land mit 80 Millionen Menschen in einer Schlüsselregion, aber mit einer Wirtschaftsleistung von 430 Milliarden Dollar ökonomisch etwa so bedeutend wie Belgien. An diesen Erwägungen ändert auch die Blockade-Verordnung der EU nichts, die europäische Firmen vor den Strafen der Amerikaner schützen soll. Die Europäer ermuntern nun kleine und mittlere Unternehmen ohne USA-Geschäft, in Iran tätig zu werden.

Für Iran bemisst sich der Wert des Atomabkommens daran, ob man weiter in nennenswertem Umfang Öl exportieren kann und Zugang zu den Einnahmen erhält. Die Zweckgesellschaft soll Iran die Abwicklung solcher Geschäfte in harten Devisen ermöglichen - und zugleich sicherstellen, dass Firmen aus der EU Geld für Lieferungen nach Iran erhalten können. Irans Ölausfuhren sind zwar bereits um etwa ein Viertel gesunken, seit Trump das Abkommen im Mai aufgekündigt hat. China, Indien und die Türkei aber haben erklärt, den Rohstoff weiter abnehmen zu wollen.

Zu den technischen Details des Instituts äußerte sich Mogherini nicht, weil Experten noch daran arbeiteten. Die Grundidee ist, dass es völlig abgekoppelt ist vom US-Finanzsystem und Transaktionen in Euro abwickelt. Damit wäre es immun gegen die sogenannte Drittwirkung der US-Sanktionen - denn Strafen können die Amerikaner auch nur gegen Firmen verhängen, die in den USA tätig sind. Allerdings werden die USA absehbar ihre Sanktionen anpassen, etwa indem sie jedem mit Strafen drohen, der die Zweckgesellschaft nutzt.

Offen blieb auch die Frage, ob sie und damit Iran das Swift-System wird nutzen können, über das Banken internationale Transaktionen abwickeln. Swift sitzt in Belgien, auch US-Banken sind auf den Dienstleister angewiesen. Allerdings droht die US-Regierung, dessen Repräsentanten auf Sanktionslisten zu setzen. In Erwägung zieht die EU laut Diplomaten auch, Iran Konten bei Zentralbanken in der EU nutzen zu lassen.

Ob all das am Ende reicht, um das Abkommen am Leben zu halten, ist offen. Iran wirft den Europäern vor, zu passiv zu sein. Die Europäer hoffen, dass Iran trotzdem die Ruhe bewahrt. Diplomaten geben sich überzeugt: Die Regierung von Präsident Hassan Rohani verstehe, dass sie nichts gewinnen könne durch eine Kündigung des Atomabkommens und eine Rückkehr zur Urananreicherung im industriellen Maßstab. Das würde Europa zwingen, selbst wieder Sanktionen zu verhängen, und das Risiko einer Eskalation bis hin zu einem Krieg mit sich bringen. Nur liegt die Entscheidung nicht in den Händen des Präsidenten, sondern des Obersten Führers Ali Chamenei. Und der äußert sich deutlich unversöhnlicher als Rohani.

Letztlich müssen die Europäer darauf hoffen, dass Iran durchhält, bis im Weißen Haus Vernunft einkehrt - womöglich schon in zwei Jahren, mit einer Abwahl von Trump. Der eigentliche Zweck dieser sehr speziellen Bank der Europäer ist vor allem: Zeit kaufen.

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