Iran nach der Atom-Einigung:Hungrig nach Investitionen

Iran nach der Atom-Einigung: Wo in Deutschland längst Maschinen übernommen haben, legt man in Iran teilweise noch selbst Hand an

Wo in Deutschland längst Maschinen übernommen haben, legt man in Iran teilweise noch selbst Hand an

(Foto: AFP)

Irans Wirtschaft liegt darnieder. Das absehbare Ende der internationalen Sanktionen wäre eine große Chance für westliche Konzerne. Denn das Land braucht dringend Maschinen, hochwertige Produkte und kompetente Partner, etwa in der Öl- und Autoindustrie.

Von Tomas Avenarius, Mubarake

Die randlose Brille, der daumenbreite Schnauz, das Tweedjackett. Altmodisch, aber beste Qualität. Dazu die bequemen Schuhe mit den Kreppsohlen, wie gemacht für den Kontrollgang durch die Hallen. In der Kantine, wo er mit seinen 1000 Mitarbeitern isst, hat der Direktor eine seltsame Apparatur neben den Ausgang stellen lassen. Drei Zählwerke auf einer Platte, jedes hat einen roten Drücker. "Unsere Arbeiter bewerten ihr Essen. Täglich." Der linke Schalter für köstlich, der zweite für gut, der dritte für schlecht. Der Direktor sagt: "Nach dem Zähler berechne ich die Monatszulage des Kochs."

Der arme Koch. Nein, wir befinden uns nicht bei einem schwäbischen Maschinenbauer oder Eierteigwaren-Produzenten. Massoud Ghassaei ist Direktor der Porzellanfabrik Zarin, des größten Geschirrherstellers in Iran, ein Familienbetrieb seit mehr als drei Generationen.

Ghassaei redet gern über Qualität, Verantwortung, Arbeitsethos: "Die Zufriedenheit unserer Kunden hat Priorität." Das gilt nicht nur für den Koch. Der Direktor ermahnt alle 1000 Mitarbeiter über dem Eingang zur Produktionshalle, in goldener Schrift auf dunkelblauen Kacheln: "Der Wert des Menschen bemisst sich an seinem Fleiß."

Bis vor ein paar Jahren hatte Iran 25 Porzellanfabriken. Jetzt sind es nur noch acht. Die Industriebasis im Land zerbröckelt, das 75-Millionen-Einwohner-Land importiert immer mehr Gebrauchsgüter, statt sie herzustellen. Zarin ist Irans größte Porzellanfabrik. Das Geschirr für Haushalt und Hotel aus Mubarake bei Isfahan wird vor allem auf dem heimischen Markt verkauft, aber auch in die Türkei, nach Zentralasien, in den Kaukasus exportiert.

Rosenthal und Hutschenreuther, das ist der Maßstab

Direktor Ghassaei schaut auf die Rohlinge, sieht zu, wie seine Arbeiterinnen Henkel und Tüllen an die noch ungebrannten Teekannen fügen, er wippt auf den Kreppsohlen und seufzt: "Die chinesische Konkurrenz." China hat nicht nur billigere Arbeitskräfte, es hat auch den Porzellanrohstoff Kaolin. Den müssen Zarins Einkäufer nicht nur für viel Geld importieren, sie müssen die Devisen dafür auch noch auf Umwegen besorgen, weil Iran wegen der Sanktionen vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten ist. Das schlägt sich auf den Preis nieder, denn die Qualität darf bei Ghassaei nicht sinken: "Das beste Porzellan kommt immer noch aus Deutschland. Rosenthal und Hutschenreuther, das ist der Maßstab."

Mehr noch als unter den Chinesen leidet der Direktor unter der Regierung. Jedenfalls unter der bisherigen. "Die letzte Führung hat ein bisschen übertrieben. Deshalb haben wir jetzt eine Regierung der Mäßigung." Politik ist Ghassaeis Sache nicht. Was er meint: In den acht Jahren unter Präsident Mahmoud Ahmadinedschad kam aus der Erdölproduktion mehr Geld in die Staatskasse als je zuvor. Der Ölpreis war hoch, und die Sanktionen gegen den Rohstoffexport griffen bis 2012 noch nicht. Das Öl brachte 700 bis 800 Milliarden Dollar in acht Jahren. "Dieses Geld hätte in die Infrastruktur fließen müssen, damit wir Güter exportieren, statt sie zu importieren", so Ghassaei. "Ahmadinedschad hat Arbeit in China geschaffen, nicht in Iran."

Der kürzlich abgewählte Präsident hatte Misswirtschaft betrieben. Eine verfehlte Subventionspolitik, die Kosten des Atomprogramms, eilig in die Landschaft gebaute Sozialwohnungen, die keine Anbindung an Schulen, Krankenhäuser, Läden haben. Jetzt, wo mit den Genfer Atomgesprächen ein Ende der internationalen Sanktionen als möglich erscheint, verspricht die Regierung des neuen Präsidenten Hassan Rohani bereits die wirtschaftliche Erholung.

Enormer Nachholbedarf

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Lavan-Raffinerie an Irans Südküste (Archiv)

(Foto: AFP)

Der Nachholbedarf ist groß: an Investitionen, Anlagen, hochwertigen Fertigprodukten. Ein deutscher Wirtschaftsvertreter in Teheran sagt: "Die Zahlen sind weit schlechter, als Ahmadinedschad glauben machte. Die neue Regierung liefert echte Zahlen." Er sagt: "Ahmadinedschads Jahre waren auf der Einnahmeseite die besten. Aber er hat schlecht gewirtschaftet."

So zählt Iran zu den größten Erdölproduzenten, aber die Ölindustrie muss modernisiert werden. Es sei kaum gelungen, beim Bau von Raffinerien und Bohrtürmen Ersatz für westliche Expertise zu finden, sagt der Wirtschaftsvertreter. "Die Chinesen können die nötige Qualität nicht." Er rechnet mit Kosten von 80 Milliarden Dollar, bei einem Zeitaufwand von zehn Jahren.

Nachholbedarf gibt es auch in der Autoindustrie. Irans Produktion zählt zu den regional wichtigsten, sie verlor aber durch die Sanktionen ihre Partner, vor allem die französischen Hersteller Peugeot und Renault. Schon wenige Tage nach der Genfer Atomeinigung Ende November flogen westliche Manager in Teheran zu einem Autosalon ein. Verträge gibt es zwar noch keine. Aber Irans größter Fahrzeugproduzent Khodro hat nun die Wahl zwischen amerikanischen, französischen und anderen Herstellern.

Riesenpotential im Automarkt

Experten sehen im Automarkt samt Ersatzteilbedarf ein Riesenpotential. Khodro kann derzeit eine Million Pkw jährlich bauen, der Markt fordert 1,5 Millionen. Khodro wurde berühmt durch den Peykan, einem unverwüstlichen Auto aus den Sechzigerjahren. Der persische Volkswagen beruhte auf britischer Technik, hatte aber mehr mit dem sowjetischen Wolga gemein. Lauter, umweltbelastender und unbequemer als im Peykan kann man kaum fahren. Dafür war er unverwüstlich. Das Auto wird nun nicht mehr gebaut.

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Schweißroboter bei Autohersteller Khodro

(Foto: AFP)

Iran benötigt neben Mittelklasse-Modellen einen billigen, modernen Volkswagen. "Zugang zum Auto ist Voraussetzung für den Fortschritt und den Wohlstand der Menschen", sagt Irans Vize-Präsident Eshagh Jahangiri bei der Begrüßung der Automanager. Er lädt sie ein, im großen Stil zu investieren.

Bedarf an Maschinen haben aber auch kleinere Unternehmen wie der Porzellanhersteller Zarin. Wenn Direktor Ghassaei auf seinen Kreppsohlen durch die Hallen wandert, sieht er immer noch zu viel Handarbeit, wo Maschinen schneller, besser, billiger wären. "Unser Land hungert nach Investitionen." Wobei es sich mit den Maschinen, von denen er träumt, verhält wie mit dem Porzellan: "Das Beste in dem Bereich kommt aus Deutschland."

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