Iran: Opposition vor Gericht:Die Schande von Teheran

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Ein ganzer Gerichtssaal voller Angeklagter: Das Verfahren gegen mehr als 100 Oppositionelle vor dem Revolutionsgericht trägt alle Züge eines Schauprozesses - nur ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Tomas Avenarius

In Iran rechnet das Regime mit der Opposition ab: In einem ersten Schauprozess wurden 100 Regimekritiker vor Gericht gestellt. Unter den Aktivisten der Proteste gegen die erkennbar manipulierte Präsidentenwahl vom 12. Juni sind führende Reformpolitiker, Abgeordnete und ein ehemaliger Vize-Präsident.

Ein ganzer Gerichtssaal voller Angeklagter, ein Schauprozess ohne Zuschauer: In Iran steht mehr als 100 Oppositionelle vor Gericht. (Foto: Foto: Reuters)

Diesem kam die tragisch-tragende Rolle in dem an einen politischen Prozess erinnernden Verfahren zu: Mohammed-Ali Abtahi nannte die Wahl vor den Richtern des Revolutionsgerichtes "fair und sauber". Er bezeichnete die Juni-Proteste als Kulisse für eine Art versuchten Staatsstreich. Mit solchen Geständnissen bringt er die Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi in Gefahr, ebenfalls als Staatsfeinde verfolgt zu werden. Der führende Reformpolitiker Mohammed Chatami verurteilte den Prozess als "eine Schande".

Das erste Verfahren vor dem Revolutionsgericht in Teheran trägt alle Züge eines Schauprozesses: Die Opposition soll als Handlanger westlicher Mächte dargestellt werden. Die Bekenntnisse der Angeklagten wirken erzwungen. Ihnen drohen lange Haftstrafen oder Exekution; auf versuchten Staatsstreich steht in Iran der Tod. Anwälte haben weder Akteneinsicht noch Zutritt zum Prozess. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen.

Mit Abtahi als zentraler Figur haben sich die Ankläger einen der populärsten Reformer ausgesucht. Der Mitarbeiter des liberalen Ex-Präsidenten Chatami ist als "der bloggende Mullah" bekannt. Er war eine Weile Stellvertreter des von 1997 bis 2005 regierenden Reformpräsidenten Chatami. Später wechselte der 51-jährige Geistliche als Direktor zu einem "Institut für Interreligiösen Dialog". Auf seiner Internetseite hat Abtahi immer wieder Kritik am Regime der Islamischen Republik geübt.

Auf Fotos gebrochen wirkend soll er vor Gericht gesagt haben, dass die Opposition die blutigen Zusammenstöße provoziert habe. "Das Schlagwort von der Wahlfälschung wurde benutzt, um die Menschen auf die Straße zu bringen." Abtahi soll sogar Ayatollah Ali Akbar Rafsandschani belastet haben. Dieser habe einen "Pakt" mit der Opposition geschlossen. Der Ayatollah ist einer der wichtigsten Gegner des wieder gewählten Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Er hat sich aber nie offen gegen das Regime gestellt.

Vor Prozessbeginn war wochenlang über Folter an festgenommenen Oppositionellen berichtet worden. Aus den Gefängnissen Freigelassene berichteten im Internet, es werde geschlagen und gefoltert. Sie seien zu Dutzenden in winzigen Zellen festgehalten worden. Die hygienischen Zustände seien katastrophal.

Ein Ex-Häftling berichtete, die Wärter hätten ihn gezwungen, die Toilettenschüssel sauberzulecken. Systematische Folter ist in der Islamischen Republik lange bekannt. In einem Internet-Blog heißt es über das berüchtigte Evin-Gefängnis: "Einer der Verantwortlichen hat früher einmal gesagt, mit seinen Verhörtechniken bringe er selbst einen Hahn zum Eierlegen." Jüngste Berichte aus den Gefängnissen hatten zu neuen Protesten geführt.

Nachdem der Sohn eines Beraters des konservativen Präsidentschaftskandidaten Mohsen Rezai an den Folgen von Misshandlung gestorben war, hatten sich sogar konservative Kreise empört. Um das öffentliche Image besorgt ließ Revolutionsführer Ali Chamenei daraufhin ein Gefängnis schließen. An den Zuständen in anderen Haftanstalten dürfte sich nichts geändert haben. Unklar ist laut Menschenrechtsorganisationen, wie viele Oppositionelle im Gefängnis sind und wie viele dort umgekommen sind.

Zutaten der Propaganda

Die wochenlangen Straßenproteste gegen die Wahl hatten das Regime überrascht und innerlich erschüttert. Umso unerbittlicher soll offenbar die Antwort ausfallen: Der Chef des Politbüros der mächtigen Revolutionsgarden sagte, die USA und andere westliche Staaten wollten eine "samtene Revolution" in Gang setzen.

Unter Verweis auf den Sturz autoritärer Regime in der Ex-UdSSR sagte General Jadollah Dschawani: "Jeder weiß, dass die Revolutionen in Georgien und der Ukraine von den USA angestiftet wurden. Diese Staaten sollten US-Politik betreiben." Zur Propaganda gehört auch Kritik an den internationalen Medien, die Teil der Verschwörung seien.

Zum Vorwurf eines Staatsstreichs passt auch, dass angeblich geplante Terroranschläge verhindert wurden. Wissenschaftsminister Mohammed-Mahdi Zahedi behauptete laut Press-TV, man habe Anschläge "antirevolutionärer Gruppen" vereitelt. Diese hätten geplant, am Wahltag "in verschiedenen Teilen Teherans chemische Bomben auszulösen". Mit Terrorgruppen dürften die Volksmudschaheddin gemeint sein. Die im Ausland aktive Gruppe wurde schon früher für Attentate verantwortlich gemacht. Rund 3500 bis heute im irakischen Exil lebende Mudschaheddin sollen demnächst ausgewiesen werden, wie die um ein gutes Verhältnis zu Iran bemühte Regierung in Irak jetzt erklärte.

© SZ vom 03.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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